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Infrastruktur

Pakistan droht eine Wasserkrise

Pakistan droht eine Wasserkrise, die die Ernährungsunsicherheit verschlimmern könnte. Auch politische und wirtschaftliche Instabilität erschweren die Lage. Die Regierung geht die Probleme an, aber das reicht nicht.
Überflutete Landstraße in der Provinz Sindh im September 2022. picture-alliance/AA/Jan Ali Laghari Überflutete Landstraße in der Provinz Sindh im September 2022.

Die Landschaft in Pakistan ist in weiten Teilen zerklüftet, vom Himalaya und dem Karakorum-Gebirge bis hin zu Wüsten und trockenen Ebenen. Das Land ist geografisch unwirtlich und ökologisch anfällig – beides macht es schwer, die wachsende Bevölkerung zu ernähren. So erschweren etwa das trockene Klima und unvorhersehbare Witterungsbedingungen den Ackerbau. Und es fehlt an Infrastruktur, um landwirtschaftliche Erzeugnisse zum Markt zu transportieren.

Im Welthunger-Index 2022 liegt Pakistan auf Platz 99 von 121 Ländern. Die drohende Wasserkrise könnte die Ernährungsunsicherheit verschärfen. Durch den Klimawandel werden Wetterextreme häufiger und heftiger, 2022 etwa gab es verheerende Überschwemmungen.

Pakistan ist auch anfällig für Erdbeben und Dürren – meist benötigen nach solchen Katastrophen Hunderttausende von Menschen Nothilfe im Hinblick auf Wasser- und Abwasserversorgung. Hinzu kommen klima- und konfliktbedingte Binnenmigration und Vertreibung sowie eine Wirtschaftskrise, mit der die Regierung überfordert ist. Die Behörden haben Mühe, Nahrungsmittelknappheit und Inflation zu kontrollieren, um die Lebensgrundlagen wiederherzustellen.

Der Country and Climate Development Report der Weltbank von 2022 sagt Pakistan eine düstere Zukunft voraus, wenn nicht bald etwas geschieht gegen Klimawandel und Umweltzerstörung. Der Bericht prognostiziert, dass das jährliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2050 um 18 bis 20 Prozent pro Jahr sinken könnte, wenn das Land nicht schnell handelt. Allein die Wasserknappheit in der Landwirtschaft könnte das BIP um mehr als 4,6 Prozent schrumpfen lassen. Pakistan hatte 2020 die niedrigste Wasserproduktivität in Südasien. Die Ärmsten trifft Wassermangel besonders hart.

Verunreinigtes Wasser gefährdet Kinder

Der Zugang zu sicherem Wasser und Sanitäreinrichtungen ist begrenzt, und sowohl der Klimawandel als auch die voranschreitende Verstädterung verschlimmern die Lage. Selbst in manchen Gesundheitszentren und Schulen gibt es oft keine adäquate Wasser- und Sanitärinfrastruktur. Das ist für Mädchen besonders problematisch, vor allem während ihrer Menstruation.

Durchfallerkrankungen grassieren

Laut UNICEF defäkieren 25 Millionen Menschen in Pakistan im Freien – das ist eine der Hauptursachen für durch Wasser übertragene Krankheiten. UNICEF schätzt, dass 70 Prozent der Menschen bakteriell verunreinigtes Wasser nutzen müssen. Jährlich sterben daher rund 53 000 Kinder unter fünf Jahren an Durchfallerkrankungen. Kinder, die wiederholt an Durchfall erkranken, verpassen außerdem Unterricht oder brechen sogar die Schule ab. Durchfallerkrankungen können auch zu Wachstumsstörungen führen; von Letzterem sind fast 44 Prozent der Kinder in Pakistan betroffen: Sie wachsen und entwickeln sich nicht altersgemäß.

Pakistans nationale Wasserstrategie von 2018 ist schwer umsetzbar. Es geht darin unter anderem um Wasserinfrastruktur, institutionelle Kapazitäten und politischen Willen. Besonders drängend ist das Fehlen angemessener Wasserspeicher – so wird sowohl bei Dürren als auch bei Überschwemmungen das Wasser knapp. Ineffiziente und veraltete Bewässerungssysteme, die viel Wasser verschwenden, verschärfen den Mangel.

Das Land ist institutionell zu schwach, um seine Wasserstrategie umzusetzen. Darin wird die Einrichtung eines Nationalen Wasserrats und einer Nationalen Behörde zur Wasserregulierung gefordert, die das Wassermanagement überwachen und garantieren sollen, dass die politischen Leitlinien eingehalten werden. Die Regierung hat aber sehr dabei getrödelt, diese einzurichten, und auch versäumt, ihre Zuständigkeiten und Aufgaben genau zu definieren.

Auch der politische Wille spielt eine wichtige Rolle. Die Wasserstrategie fordert weitreichende Reformen beim Management von Wasserressourcen. Beispielsweise sollen die Grundwasserentnahme reguliert und Maßnahmen zum Wassersparen gefördert werden. Mit politischem Widerstand ist aber zu rechnen, insbesondere aus den einflussreichen Lobbys für Landwirtschaft und Industrie.

