Human Development Report 2014

Fortschritt für alle

Verwundbarkeit reduzieren und menschliche Entwicklung fördern gehen Hand in Hand, betont der Bericht über die menschliche Entwicklung (Human Development Report – HDR) 2014. Er fordert für alle Menschen Zugang zu sozialer Grundversorgung und sozialer Sicherung und spricht sich für effektivere Global Governance aus. Von Sabine Balk
Weltweit werden 17 von 100 Kindern nie die Grundschule besuchen: Biologieunterricht in Nairobi. Dembowski Weltweit werden 17 von 100 Kindern nie die Grundschule besuchen: Biologieunterricht in Nairobi.

Die jährliche Berichtserie wird vom UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) herausgegeben. Sie definiert menschliche Entwicklung nicht nur über das Pro-Kopf-Einkommen, sondern erfasst weitere relevante Indikatoren für Gesundheit und Bildung. Laut der aktuellen Ausgabe schreite die menschliche Entwicklung weltweit voran, sie verlaufe jedoch mit Stockungen und erreiche nicht alle gleichermaßen. Einkommensungleichheit habe zuletzt international zugenommen, während Bildungsungleichheit weitgehend konstant geblieben sei.

Der Bericht warnt, dass Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen oder Gewaltkonflikte Erfolge schnell zunichte machen können. Wichtig sei daher, wie sicher und nachhaltig Erfolge seien. Ungleichheit müsse in allen Dimensionen verringert werden, weil Fortschritt sonst nicht gerecht und nachhaltig sein könne.

Die Autoren des aktuellen HDR führen ein Konzept menschlicher Verwundbarkeit ein und definieren, wer aus welchen Gründen verletzlich ist. Kinder, Jugendliche und Ältere sind demnach inhärent bedroht. Persönliche Widerstandskraft („Resilience“) müsse über das gesamte Leben aufgebaut und erhalten werden. Viele Menschen hätten dazu aber kaum Chancen.

Laut dem UNDP-Report lebt mehr als eins von fünf Kindern in Entwicklungsländern in absoluter Einkommensarmut. Sieben von 100 Kindern würden nicht älter als fünf Jahre werden, 17 nie zur Grundschule gehen und 25 ihr ganzes Leben in Armut verbringen.

Junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren sind besonders von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung bedroht, wie die Autoren warnen. Es fehle ihnen an Erfahrung und an Kontakten. 2012 war die Arbeitslosenquote unter Jugendlichen weltweit fast drei Mal höher als unter Erwachsenen.

Wenn Institutionen, Regierungen, Traditionen und Gesetze Barrieren schaffen, verschärft das die Verwundbarkeit. Armut und Marginalisierung – etwa von Frauen oder Minderheiten – sind oft tief verwurzelt. Das UNDP weist darauf hin, dass deshalb Menschen keinen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen haben und nicht am politischen Leben teilhaben.

Auch Krieg spielt eine Rolle. Mehr als 1,5 Milliarden Menschen leben laut HDR in Ländern mit Gewaltkonflikten und mehr als 45 Millionen Menschen mussten aus ihrer Heimat fliehen.

 

Widerstandskraft aufbauen

Der HDR plädiert für den Aufbau von Widerstandskraft. Dazu sollen Regierungen, Gemeinschaften und internationale Institutionen die Menschen stärken und beschützen. Jeder Mensch brauche Zugang zu sozialer Grundversorgung – einschließlich Bildung, Gesundheitsversorgung und öffentlicher Sicherheit. Der Bericht weist darauf hin, dass Länder wie China und Ruanda bewiesen haben, dass allgemeine Grundversorgung auch in frühen Entwicklungsstadien möglich ist.

Soziale Sicherung durch Arbeitslosengeld, Rentensystem und Arbeitsgesetze sei ebenso nötig, betont der UNDP-Report. Derlei diene nicht nur der individuellen Widerstandskraft, sondern stärke auch soziale Gemeinschaften und ganze Gesellschaften. Nötig seien ansprechbare und verlässliche Institutionen. Ohne aktive Zivilgesellschaft würden staatliche Stellen die Rechte und Interessen benachteiligter Menschen allerdings kaum wahrnehmen.

Widerstandskraft zeige sich auch darin, wie Länder auf Naturkatastrophen vorbereitet seien und wie sie sich davon – oder auch von politischen Krisen – erholten. Nationale Kapazitäten seien wichtig, aber oft leichter aufzubauen, wenn es globale Verpflichtungen gebe und weltweite Unterstützung geleistet werde. Deshalb fordert der HDR effektivere Global Governance.

In den Augen der Autoren bietet die Post-2015-Agenda eine Chance für die internationale Gemeinschaft, Global Governance zu stärken. Das sei angesichts vieler Herausforderungen – vom Klimawandel über Wirtschaftskrisen bis hin zu Kriegen – unerlässlich. Nötig sei dabei auch die systematischere Kooperation mit Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft. Sabine Balk