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Meeresökologie

„Blue economy” ist mehr als ein Schlagwort

Die Menschheit ist von den Ressourcen des Meeres abhängig und muss diese so nutzen, dass das auch späteren Generationen noch möglich ist. Ein wichtiger Begriff ist hierbei „Blue economy“ (blaue Wirtschaft), der auch afrikanische Regierungen interessiert.
Der damalige Präsident der Seychellen, James Michel, 2015 mit Papst Franziskus in Rom. Stefano Spaziani/picture-alliance Der damalige Präsident der Seychellen, James Michel, 2015 mit Papst Franziskus in Rom.

Als die Welt 2008 mit der Finanzkrise rang, leitete der damalige Präsident der Seychellen James Michel weitreichende Strukturreformen ein, um die Inselgruppe wirtschaftlich neu aufzustellen. Sein Gedanke war, dass die Meere als Basis einer nachhaltigen Wirtschaft eine achtsame Umweltpolitik brauchen. Die Seychellen wurden schnell zum internationalen Vorreiter, der das Thema Meeresgesundheit auf die globale Agenda brachte.

Bei dem Begriff Blue economy geht es um Wachstum und ökologische Nachhaltigkeit. Die Menschheit braucht maritime Ressourcen. Also müssen diese so genutzt werden, dass sie auch langfristig verfügbar sind. Die Grundsätze der „blauen Wirtschaft“ betreffen viele Branchen – darunter Fischerei, Schifffahrt, Tourismus und Bergbau.

Blue economy ist eng mit Klimaschutz verbunden. Die globale Erwärmung führt zur Übersäuerung der Meere und Korallenbleiche. Zugleich sind die Ozeane „die größte Kohlenstoffsenke der Welt“, wie der ehemalige Staatschef der Seychellen betont. Er leitet inzwischen eine nach ihm benannte Denkfabrik, die James Michel-Stiftung. Diese fördert die Prinzipien der Blue economy.

Toxische Verschmutzung

Es muss viel geschehen. Durch Verschmutzung werden die Meere vergiftet; dabei sind Plastikmüll und Mikroplastik am schlimmsten (siehe Sabine Balk im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2021/03). Auch Schiffsunfälle, bei denen Ölteppiche entstehen, sind gravierend. Mitte 2020 etwa rammte das japanische Frachtschiff Wakashio ein Korallenriff vor Mauritius. Das auslaufende Öl zerstörte die Meeresfauna rund um den Blue Bay Marine Park.

Für ökologisch gesunde Meere braucht es stärkere Regulierung, die konsequent überwacht und strikt durchgesetzt wird. Die James Michel-Stiftung und andere Expertenorganisationen verweisen darauf, dass die Meere durch Überfischung, illegalen Sandabbau und umweltschädlichen Bergbau geplündert werden. „Das Meer wurde eher missbraucht als genutzt“, sagt Michel. Seiner Meinung nach hat die Menschheit der Nutzung des Landes mehr Aufmerksamkeit gewidmet als der Nutzung der Meere. „Das Meer ist erheblich größer und weitgehend unerforscht“, sagt er.

Schutzgebiete sind enorm wichtig. Die Partnership for the Interdisciplinary Studies of Coastal Oceans (PISCO), die von Wissenschaftlern von Universitäten an der Westküste der USA geleitet wird, hat Studien über 150 Meeresschutzgebiete in aller Welt durchgeführt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Biodiversität dort, wo es vollen Schutz gab, um 21 Prozent anstieg. Biomasse nahm sogar um 446 Prozent zu. Leider hat die internationale Gemeinschaft nicht so viele Schutzgebiete geschaffen wie multilateral vereinbart (siehe Kasten).

Die Staaten müssen ihren Pflichten nachkommen, und das nicht nur im Hinblick auf den Naturschutz. Die Blue economy ist für die gesamte Menschheit lebenswichtig – ein Scheitern kommt nicht in Frage. International engagieren sich zivilgesellschaftliche Organisationen. Tom Dillon von den US-Pew Charitable Trusts sagt: „Durch unseren gemeinsamen Einsatz schaffen wir gesunde Meere, die dem Klimawandel besser widerstehen und Natur und Mensch Nutzen bringen.“ Pew gehört zur Blue Nature Alliance, die mit Partnern weltweit zusammenarbeitet.

