Pflanzenzüchtung
Die Bedeutung von Hybridreis
Von Philippe Dumont und Stéphane Pouzadoux
Seit Anfang des neuen Jahrhunderts sind die Lebensmittelpreise drastisch gestiegen. Diese Entwicklung hat 2008 in verschiedenen Ländern zu Unruhen geführt. Auch die aktuelle Protest- und Revolutionswelle in den arabischen Ländern wurde nicht nur vom Wunsch nach politischer Freiheit, sondern auch von der Armut im ländlichen Raum getrieben.
Die FAO berichtete vergangenen November in ihrem zweimal jährlich erscheinenden Food Outlook Report, dass die Lebensmittelpreise schon fast wieder die Rekordwerte von 2008 erreicht hätten. Sie warnte vor weiterer Inflation, die zu erhöhter politischer Instabilität, Aufständen, Unterernährung und Hungertoden führen könne.
Vor diesem Hintergrund sind öffentliche und private Einrichtungen, Regierungen, Unternehmen, lokale Gemeinschaften und Landwirte dazu aufgerufen, gemeinsam nachhaltige Lösungen zu finden. Solche Lösungen dürfen nicht nur dazu dienen, eine schnell wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, sondern müssen auch Kleinbauern in Entwicklungsländern ein sicheres Einkommen bieten und langfristige Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigen.
Sinnvolle Innovationen
Neuentwicklungen, die Ernteerträge erhöhen, die Umwelt schonen und der Gesellschaft nutzen, werden eine entscheidende Rolle bei nachhaltigen Lösungsansätzen spielen. Hybridreis ist eine solche Innovation. Reis ist Grundnahrungsmittel für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. In zehn Jahren werden dem Internationalen Reis-Forschungs-Institut (IRRI) mit Sitz in Manila, Philippinen, zufolge 80 Millionen Tonnen Reis mehr benötigt werden als heute. Der IRRI-Jahresbericht 2009 bezeichnet Hybride als „Schlüsseltechnologie, um Ertragslücken zu schließen sowie Ernten und Einkommen von Reisbauern zu steigern“.
Bayer CropScience investiert seit mehr als zehn Jahren in die Entwicklung und Vermarktung von Hybridreis. Dabei geht es um zweierlei: ein nachhaltiges Geschäftsmodell und eine hocheffiziente Technologie zur Steigerung der Ernteerträge.
Hybridreis entsteht durch die Kreuzung zweier genetisch verschiedener Elternzuchtlinien. Die daraus entstehenden Pflanzen sind sehr vital und ertragreich und bieten das, was in der Landwirtschaft als Hybrid-Kraft oder Heterosis bezeichnet wird. Hybride steigern bei leichter zu kreuzenden Kulturen wie zum Beispiel Mais seit vielen Jahren die Erträge. Die Erzeugung von Hybrid-Samen ist allerdings besonders aufwändig. Die Stammpflanzen müssen separat gezüchtet und gekreuzt werden, um den Landwirten das bestmögliche Saatgut zu bieten. Das jährliche Anpflanzen von Hybridreis zahlt sich für die Reisbauern aus, da es ihnen kontinuierlich hohe Ernteerträge beschert.
Reispflanzen sind grundsätzlich Selbstbestäuber. Deshalb ist es nicht einfach, Reis im großen Stil zu kreuzen. Hybridreis wurde zuerst in China angebaut und über die letzten 30 Jahre entwickelt. In China hat er auch seine hohe Ertragsleistung erstmals bewiesen. Laut FAO waren 2008 China und Indien die größten Reisproduzenten der Welt. China produzierte 193 Millionen Tonnen Rohreis und Indien 148 Millionen Tonnen. Der durchschnittliche Ertrag in Indien lag bei 3,3 Tonnen pro Hektar, während China mit 6,5 Tonnen pro Hektar fast das Doppelte ernten konnte. Zu diesem enormen Unterschied hat beigetragen, dass 55 Prozent der chinesischen Reisfelder mit Hybriden bepflanzt werden; in Indien sind es lediglich drei Prozent.
