Entwicklung und
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Biodiversität

Eine Million Arten gefährdet

Der UN-Weltbiodiversitätsrat hat seinen ersten globalen Bericht zur Artenvielfalt vorgestellt: Die Bilanz ist erschreckend. Der Mensch zerstört die Natur so stark, dass er selbst gefährdet ist.
Totes Korallenriff nahe der Malediven im Indischen Ozean. Reinhard Dirscherl/Lineair Totes Korallenriff nahe der Malediven im Indischen Ozean.

Tier- und Pflanzenarten sterben in rasantem Tempo aus. Zu diesem Ergebnis kommt der Global Assessment Report, ein erster und sehr umfangreicher Bericht des Weltbiodiversitätsrats. Der Rat wurde 2012 auf UN-Ebene gegründet und hat 132 Mitgliedsstaaten. Das Gremium heißt offiziell IPBES: Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. Der Bericht analysiert, wie es um die UN-Konvention zur Biodiversität sowie um die Ziele, die 2010 im japanischen Aichi formuliert wurden, steht (siehe Günter Mitlacher in der Debatte des E+Z/D+C e-Papers 2019/01).

Für die weltweite Untersuchung haben 145 Experten und Forscher aus mehr als 50 Ländern mehrere tausend wissenschaftliche Studien zur Entwicklung der biologischen Vielfalt in den vergangenen fünf Jahrzehnten ausgewertet.

Die Beweise sind überwältigend. Von geschätzten 8 Millionen Tier- und Pflanzenarten ist dem Bericht zufolge etwa eine Million vom Aussterben bedroht. Ohne konsequente Gegenmaßnahmen könnten viele davon schon in den nächsten Jahrzehnten für immer von der Erde verschwunden sein.

In den meisten Lebensräumen auf dem Land sei die Artenvielfalt um etwa 20 Prozent geschrumpft. Mehr als 40 Prozent der Amphibienarten, fast 33 Prozent der riffbildenden Korallen und mehr als ein Drittel aller Meeressäugetiere seien derzeit vom Aussterben bedroht. Aber auch bei den Nutztieren sinkt die Zahl. Mehr als neun Prozent aller Nutztierarten waren 2016 bereits ausgestorben.

Die Autorinnen und Autoren benennen fünf Faktoren, die das Artensterben am meisten vorantreiben:

  • Die übermäßige Nutzung der Landflächen und Meere. Drei Viertel aller Landflächen und zwei Drittel der Ozeane seien durch den Menschen stark verändert.
  • Die direkte Nutzung von Pflanzen und Tieren in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fischerei.
  • Der Klimawandel: Erreicht die globale Temperaturerhöhung den Zwei-Grad-Celsius-Schwellenwert, werde das etwa fünf Prozent der Arten auslöschen; bei 4,3 Grad seien es 16 Prozent.
  • Die Umweltverschmutzung und besonders die Verschmutzung der Meere. Seit 1980 sei die Belastung durch Plastikmüll in den Ozeanen um das Zehnfache gestiegen.
  • Invasive Arten, die heimische Tiere und Pflanzen verdrängten. Die Zahl der gebietsfremden Arten sei weltweit um 70 Prozent gestiegen.

Hinzu kommen indirekte Faktoren, wie etwa Verhaltensweisen und das Produktions- und Konsumverhalten der Weltbevölkerung, die maßgeblich verantwortlich für die negative Entwicklung seien. Das Ausmaß der Übernutzung natürlicher Ressourcen sei schon jetzt so schwerwiegend, dass sich die Menschheit selbst bedrohe, heißt es in dem Report.

Die Analysen zeigen, dass Ökosysteme und Menschen in Südamerika, Afrika und im asiatisch-pazifischen Raum am meisten von den negativen Folgen des Artensterbens betroffen sein werden.

Die Frage ist, ob sich das Artensterben überhaupt noch aufhalten lässt. „Es ist noch nicht zu spät“, sagte der IPBES-Vorsitzende Sir Robert Watson bei der Vorstellung in Paris. Dazu brauche es aber „transformative“ Maßnahmen.

Die Verfasser der Studie beschreiben, wie noch gegengesteuert werden kann: Dafür sei die internationale Zusammenarbeit der Staaten gefragt sowie konsequentes politisches Handeln nach strengen Naturschutzvorgaben (siehe Stephan Opitz im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2019/02). So sollten etwa weltweit umweltfeindliche Subventionen abgeschafft werden.

Der Bericht liefert auch unverbindliche Handlungsempfehlungen für Regierungen, etwa in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Meeres- und Frischwassersysteme sowie Stadtplanung. Die Weltgemeinschaft müsse sich dringend vom wirtschaftlichen Wachstum als zentralem Ziel ab- und sich nachhaltigeren Systemen zuwenden.

Der ganze Bericht ist mehr als 1500 Seiten lang, und bislang ist nur eine Zusammenfassung veröffentlicht. Das vollständige Dokument wird später im Jahr herausgegeben. Er ist eine Grundlage unter anderem für die Weltartenschutzkonferenz 2020 in China, wo Eckpunkte für den künftigen Artenschutz festgelegt werden sollen.


Link
IPBES, 2019: Die umfassendste Beschreibung des Zustands unserer Ökosysteme und ihrer Artenvielfalt seit 2005 – Chancen für die Zukunft. Auszüge aus dem „Summary for policymakers“:
https://www.helmholtz.de/fileadmin/user_upload/IPBES-Factsheet.pdf