Kommentar

Macht voran

Die Unterscheidung von Gebern und Empfängern im internationalen Entwicklungsdiskurs ist überholt, meint ein indischer Experte. Im Mittelpunkt muss seiner Meinung nach stehen, was in den Ländern, die Entwicklungshilfe bekommen, geschieht, und was das Schicksal der Menschen dort verbessern kann.


Von Sachin Chaturvedi

Vor dem multilateralen High Level Forum on Aid Effectiveness (HLF4) in Busan Ende November mehren sich die Sorgen, ob es überhaupt etwas erreichen kann. In der Tat bleibt der Forschritt seit der Paris Declaration on Aid Effectiveness (PD), die das HLF2 2005 beschloss, minimal.

Das Mandat der Ad-hoc Working Party on Aid Effectiveness, die bei der OECD, dem Klub der reichsten Nationen, angesiedelt ist, läuft aus. Wenn Busan kein neues Mandat formuliert, wird HLF4 der letzte Gipfel dieser Reihe sein. Die internationale Gemeinschaft muss den Prozess neu starten oder ohne eine internationale Agenda mit dem Ziel besserer Entwicklungsergebnisse auskommen. Die Welt braucht keine rigiden Regeln für die Entwicklungshilfe, und die OECD muss einsehen, dass Indien und andere aufstrebende Mächte solche Regeln nicht akzeptieren werden. Es gibt keine Blaupause, die für alle passt.

Es ist auch relevant, dass die etablierten Geber ihre Versprechen nicht halten. Die PD hat fünf Prinzipien für wirkungsvolle Entwicklungshilfe definiert – und zwar:
– die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer („ownership“),
– die Nutzung ihrer Institutionen und Verfahren („alignment“),
– Geberharmonisierung,
– Ergebnisorientierung („managing for results“) und
– wechselseitige Verantwortung.
Das Development Assistance Committee der OECD hat die Einhaltung dieser Regeln untersucht. Die Geber haben demnach von 13 relevanten Indikatoren global nur einen erfüllt. Die Brookings Institution, ein Thinktank in Washington, spricht von einem „düsteren Ergebnis“ und zwar „selbst nach den Standards der internationalen Entwicklungspolitik, in der regelmäßig Versprechen abgegeben, aber selten gehalten werden“.

Der Ansatz muss aber auch aus anderen Gründen modifiziert werden. Die Betonung der Wirksamkeit der Entwicklungshilfe – anstatt der wirksamen Entwicklung – widerspricht dem Ownership-Prinzip. Entwicklungshilfe zahlen die Geber, wohingegen die PD und die Accra Agenda for Action, die das HLF3 beschloss, zu Recht die Empfängerländer an die erste Stelle setzen.

In letzter Zeit wurden die Unterschiede zwischen – aber auch die Gemeinsamkeiten von – Süd-Süd- und Nord-Süd-­Kooperation lebhaft diskutiert. Wie Harald Leibrecht richtig in E+Z/D+C (2011/6, S.253 f.) schrieb, sind sowohl Süd-Süd-Kooperationen als auch Dreieckskooperationen (mit Geber-, Schwellen- und
Entwicklungsländern) sinnvoll. Die Daten, die das Task Team on South-South Cooperation (TT-SSC) im Auftrag der G20 gesammelt hat, zeigen, dass der globale Süden generell einige PD-Prinzipien befolgt.

Dieser Trend bedeutet aber auch, dass die Unterscheidung zwischen „Gebern“ (den reichen Ländern) und „Partnern“ (den Schwellen- und Entwicklungsländern) überholt ist. Wir müssen uns auf die Länder konzentrieren, die Entwicklungshilfe bekommen, und prüfen, was genau dort passiert. Was kann und muss geschehen, um die Ergebnisse für die am wenigsten entwickelten Länder und die Menschen dort zu optimieren? Was führt zu Erfolg? Darauf kommt es an.

Länder, die nicht zur OECD gehören, führen längst erfolgreiche Entwicklungsprogramme durch. Empirisiche Belege zeigen, dass sie das, was sie tun, fortsetzen sollen. Südkorea, der HLF4-Gastgeber, der erst vor kurzem der OECD beigetreten ist, verdient Lob dafür, die Themen vorangebracht zu haben, auf die die Schwellenländer Wert legen: die Entwicklung von Unternehmertum und produktivem Sektor.

Deutschland und die Niederlande zeigen Interesse an den TT-SSC-Ergebnissen, während einige andere Geber festgefahren scheinen. Die OECD muss aber flexibel agieren und sich auf neue Ansätze wie Süd-Süd- und Dreieckskooperationen einlassen. Das ist die richtige Basis, um zu erörtern, welche Folgen Entwicklungszusammenarbeit hat, und um ein Verständnis von Entwicklungswirksamkeit zu gewinnen, das Privatsektor und Zivilgesellschaft einbezieht und wechselseitige Nutzen im Blick behält.