Kommentar
Destruktive Dynamik des Drogenschwarzmarkts
[ Von Hans Dembowski ]
Bislang wertet die Öffentlichkeit vor allem Afghanistan und Kolumbien als Drogenstaaten. Kriminelle Warlords und Milizen, so scheint es, profitieren von illegalen Ernten, und Ordnungskräfte sollten endlich etwas dagegen tun.
Wäre es doch nur so einfach! Leider wird oft übersehen, dass der Drogenhandel auch die Nachbarländer und ganze Transitregionen destabilisiert. Berichte über verwandte Gewaltverbrechen häufen sich in Mexiko und der Karibik, selbst in Westafrika wachsen die Probleme. Auch in Zentralasien, Pakistan und dem Iran gelten Heroinhandel und -sucht als weit verbreitet. Zu den Nebeneffekten zählen HIV/AIDS, geschwächte Staatswesen und großes menschliches Leid.
Es geht nicht um örtliche Probleme, sondern um ein globales. Manche nennen den internationalen Drogenhandel schon die düsterste Schattenseite der Globalisierung. Dieser weltweite Wirtschaftszweig gedeiht nicht zuletzt auf Grund der Konsumnachfrage in reichen Ländern. Das Geschäft ist illegal, aber hochprofitabel. Viele, die mitmachen, haben keine andere Einkommensmöglichkeit – und ganz bestimmt keine, die nur annähernd so lukrativ wäre.
Dass Rauschgift illegal ist, löst das Problem nicht. Im Gegenteil. Nirgends sind die Gewinnspannen höher als auf intransparenten, öffentlich per Definition nicht kontrollierten Schwarzmärkten. Die Geschäftemacher wollen ihre Kunden abhängig machen, so sichern sie die Nachfrage. Deshalb setzen Drogenkartelle gern auf besonders gefährliche Rauschmittel. Gehandelte Substanzen werden so manipuliert, dass die Produktion billiger, aber der Konsum noch gefährlicher wird. Geld für Handlanger und Waffen bringen sie allemal auf, um sich selbst zu schützen. Verarmte Junkies beschaffen sich indessen das Geld für ihre Sucht mit Diebstahl, Einbruch und anderen Delikten, und wer sich prostituiert, setzt sich und andere der Gefahr sexuell übertragbarer Krankheiten aus.
Die ökonomische Dynamik ist klar. Deshalb fordern konservative Wirtschaftsblätter wie das Wall Street Journal oder der Economist gelegentlich liberalere staatliche Strategien. Doch damit tut sich die Politik schwer. Mit gutem Grund sind Rauschmittel öffentlich verpönt. Politiker, die sich für Legalisierung einsetzten, gerieten schnell in den Ruf der Skrupellosigkeit. Folglich bewegt sich in den Parlamenten nur wenig, obwohl die Lage ernst ist.
In den Vereinigten Staaten führen die Behörden seit Jahrzehnten einen „Krieg gegen Drogen“. Doch trotz kompromissloser „Zero Tolerance“ ist er offensichtlich noch längst nicht gewonnen. In Europa setzen viele Staaten auf stillschweigende Entkriminalisierung. In Deutschland etwa werden die kleinen Fische der Drogenszene weitgehend in Ruhe gelassen, weil Stadtverwaltungen, Polizei und Gerichte die destruktiven Nebeneffekte des Schwarzmarkts nicht auf die Spitze treiben wollen. Folglich tritt das Drogenproblem in den Stadtzentren kaum noch zu Tage.
Doch dabei bleibt außer Acht, dass die globale Dimension des Problems alles andere als gelöst ist. Es käme darauf an, dass Afghanistan und Kolumbien Frieden finden. Und dass Transitländer nicht tiefer in die Teufelskreise hineingezogen werden. Doch genau das geschieht. Und eben davor warnt auch der jüngste Weltbericht von UNODC, dem UN Office on Drugs and Crime, der ansonsten anmerkt, dass sich die Verbrauchsdaten in der reichen Welt – mit der Ausnahme von Kokain in Europa – stabilisiert hätten und allmählich zurückgingen.
Regierungen werden die nötigen Reformen kaum angehen, solange es dafür keinen öffentlichen Druck gibt. Deshalb sollten sich die großen zivilgesellschaftlichen Organisationen endlich dieses Thema zu eigen machen. Es ist doch gar nicht nötig, Heroin oder Kokain zu legalisieren und den Verkauf im Supermarkt zuzulassen. Aber Süchtige sollten Rauschmittel auf ärztliches Rezept bekommen. Das würde sicherlich die Heroinnachfrage auf dem Schwarzmarkt drosseln, der zu rund 90 Prozent mit Rohstoffen aus Afghanistan versorgt wird.