Korruptionsbekämpfung
Grenzen der Transparenz
Die Idee klingt plausibel: Länder, auf deren Territorium Bergbau betrieben wird, teilen der Öffentlichkeit mit, was sie an Lizenzgebühren verlangen. Die Unternehmen ihrerseits veröffentlichen, was sie an die jeweiligen Staaten zahlen. Diese Transparenz soll verhindern, dass Geld in dunkle Kanäle fließt, anstatt den Bürgern zugute zukommen. Dieses Ziel hat sich die Transparenzinitiative für den Rohstoffsektor (EITI) gesteckt.
Bisher ist sie damit auch ziemlich erfolgreich: 32 rohstoffreiche Länder streben eine Mitgliedschaft an, 17 Länder unterstützen die Initiative politisch und finanziell, weitere Staaten haben ihr Interesse bekundet. Die Weltbank und andere internationale Organisationen unterstützen
EITI. Die hohe internationale Anerkennung und die Aussicht auf Investoren haben viele Länder veranlasst, sich der Initiative formal anzuschließen.
Von der Idee zur Praxis ist es aber ein weiter Weg. Seit ihrem Entstehen im Jahr 2002 hat die Transparenzinitiative ihre Regeln daher ständig weiterentwickelt. Im Februar 2008 legte der internationale Vorstand fest, dass Anwärter auf eine vollwertige Mitgliedschaft die Kriterien innerhalb von zwei Jahren erfüllen müssen.
Wichtigste Aufgabe der Regierungen ist dabei, Vertreter der Rohstoffunternehmen, der Regierung und zivilgesellschaftlicher Organisationen an einen Tisch zu bringen. Sie müssen ein Gremium bilden, das den nationalen Prozess überwacht. Die Regierung muss sich verpflichten, in regelmäßigen Abständen ihre Einnahmen offen zu legen und regelmäßige Berichte von den Unternehmen einzufordern. Wenn das gemeinsame Gremium die Strukturen etabliert sieht, kann es einen Gutachter bestellen, der die Fortschritte des Landes unter die Lupe nimmt. Auf Grundlage des Gutachtens entscheidet der EITI-Vorstand darüber, ob ein Land aufgenommen wird.
Für die ersten 22 Länder ist die Frist Anfang März abgelaufen. Das heißt: Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte EITI nun 22 vollwertige Mitglieder. Tatsächlich haben aber nur zwei die hohen Standards rechtzeitig erfüllt: Liberia und Aserbaidschan. Guinea ist bereits freiwillig aus der Initiative ausgeschieden. Liberia sei vor allem erfolgreich gewesen, weil die Regierung sich dafür eingesetzt habe, sagt Tim Bittiger. Er ist EITI-Ansprechpartner in Deutschland. „Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf hat früh erkannt, dass EITI ein gutes Mittel gegen den Ressourcenfluch ist”, sagt Bittiger. Von 1989 bis 2003 herrschte in Liberia ein Bürgerkrieg, der größtenteils über den illegalen Handel mit Diamanten finanziert wurde. Auch Aserbaidschan bemüht sich schon lange um solide Berichterstattung.
Sobald Länder EITI beitreten, müssen sie jedes Jahr einen Finanzbericht über den Rohstoffsektor vorlegen. Daran hapert es aber oft. Sierra Leone und Jemen beispielsweise hätten keinerlei Anstrengungen gezeigt, sagt Heidi Feldt. Sie beschäftigt sich seit etwa 20 Jahren mit dem Thema Rohstoffindustrien und ist deutsche Ansprechpartnerin der Initiative Publish What You Pay, die eng mit EITI zusammenarbeitet. Es gibt diverse Gründe dafür, dass so viele Länder im Verzug sind. Nigerias Präsident Umaru Yar’Adua etwa habe die Initiative befürwortet, so Feldt. Durch das Regierungschaos der vergangenen Monate aufgrund von Yar’Aduas Krankheit und der inneren Unruhen seien die Transparenzberichte und der Bewerbungsprozess bei EITI ins Hintertreffen geraten.
Peru hingegen hat sich stark um die Offenlegung der Zahlungen aus dem Rohstoffsektor bemüht. Zwar veröffentlicht das Finanzministerium seit einigen Jahren Zahlen, weiß Feldt. Trotzdem ginge der EITI Prozess nur sehr schleppend voran. Einige Länder hätten die Frist auch verstreichen lassen, weil der politische Wille gefehlt habe, meint Axel Müller. Er beobachtet im Auftrag von Misereor die Rohstoffförderung im Golf von Guinea. Feldt sagt, andere Länder, etwa Kamerun, hätten das Aufnahmegutachten noch vor März eingereicht und warteten jetzt auf Rückmeldung. Manche hätten sich nicht auf einen Gutachter einigen können.
Weil so viele die Frist haben verstreichen lassen oder erst kurz vor Schluss ihr Gutachten einreichten, bekommen die Entscheidungen über Fristverlängerungen eine politische Dimension. Verlängerungen lassen die Regularien nur unter außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen zu. Ein Großteil der Länder, die den Aufnahmeprozess nicht fristgerecht abgeschlossen haben, müsste also nun von der Initiative ausgeschlossen werden – denn die Frist war allen seit zwei Jahren bekannt.
Daher steht die Transparenzinitiative jetzt an einem Wendepunkt. Schließt sie alle Länder aus, verliert sie an Einfluss. Weicht sie die Kriterien auf, setzt sie möglicherweise ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, die gerade auf ihren klaren Regeln beruht.
Zum anderen gilt es, eine Richtungsentscheidung zu treffen: Müssen alle Kriterien voll erfüllt sein oder werden auch kleine Verbesserungen anerkannt? Internationale NRO-Vertreter verfechten tendenziell die hohen Standards, während Vertreter lokaler Organisationen sich auch über kleine Verbesserungen freuen. „Wenig Transparenz ist besser als keine”, sagt etwa Honoré Ndoumbe. Er arbeitet bei der kamerunischen NRO Focarfe und sitzt im nationalen EITI-Komitee. Dank der Initiative gebe es inzwischen überhaupt mehr Informationen zu Förderaktivitäten. Zudem seien das Ansehen und die Zahl nichtstaatlicher Organisationen gestiegen. „Wir haben dadurch jetzt ein höheres Niveau an Demokratie”, sagt Ndoumbe.
Für Heidi Feldt aber zeigt die aktuelle Situation auch die Grenze der freiwilligen Verpflichtungen. Sie befürchtet, dass sich irgendwann wenige Länder als Mitglieder etablieren werden und die anderen einfach außen vor bleiben. Als wichtige Errungenschaft der Initiative erkennen aber alle Experten an, dass in manchen Ländern jetzt überhaupt Zahlen veröffentlicht werden.
EITI hat angekündigt, Mitte April Entscheidungen bekannt zu geben. Axel Müller geht davon aus, dass Fristen verlängert werden. Wie die Entscheidungen über die einzelnen Bewerbungen auf Vollmitgliedschaft ausfallen, ist hingegen eine ganz andere Frage. Länder, die trotz Anstrengungen die Aufnahmekriterien noch nicht ganz erfüllen, werden wohl eine Verlängerung bekommen. Diejenigen aber, die in den zwei Jahren ihrer Kandidatur kein Interesse am Prozess gezeigt haben, werden vermutlich von der Kandidatenliste gestrichen – allerdings haben sie die Option, den Prozess dann von vorne zu beginnen. Dabei hat der Vorstand auch einen Ermessensspielraum.
Claudia Isabel Rittel