Der wohl prominenteste Befürworter der Blue economy ist Papst Franziskus. Seine weithin anerkannte „Laudato si“ zum Umweltschutz besagt: „Das zunehmende Problem mit dem maritimen Müll und der Schutz der offenen Meere sind eine besondere Herausforderung.“ Der Papst rief zu einer „Vereinbarung über Governance-Systeme für das gesamte Spektrum sogenannter globaler Gemeingüter“ auf.

Einige afrikanische Regierungen folgen dem Beispiel der Seychellen. 2018 veranstaltete Kenia einen globalen Gipfel für eine nachhaltige blaue Wirtschaft. Kurz darauf startete die Afrikanische Union ihre African-Blue-Economy-Strategie. Sie errechnete, dass bis 2030 die vom Meer abhängigen Wirtschaftszweige in Afrika Einnahmen von über 405 Milliarden Dollar erwirtschaften und etwa 57 Millionen Menschen beschäftigen werden. Bis 2063 soll die Wertschöpfung auf 576 Milliarden Dollar steigen, und es soll 78 Millionen Jobs geben.

Allein wirtschaftlich sind die Herausforderungen enorm. Laut der UN Konferenz für Handel und Entwicklung (UN Conference on Trade and Development – UNCTAD), werden mehr als vier Fünftel des Welthandelsvolumens auf dem Seeweg befördert, aber unter den 35 größten Schiffseigner-Nationen ist kein afrikanisches Land. Gerade mal vier Prozent des weltweiten Containerhandels finden an afrikanischen Häfen statt. UNCTAD warnt, weder die Schifffahrt des Kontinents noch seine Häfen entsprächen verlässlichen „globalen Trends und Standards“.

Auch die afrikanische Tourismuswirtschaft hinkt hinterher. 2019, im letzten Jahr bevor der Sektor durch die Corona-Pandemie massiv beeinträchtigt wurde, waren weltweit 1,5 Milliarden Touristen grenzübergreifend unterwegs. Wie von der Weltorganisation für Tourismus erhobene Daten zeigen, kamen nur fünf Prozent von diesen nach Afrika. Strände sind wichtige Anziehungspunkte – aber dieser Bereich ist in Afrika völlig unterentwickelt.

Zudem ist Überfischung ein Problem. Es dezimiert nicht nur die Artenvielfalt einzelner Spezies, sondern die Fülle des Meereslebens allgemein. Große Fischerboote reicher Länder erschöpfen – bisweilen illegal – in industriellem Maßstab Bestände, von denen kleine afrikanische Fischer-Gemeinschaften abhängen. Weiteren Schaden verursachen Ölbohrungen und Bergbau (siehe Nnimmo Bassey im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2017/04).

Afrikanische Regierungen haben die große Aufgabe, alle betroffenen Branchen so zu entwickeln, dass der Wohlstand wächst, aber die Meere und das Leben, das sie beinhalten, nicht weiter geschädigt werden. Afrika hat Wachstum und Entwicklung verdient. Die Menschen sind vergleichsweise arm, die Bevölkerung wächst und ihre Ökonomien haben wenig zu den globalen Umweltschäden beigetragen.

Jüngst startete die James Michel-Stiftung die Big-Blue-Wall-Initiative, um zehn Nationen im westlichen Indischen Ozean zu gemeinsamer Aktion zu bewegen. Die International Union for Conservation and Nature (IUCN) befürwortete die Initiative im September 2021 auf ihrem Weltgipfel in Marseille. Die Zielsetzung ist:

  • eine regenerative Blue economy zu schaffen, von der 70 Millionen Menschen in der Region profitieren und
  • Biodiversität entlang der Küsten und im Meer zu schützen und wiederherzustellen.

„Blaue Wirtschaft“ ist mehr als ein originelles Schlagwort für Konferenzen und hochkarätige Berichte. „Sie wird sich weiterentwickeln“, sagt Ex-Präsident Michel. „Dafür werden wir sorgen. Es ist eine Verpflichtung von uns allen. Die Meere sind unsere Zukunft.“


Wanjohi Kabukuru ist ein kenianischer Journalist, der sich auf Umweltfragen spezialisiert hat.
wkabukuru@gmail.com
@WanjohiK

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Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.