Investitionen reichen nicht aus

Die pakistanische Regierung hat mehrere Initiativen gestartet, um Ernährungssicherheit zu stärken und die Wasserkrise anzugehen. Dazu gehört, in die Bewässerungsinfrastruktur zu investieren, kleinbäuerliche Betriebe zu unterstützen und neue Dämme und Stauseen zu bauen. Es braucht jedoch viel mehr, damit Pakistan mit seiner schnell wachsenden Bevölkerung, kargen Landschaft und Klimaanfälligkeit fertigwerden kann.

Transparenz und Rechenschaftspflicht

Zu den Hauptproblemen in der Wasserwirtschaft zählen mangelnde Transparenz und Rechenschaftspflicht. In mehreren Teilen Pakistans wurde über Korruption und Vetternwirtschaft bei der Wasserverteilung berichtet, besonders bei großen Bewässerungsprojekten. Das untergräbt die effiziente Nutzung der Wasserressourcen und verschärft soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten. Kleinbäuerliche Betriebe und marginalisierte Gemeinschaften haben oft kaum Zugang zu Wasser.

Andere Schwachstellen der pakistanischen Wasserpolitik sind fehlende Regulierung und Durchsetzung von Gesetzen und Strategien. Die nationale Wasserstrategie und verschiedene Rahmenvereinbarungen für die Wasserbewirtschaftung in den Provinzen werden unzureichend und uneinheitlich umgesetzt. Die Regulierung ist zersplittert und oft widersprüchlich – zahlreiche Behörden und Interessengruppen haben keine klare Rolle und Verantwortlichkeiten.

Um die Herausforderungen der schwachen Wasserbewirtschaftung in Pakistan zu bewältigen, müssen alle Beteiligten kooperieren – auch Regierung, zivilgesellschaftliche Organisationen und der Privatsektor. Sie sollten in die Entwicklung institutioneller Kapazitäten investieren, Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Wasserwirtschaft fördern und eine wirksame Regulierung und Durchsetzung von Wassergesetzen und -strategien sichern.

In Pakistan ist die Klimakrise vor allem eine Wasserkrise. Sie ist unvermeidbar, aber durch eine schnelle Anpassung könnte Pakistan die Schäden zumindest begrenzen. Die Uhr tickt – und je länger wir warten, desto schlimmer wird es.

Der Weg in die Zukunft

Auf der Pakistan Water Week 2022 in Islamabad gaben Fachleute fünf Empfehlungen zur Verbesserung der pakistanischen Wasserwirtschaft ab:

  1. 1. Politische Entscheider sollten besonders die für die Wasserbewirtschaftung zuständigen Institutionen stärken – indem sie ihnen notwendige Ressourcen und Schulungen zur Verfügung stellen, damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen können. Auch Investitionen in die Wasserinfrastruktur, inklusive Abwasserentsorgung, müssen ins Zentrum rücken. Öffentliche Investitionen sollten zivilgesellschaftliche Bemühungen ergänzen.
  2. 2. Eine effiziente Dezentralisierung ist notwendig. Die pakistanischen Provinzregierungen sollten vorangehen bei der Umsetzung von Initiativen zur Verbesserung von Wasserspeichern, zum Wassersparen, zum Recycling und zur Wiederverwendung gemäß ihren eigenen Bedürfnissen.
  3. 3. Technologien sollten dazu verwendet werden, um Vertrauen und Transparenz zu schaffen. Die Provinzen sollten automatisch Daten zum Wasserfluss austauschen. Entscheidungen über die Zuteilung, Nutzung und Bewirtschaftung von Wasser sollten sich an datengestützten Erkenntnissen orientieren.
  4. 4. Journalismus zu Wasser- und Klimathemen sollte besser finanziert werden. Einflussreiche Medienbesitzer müssen darauf aufmerksam gemacht werden, wie drastisch die Wasser- und Klimakrise ist.
  5. 5. Frauen und Jugendliche sollten in die Debatten über Wasser und den Wassersektor auf nationaler und Provinzebene einbezogen werden. Beide Gruppen spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Wassernutzung, jetzt und in der Zukunft.

Zudem muss Pakistan das Thema Wasser bereits in diesem Jahr, das noch ein Wahljahr werden kann, als nationale Sicherheitsfrage behandeln. Wenn die Bürger*innen Wassersicherheit als integralen Bestandteil der wirtschaftlichen Sicherheit sehen und politische Parteien dazu bringen, im Wahlkampf Reformen und Investitionen im Wassersektor zu versprechen, könnte dies eine Chance sein, diese Parteien zur Verantwortung zu ziehen, sobald sie an der Macht sind. Wenn Institutionen und politische Entscheidungsträger*innen effektiv kooperieren, können sie negative Auswirkungen der Wasserproblematik für Mensch und Wirtschaft verringern.

Pakistan ist für weniger als ein Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, seine Klimaanfälligkeit ist also unverhältnismäßig hoch. Angemessene Klimafinanzierung und andere Formen der Unterstützung würden dem Land dabei helfen, diese Themen anzugehen, resilienter zu werden, und auf globaler Ebene dazu beizutragen, den Klimawandel und seine Folgen anzugehen.

Abdur Rehman Cheema hat an der Massey University in Neuseeland promoviert und war Chevening-Postdoc-Stipendiat in Oxford.
arehmancheema@gmail.com

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