Arize® ist der globale Markenname der Hybrid-Reissaat von Bayer CropScience. Arize-Hybride erbringen nachweislich rund 20 Prozent mehr als die besten zwergwüchsigen Inzuchtlinien, die den asiatischen Markt derzeit dominieren. Die Investitionen, die die Reisbauern beim Kauf dieses hochwertigen Saatguts tätigen, wird durch die höheren Ernteerträge und den geringeren Einsatz von Ressourcen mehr als wettgemacht. In Indien etwa zeigen von der FAO erhobene Zahlen, dass das Nettoeinkommen der Bauern fast doppelt so hoch ist, wenn sie Hybridreis statt der Inzuchtlinien verwenden.
Bayer CropScience kooperiert bei der Erforschung weiterer Innovationen im Reisanbau mit dem IRRI. Traditionell werden in Asien für den Reisanbau zunächst Setzlinge gezüchtet und diese später in die Reisfelder verpflanzt. Ein gemeinsames Programm von IRRI und Bayer CropScience in Indonesien belegt die Vorteile der Direktsaatmethode, die den Bauern mehr Flexibilität im Reisanbau gibt. So wird die Zeit bis zur Reife um bis zu 14 Tage verkürzt.
Im Ergebnis bedeutet das ein flexibleres Zeitfenster für den Zeitpunkt der Aussaat: Falls sich beispielsweise die Regenzeit verzögert, können die Bauern also später mit der Aussaat beginnen. Außerdem sind die Pflanzen möglichem Schädlingsbefall und Krankheitserregern kürzer ausgesetzt, was das Risiko von Ernteausfällen verringert. Die Direktsaatmethode ist zudem weniger arbeitsintensiv.
Der neue Ansatz bietet obendrein Antworten auf verschiedene langfristige Umweltprobleme des Reisanbaus: Es wird weniger Wasser benötigt, und die Emissionen von Methan, einem der schädlichsten Treibhausgase (GHG für „greenhouse gases“), werden reduziert. Erste von IRRI und Bayer CropScience abgeschlossene Studien über Treibhausgasemissionen in Indonesien im Jahr 2010 brachten vielversprechende Ergebnisse. Das Direktsaat-Programm wird jetzt auch auf den Philippinen und in Indien eingeführt.
Um den Bauern die Vorteile des Hybridreis-Anbaus nahezubringen, bietet Bayer CropScience ausführliche Schulungen an. Dabei geht es nicht nur darum, den Bauern technisches und wirtschaftliches Wissen für den Anbau von Hybridreis zu vermitteln, sondern es werden darüber hinaus jährlich mehr als 23 000 Reisbauern in Indien speziell für die Produktion des hochwertigen Saatguts geschult.
Ein weiteres Beispiel für das Engagement von Bayer CropScience, lokale Gemeinschaften zu unterstützen und Effizienzsteigerungen zu erzielen, sind Methoden, mit deren Hilfe der Bestäubungsvorgang in den Reisfeldern verbessert werden kann. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass der Wind die Pollen von der männlichen zur weiblichen Reispflanze trägt, um eine Hybride zu erzeugen. Arbeiter müssen durch die Produktionsfelder gehen und die männlichen Pflanzen ausklopfen, um den Pollenflug anzuregen, sobald die weiblichen Pflanzen blühen. Das Unternehmen hat die Benutzung vier Meter langer Bambusstäbe eingeführt, um diesen Arbeitsschritt vorzunehmen. Diese einfache Methode bewirkt die optimale Freisetzung des Pollens.
Öffentlich-private Zusammenarbeit
Die zuverlässige Erzeugung hochwertigen Hybridreis-Saatguts bleibt eine Herausforderung, die Produktionsmengen schwanken stark. Um eine nachhaltige Produktion zu ermöglich, bedarf es langfristiger Investitionen, wobei die Kosten insgesamt hoch bleiben werden. Vor diesem Hintergrund ist staatliches Engagement gefordert. Sowohl private als auch öffentliche Züchter brauchen Zugang zu vielfältigen pflanzengenetischen Ressourcen, um die Züchtung zu verbessern und Erträge zu steigern. Regierungen müssen dafür sorgen, dass geistiges Eigentum angemessen geschützt wird und dass Samen für Züchtungszwecke – unbeschadet der Vorgaben für Nahrungsmittelsicherheit und Quarantäne – ungehindert verwendet werden dürfen.
