Kindersoldaten
Jobperspektiven statt Waffen
Im Osten der DR Kongo betreibt die Nichtregierungsorganisation World Vision das Reintegrationsprogramm „Rebound“. Dort werden in jedem Jahr 80 Kindersoldaten und zwangsprostituierte Mädchen auf ein Leben mit ziviler Perspektive vorbereitet. Sie werden psychosozial betreut, unterrichtet und in einfachen Berufen ausgebildet. Zum Abschluss erhalten sie eine Starthilfe für ihr eigenes Geschäft als Schuster, Näherinnen oder Mechaniker. Das Projekt läuft gut, bislang hat keiner der Teilnehmer den Weg zurück zu den Milizen gewählt.
80 von mehreren tausend Kindersoldaten und als Sexsklavinnen verschleppte Mädchen – das ist nicht mehr als ein Ansatz. Und die Zahl der zwangsrekrutierten Kinder wächst in zu vielen Konflikt- und Kriegsgebieten. Was kann dagegen getan werden?
1. Den Export von Kleinwaffen verbieten. Eine von World Vision mitherausgegebene Studie zeigt deutlich auf, dass von deutschen Herstellern exportierte Waffen wie Pistolen, Sturmgewehre, aber auch Panzerabwehrkanonen und Mörser über Drittstaaten in Krisengebiete gelangen. 2016 betrug der Erlös dieser Kleinwaffen 47 Millionen Euro. Diese Summe ist lächerlich gering im Vergleich zum Gesamterlös von deutschen Waffenexporten: rund 7 Milliarden Euro. Doch gerade Kindersoldaten können mit Kleinwaffen ausgerüstet und an ihnen ausgebildet werden. Ein (zunächst) nationales Exportverbot kann somit mehr als nur ein Zeichen setzen.
2. Milizenführer vor Gericht stellen. Im Jahr 2012 wurde Thomas Lubanga, ein berüchtigter Milizenchef aus der DR Kongo, zu 14 Jahren Haft verurteilt. Er war vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen schwerer Kriegsverbrechen angeklagt, unter anderem, weil seine Miliz Kindersoldaten eingesetzt hatte. Solche Prozesse, vor allem solche Urteile, sind Ausnahmen. Sie müssen zur Regel werden. Wenn Milizenchefs Strafverfolgung fürchten müssen, werden sie den Einsatz von Kindern zumindest reduzieren. Im Dezember 2017 hat der Gerichtshof zudem seinen Opfern, den Kindersoldaten, eine Entschädigung in Millionenhöhe zugesprochen. Diese Entschädigung stammt aus einem Opferfonds und soll in Projekte zur Reintegration fließen.
3. Ebenjene Projekte sind noch viel zu selten, nicht nur in der DR Kongo. Kinder, die etwa „Rebound“ abgeschlossen haben, sind nicht immun gegen die Rekrutierung als Soldaten oder Hilfskräfte. Aber sie sind dem Kreislauf aus Armut und Missbrauch entronnen. Sie haben gelernt, über Erlebtes zu sprechen – auch mit anderen Kindern, die mit dem Gedanken spielen, dem täglichen Hunger zu entfliehen und sich „freiwillig“ einer Miliz anzuschließen – oft in Unkenntnis dessen, was sie dort wirklich erwartet.
Es braucht mehr als die genannten Punkte, um den Wahnwitz des Kindersoldatentums zu beenden. Nicht alle ehemaligen Kindersoldaten können Näherin, Schuster, Mechaniker werden. Selbst wenn es genügend Ausbildungskapazitäten gäbe, die lokalen Märkte könnten nicht für genügend Einkommen sorgen. Deshalb sind Investitionen in Infrastruktur sowie staatliche und private Wirtschaftsinitiativen nötig. Ohne Jobs keine Perspektiven. Ohne Perspektiven droht ein Scheitern aller Reintegrationsbemühungen.
Kindersoldaten sind ein Geschäft. Für die Milizen, die mit ihrer Hilfe Dörfer plündern. Für Regierungen in Konfliktgebieten, die sich Ausbildung und Sold für reguläre Soldaten sparen und deshalb auch gar nicht interessiert daran sind, den Einsatz von Kindersoldaten wirksam zu bekämpfen. Für Waffen exportierende Firmen und für militärische Privatfirmen. Besonders perfide ist es, dass ehemalige Kindersoldaten als professionelle Söldner von diesen privaten „Sicherheitsunternehmen“ angeheuert werden. Arbeitslose ehemalige Kindersoldaten werden von europäischen und US-Unternehmen angeheuert, denn sie sind billig, ausgebildet und haben nichts zu verlieren. Sie werden beispielsweise im Irak eingesetzt. Ein umfassendes Verbot dieser Rekrutierungen ist gut, reicht aber nicht aus. Das Geschäft mit Kindersoldaten muss weltweit geächtet werden. Regierungen wie die britische und US-amerikanische, von deren Boden aus diese Sicherheitsunternehmen aus operieren, müssen unter Druck gesetzt werden. Dem Export von Waffen nach Afrika folgt der Export von Kindersoldaten aus Afrika. Und vielen weiteren Ländern, in denen Krieg herrscht.
Dirk Bathe ist Medienreferent bei World Vision Deutschland.
dirk.bathe@wveu.org