Kommentar
Die Armee darf nicht zu viel tun
[ Von Mohammad Ali Khan ]
Die pakistanische Armee verfolgt im Nordwesten des Landes, wo Stammesgebiete an Afghanistan grenzen und Soldaten Krieg gegen Verbündete von Taliban und al-Qaida führen, eine Vier-Stufen-Strategie: Erobern, Behaupten, Wiederaufbau und Übergabe an die zivile Verwaltung („clear, hold, build, transfer“). Es geht darum, sich in militärischen Operationen durchzusetzen, staatliche Strukturen zu etablieren, zerstörte Infrastruktur wiederherzustellen und die Verantwortung an die Zivilregierung zu übertragen.
Einige Gebiete Südwaziristans und des Swat-Tals hat die Armee bereits von Rebellen geräumt und ist dort zum Wiederaufbau übergegangen. General Ashfaq Pervez Kayani, Chef des Heerstabs, hat im Februar zwei wichtige Straßenprojekte in Südwaziristan gestartet. Beide wurden von der Frontier Works Organisation (FWO), einem Militärbetrieb, gebaut. Die Region war bis zur Operation Rah-e-Nijat (Weg der Erlösung) eine Rebellenhochburg. Die US-Regierung stellte die Mittel für den Straßenbau im Rahmen einer 55 Millionen Dollar teuren Initiative zur Verfügung, die auf schnelle Wirkung angelegt ist. Deutlich sichtbare Projekte sollen rasch verwirklicht werden, um die Unterstützung der Menschen im Kampf gegen den Terrorismus zu gewinnen.
Das Militär ist auch in andere Wiederaufbauvorhaben wie Schul- und Brückenbauten sowie Programme für das gesellschaftliche Wohl im Swat-Tal eingebunden. Offiziellen Schätzungen zufolge hat die Armee bis Juli dieses Jahres etwa 20 Millionen Euro investiert. Einen Teil des Geldes steuerte Pakistans zivile Regierung bei.
Aktuell steckt die Armee in der dritten Phase ihrer Vier-Stufen-Strategie. Mittlerweile werden Bedenken über ihre Rolle geäußert. Eigentlich sind Bau und Wartung öffentlicher Infrastruktur zivile Aufgaben; und gerade in den besonders stark umkämpften Regionen muss sich die Zivilregierung bemühen, das Vertrauen der Leute zurückzugewinnen. Seit jeher leidet das Land unter schlechter Verwaltung. Einige meinen sogar, das Militär sei die einzige wirklich kompetente Regierungsinstitution im Land.
Khalid Aziz ist Entwicklungsexperte und ehemaliger Bürokrat. Er sagt, die Armee habe in verschiedenen Gebieten einen guten Job gemacht, indem sie „Schulen, Brücken oder andere Infrastrukturen“ errichtete. „Darüber hinaus sollte sie aber keine langfristige Rolle im Wiederaufbau übernehmen“, warnt Aziz, denn sonst werde die Zivilregierung weiter geschwächt.
Mehmood Shah, Verteidigungsberater und ehemaliger Soldat, argumentiert ähnlich. Wo der Staat praktisch nicht mehr präsent sei, sei der Wiederaufbau durch das Militär notwendig. Die zivilen Regierungsbehörden müssten dann aber so schnell wie möglich die Verantwortung übernehmen.
Regierungsvertreter sagen dagegen, ihnen sei Sicherheit ein Kernanliegen. Militärpräsenz sei nötig, um sicher in umkämpften Gebieten zu operieren. Zudem dürften zivile Auftragnehmer nicht mit Sprengstoffen arbeiten, was im Straßenbau nötig sei. Insgesamt sind die Kapazitäten ziviler Behörden und privater Auftragnehmer recht schwach. Meist fordern sie zudem für dieselben Aufgaben mehr Geld als die Armee. Aus diesen Gründen ist die Regierung nur allzu bereit, die Armee die Arbeit machen zu lassen.
Der Haken daran ist, dass die Fähigkeiten der zivilen Behörden nicht besser werden können, solange das Militär die Aufgaben erfüllt. Im Moment sieht es so aus, als werde die Armee weitere Aufträge über hunderte Millionen Dollar bekommen. Dann wird das Militär erst recht als letzte kompetente Institution des pakistanischen Staats erscheinen – zu Lasten der Zivilregierung. Pakistans aktuelle Flutkatastrophe ist ein eklatantes Beispiel dafür, wie wenig Vertrauen die Leute noch in zivile Institutionen haben. Das verheißt nichts Gutes für die Zukunft.