1970 erhielt der Agrarwissenschaftler Norman Borlaug, der als Vater der Grünen Revolution gilt, den Friedensnobelpreis, „in der Hoffnung, dass Brot auch Weltfrieden bringt“. Heute mag sein Erbe wegen der damit einhergegangenen Umweltauswirkungen kontrovers diskutiert werden. Unbestritten aber ist, dass die Entstehung neuer Sorten, die Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln, der Zugang zu Dünger, Bewässerung und die Mechanisierung der Landwirtschaft dazu beigetragen haben, Millionen von Menschen zu ernähren.
Bayer CropScience ist davon überzeugt, dass seine Hybridreissorten und ihre Akzeptanz bei den Landwirten im Laufe des 21. Jahrhunderts zu einer zweiten Grünen Revolution beitragen können – und zwar durch die Steigerung der Lebensmittelproduktion bei erschwinglichen Preisen und gleichzeitigem Erhalt und Schutz natürlicher Ressourcen.
Von derartigen Innovationen in der Landwirtschaft können Bevölkerungen jedoch nur dann profitieren, wenn sie breit angelegt sind und wenn die Anstrengungen von öffentlichem und privatem Sektor aufeinander so abgestimmt und koordiniert sind, dass sie ein passendes Umfeld schaffen. Das bedeutet, öffentliche Agrarbudgets zu erhöhen und Public-Private-Partnerships zu ermöglichen, die neue Lösungen erforschen, entwickeln, vermarkten und fördern. Das bedeutet auch, Landwirte entsprechend zu schulen, um die Entwicklung einer modernen Landwirtschaft zu unterstützen. Außerdem sollte auch vermehrt die Einführung innovativer und nachhaltiger Lösungen angeregt werden, einschließlich solcher, die aus der Biotechnologie abgeleitet werden. Dabei könnten die weltweite Harmonisierung und die Einführung pragmatischer und wissenschaftsbasierter Verfahren und Zulassungssysteme helfen.
Das erste Millenniumsziel der Vereinten Nationen ist es, von 1990 bis 2015 den Anteil der hungernden Menschen an der Weltbevölkerung zu halbieren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es entscheidend, Landwirtschaft ganz oben auf die politische Agenda zu setzen.
Nur mit einem klaren politischen Willen können Straßen und Lagerstätten gebaut und erhalten werden, um Lebensmittel zu transportieren und Verluste nach der Ernte zu verhindern, sowie angemessene Finanzierungssysteme organisiert und Landwirten der Zugang zu Krediten ermöglicht werden, die sie für ihre Investitionen brauchen. Außerdem muss die Verbindung zwischen den Landwirten und Mühlenbetreibern verbessert werden oder auch der Handel erleichtert werden, indem Import- und Export-Beschränkungen abgeschafft oder vereinfacht werden.
Wenn die Welt die wachsende Bevölkerung erfolgreich ernähren und zugleich den durch die Landwirtschaft verursachten ökologischen Fußabdruck verringern will, müssen alle Verantwortlichen zusammenarbeiten. Nur so kann die Akzeptanz für Innovationen wie Hybridreis entstehen. Heute setzt sich Bayer CropScience für die Hybridreis-Produktion in verschiedenen Regionen der Welt ein, unter anderem in Indien, auf den Philippinen, in Vietnam, Pakistan, Bangladesch, Indonesien, Thailand, Brasilien und den USA. Es besteht ein Netzwerk von Zuchtstationen mit einem umfassenden Portfolio an Hybridreis, der höhere Erträge und eine hohe Qualität bietet sowie auf lokale Geschmäcker und kulinarische Traditionen eingeht.
Die Einführung von Hybridreis als profitable und nachhaltigere Lösung für Reisbauern erfordert beträchtliche Anstrengungen. Bayer CropScience arbeitet partnerschaftlich mit Tausenden von Landwirten in ganz Asien und führenden Institutionen wie dem IRRI zusammen, um die vielen Vorteile von Hybridreis für die Bauern und ihre Gemeinschaften zugänglich zu machen. Das Unternehmen betrachtet das als Langzeit-Investition für seine eigene Zukunft sowie für die Zukunft der Landwirtschaft.