Entwicklung und
Zusammenarbeit

Elasticsearch Mini

Elasticsearch Mini

Gesundheit

Wie man Superkeime unter Kontrolle bringt

Immer mehr Krankheitsstämme entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika. Zur Bekämpfung dieses globalen Problems ist internationales Handeln nötig.
Tuberkulose-Patient in Kalkutta 2009. Sengupta/Lineair Tuberkulose-Patient in Kalkutta 2009.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ernannte 2019 multiresistente Keime zu einer der zehn größten Bedrohungen für die globale Gesundheit. Es gibt immer mehr Infektionen, die wegen Antibiotika-Resistenzen kaum mehr behandelbar sind. Am schlimmsten trifft das Entwicklungsländer.

Antimikrobielle Resistenz beschränkt sich nicht auf bestimmte Erreger oder Krankheiten. Das macht es für politische Entscheidungsträger und Öffentlichkeit schwer, die Dringlichkeit zu begreifen und entsprechend zu handeln. Resistente „Superkeime“ stehen auf der internationalen Agenda nicht an oberster Stelle. Leider wurde das Momentum 2016 nicht genutzt, als die UN-Generalversammlung eine Erklärung zu dem Thema verabschiedete wie auch schon 2015 nicht, als die Weltgesundheitsversammlung einen globalen Aktionsplan entwarf.

Dass häufig verwendete Antibiotika unwirksam werden, ist ein natürlicher Evolutionsprozess. Bakterien mutieren und werden gegen Wirkstoffe immun, die sie vorher noch abtöteten. Dieser Prozess wird dadurch beschleunigt, dass antimikrobielle Substanzen in Gesundheitswesen, Tierhaltung und Landwirtschaft zu häufig und missbräuchlich eingesetzt werden.

Es gibt viele Gründe für den unsachgemäßen Gebrauch von Antibiotika, so etwa aggressive Werbung von Pharmaunternehmen oder falsche Verschreibungsrichtlinien. In Entwicklungsländern werden die Folgen miserabler Wasser- und Sanitärinfrastruktur oft mit Antibiotika behandelt. Verschärft wird die Lage durch die enorme Abhängigkeit von antimikrobiellen Wirkstoffen in der Landwirtschaft, wo sogar Antibiotika eingesetzt werden, die humanmedizinisch wichtig oder gar das letzte wirksame Mittel sind.

Die internationale Gemeinschaft muss gegen diese Missstände in Gesundheitswesen und Landwirtschaft vorgehen. Natürlich werden Interessengruppen versuchen, weiter hohe Gewinne zu erzielen, aber eine nachhaltige Gesundheitsversorgung muss als globales öffentliches Gut zweifellos oberste Priorität haben.

Leider gibt es immer weniger Therapiemöglichkeiten für Erreger wie Gonorrhö, Malaria und Tuberkulose. Die Bekämpfung multiresistenter Erreger ist komplex und bedarf übergreifender Maßnahmen – für Entwicklungsländer allein ist das nicht machbar.

Natürlich müssen Entwicklungsländer ihre Gesundheitssysteme stärken, sauberes Wasser zugänglich machen, Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen verbessern – sich also ihren Entwicklungsherausforderungen stellen. Es braucht jedoch mehr, wie etwa pharmazeutische Forschung und Entwicklung. Es ist wichtig

  • neue Behandlungsmöglichkeiten verfügbar zu machen,
  • Diagnose- und Laborinfrastruktur zu verbessern und
  • die Verbreitung von multiresistenten Keimen zu überwachen.

Entwicklungsländer können sich Forschung und Entwicklung nicht leisten. Die Menschen dort sterben eher, weil es keine Standardantibiotika gibt oder diese unbezahlbar sind, als an Infektionen durch Superkeime. Armut beschleunigt die Verbreitung von Resistenzen, da selbstzahlende Patienten oft vorzeitig aufhören, Antibiotika einzunehmen. Kaum symptomfrei, geben sie kein Geld mehr für Medikamente oder Ärzte aus. Sie ahnen nicht, dass die Infektion noch nicht ausgeheilt ist und überlebende Bakterien zu medikamentenresistenten Stämmen mutieren können.

Ein Paradebeispiel ist Tuberkulose, die am häufigsten auftretende tödliche Infektion, deren Therapie wegen multiresistenter Stämme immer schwieriger wird. Es gibt neue Mittel (Bedaquilin und Delamanid). Sie sind jedoch für Patienten – und Regierungen – in Ländern mit hoher Krankheitslast nicht zugänglich.

Globale Maßnahmen müssen darauf zielen, Ressourcen, Instrumente und Finanzmittel zu mobilisieren. Es gilt, Entwicklungsländer in die Lage zu bringen, auf gesundheitliche Herausforderungen reagieren zu können. Tödliche Krankheiten kennen keine Landesgrenzen, Antibiotika-Resistenzen sind ein globales Problem. Um es zu lösen, ist internationale Zusammenarbeit gefragt. Wenn wir nicht grundlegende strukturelle Ursachen betrachten und international etwas verändern, gefährdet das den medizinischen Fortschritt – nicht nur in Entwicklungsländern.


Mirza Alas ist Wissenschaftlerin am South Centre, einer in Genf ansässigen Denkfabrik der Entwicklungsländer.
alas@southcentre.int