Meinungsfreiheit
Demokratie und Freiheit laut Facebook-Investor unvereinbar
Geschrieben haben es Richard Waters and Lauren Fedor (Paywall: https://www.ft.com/content/d2259cd1-704d-4cd4-814d-994c4e754695). Ihnen zufolge ist Thiel intellektuell faszinierend und vermutlich gar nicht der gefährliche rechtslastige Strippenzieher, für den ihn seine Kritiker halten. Ihre Analyse leidet aber darunter, dass sie auf wichtige Kritikpunkte gar nicht eingehen.
Sie unterschlagen beispielsweise ein prominentes Zitat. „Ich glaube nicht mehr, dass Demokratie und Freiheit vereinbar sind“, bekundete Thiel schon 2009. Sein Aufsatz konstatierte, Mehrheiten neigten dazu, die Freiheit superreicher Menschen zu beschränken. Er bezog das auf Investoren, die neue Techniken entwickeln und anwenden.
Grundsätzlich dürfen in einem journalistischen Portrait anonyme Quellen vorkommen. Hier sind es aber zu viele und ihre Äußerungen bleiben zu vage. Ein „Thiel-Verbündeter“ meint beispielsweise, wer von Thiel ein konsistentes Weltbild erwarte, verstehe ihn nicht.
Riesige Widersprüche
Es ist aber doch klar, weshalb Rechtspopulisten ideologische Konsistenz vermeiden. Das hilft, Doppelmoral zu verschleiern. Kein stimmiges Programm hilft Menschen, die selbst Wein trinken, aber anderen Wasser predigen.
Thiels weltanschauliche Widersprüche sind offenbar riesig. Im Namen der Freiheit fordert er einen möglichst schwachen Staat, aber sein Unternehmen Palantir verdient viel Geld mit Dienstleistungen für intransparente Geheimdienste. Er wirft Google wettbewerbswidriges Verhalten vor, was dreist ist, weil auf Facebook ähnliche Kritik zutrifft – und an Facebook ist Thiel als Großinvestor beteiligt. Er gibt sich als gläubiger Christ, hat aber den Lügner und Ehebrecher Donald Trump öffentlich unterstützt. Normalerweise halten erfolgreiche Investoren nicht viel von Geschäftsleuten mit so vielen Pleiten und Unternehmensskandalen wie Trump.
Aktuell unterstützt Thiel den Wahlkampf von zwei rechten Senatskandidaten in den USA mit je 10 Millionen Dollar. In Ohio ist das J. D. Vance, der sich vom nachdenklichen Intellektuellen zum aggressiven Agitator gewandelt hat. Vance tut so, als kämpfe er für das Volk gegen Eliten – und braucht dafür die Großspende eines Milliardärs, dessen Hauptanliegen der Schutz Superreicher vor staatlicher Regulierung ist. Unter Republikaner in den USA ist so etwas allerdings nicht ungewöhnlich (siehe Michael Steffen und Hans Dembowski auf www.dandc.eu).
Sicherheitsnetz für Sebastian Kurz
Es passt ins Bild, dass Thiel Österreichs skandalgeplagten Ex-Kanzler Sebastian Kurz als Konzernberater eingestellt hat. Kurz musste wegen Korruptionsermittlungen von allen politischen Ämtern zurücktreten. Unklar ist, was Thiel sich von Kurz erhofft. Möglicherweise signalisiert er nur anderen Personen in Spitzenpositionen, sie sollten moralische Standards und Verfassungsnormen nicht allzu ernst nehmen – er sei für jene da, die in seinem Sinne agieren.
Bezeichnenderweise ist Thiel nicht dafür bekannt, sich im Aufsichtsrat von Facebook (jetzt „Meta“) für faktenbasierten, rationalen Diskurs in sozialen Medien eingesetzt zu haben. Es hat ihn wohl nicht gestört, dass Algorithmen Lügen und Verschwörungstheorien beschleunigen. Wenn Tech-Investoren das Sagen haben, nutzen sie nun mal die Freiheit, Einfluss darauf zu nehmen, wer sich mit wem austauscht – und worüber. Das ist ziemlich wenig für jemand, der stolz auf sein Philosophiestudium ist und laut FT gern „konventionelles Denken“ infrage stellt. Dem FT-Paar reicht das aber, und es teilt uns zugleich mit, das Interesse „an Ideen“ unterscheide Thiel von anderen politisch interessierten Großspendern.
Thiel ist jüngst aus dem Meta-Aufsichtsrat ausgeschieden, weil er noch stärker in der Politik mitmischen will und das den Konzern nicht belasten soll. Das klingt wie eine Drohung. Weltweit und besonders in den USA brauchen wir mehr Demokratie, nicht größere Freiheiten für Superreiche (siehe Katie Cashman und Hans Dembowski auf www.dandc.eu).
Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu