Harmloser Abfall
Salblätter sind eine traditionelle südasiatische Alternative zu Plastik
Plastikwaren, die nach einmaliger oder kurzer Verwendung weggeworfen werden, sind nicht biologisch abbaubar. Sie belasten die Umwelt langfristig. Oft werden sie einfach in die Natur geworfen. Aber auch wenn sie auf Halden oder in Verbrennungsanlagen landen, gibt es Probleme, weil Mikroplastik Wasser, Luft und Böden belastet. Recycling ist kaum möglich, weil es sehr viele verschiedene Kunststoffarten gibt und die Qualität sinkt, wenn diese vermischt werden.
Plastikmüll verschärft zudem die globale Ungerechtigkeit. Benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen in Entwicklungsländern leiden laut UN-Umweltprogramm (UNEP – UN Environment Programme) besonders unter den Folgen.
Weltweit wächst das Bewusstsein für das Thema. Tatsächlich sind Plastiktüten heute vielerorts verboten. Dennoch schätzt die gemeinnützige australische Minderoo Foundation, 139 Millionen Tonnen an Wegwerfplastikprodukten seien 2021 weltweit angefallen – 6 Millionen mehr als 2019.
Manche Plastikutensilien wie medizinische Handschuhe sind schwer ersetzbar. Sie machen aber nur einen winzigen Bruchteil des Plastikmülls aus. Es ist dringend nötig, andere Plastikwaren schnell mit kompostierbaren Alternativen zu ersetzen. Optionen sind weltweit zu finden.
Südasiatische Tradition
Infrage kommen beispielsweise die Blätter des Salbaums (shorea robusta), der in Indien, Bangladesch, Nepal, Bhutan und Tibet beheimatet ist. Seine Blätter spielen in südasiatischen Kulturen und religiösen Traditionen eine Rolle. Bevor der schwedische Erfinder Ster Gustaf Thulin die Plastiktüte entwickelte, dienten sie beispielsweise dazu, Lebensmittel wie rohes Fleisch oder Fisch einzupacken. Im ländlichen Raum ist das immer noch üblich.
Auch die traditionelle Medizin verwendet die Pflanze. Borke und Blätter dienen zur Behandlung von Magengeschwüren, Lepra, Husten und Durchfall.
Die Blätter können aber auch zu Tellern oder Schüsseln vernäht werden. Solches Geschirr ist in Südasien weit verbreitet und hat geholfen, das Anwachsen des Plastikmülls zu bremsen. Imbisse, Kioske und Restaurants verkaufen Mahlzeiten auf solchen Tellern. Indien exportiert biologisch abbaubares Einmalgeschirr aus Salblättern. Es wird in manchen Ländern sogar von Amazon vertrieben.
Andere Gegenstände können ebenfalls aus Salblättern gemacht werden und sind bedenkenlos wegwerfbar. Dieser Müll ist harmlos. Geschirr kann sogar an Ziegen oder Kühe verfüttert werden.
Wachstumsperspektiven
Einschlägige Erwerbstätigkeit spielt im Leben armer Menschen eine wichtige Rolle. In den indischen Bundesstaaten Westbengalen, Jharkhand und Chhattisgarh verdienen marginalisierte Adivasi-Gemeinschaften Geld mit dem Sammeln der Blätter, mit ihrer Verarbeitung und mit der Vermarktung der Produkte. Manchen dieser indigenen Gruppen gilt die Pflanze sogar als heilig.
Früher wurde das Geschirr von Hand genäht, heute werden Maschinen eingesetzt. Die Produktion findet auch nicht mehr nur in informellen Kleinstbetrieben statt, denn mittlerweile entstehen richtige Fabriken, und staatliche Institutionen setzen sich in Indien für die Verwendung der ökologisch sinnvollen Alternativgüter ein.
Es gibt noch ungenutzte Wachstumschancen. Forschung und Entwicklung könnten zu höherwertigen Produkten führen, wie etwa mikrowellenfähigem Geschirr. Andererseits wäre es auch sinnvoll, solches Geschirr in Krankenhäusern oder Hotels einzusetzen, weil das Spülen von herkömmlichen Tellern und Gläsern viel Wasser und Energie erfordert. Hygienisch wäre das kein Problem. Allerdings ist dafür weiterer Bewusstseinswandel nötig. Schicke Restaurants nutzen Salprodukte praktisch nicht, weil sie der Kundschaft spartanisch und unkultiviert erscheinen.
Modernisierung muss Traditionen nicht ersetzen. Es ist ebenso wichtig, das volle Potenzial von Traditionen zu nutzen. Die Praktiken indigener Gemeinschaften sind bekanntlich umweltfreundlich – und verdienen daher besondere Aufmerksamkeit.
Suparna Banerjee ist Politikwissenschaftlerin und lebt in Frankfurt.
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