Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Globaler Handel

Nicht stoppen, besser machen

Das avisierte Handelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur birgt Chancen für vertiefte Kooperation. Für Kritikpunkte der Zivilgesellschaft gibt es bessere Lösungen als einen Abbruch der Gespräche.
Proteste europäischer Bauern gegen das EU-Mercosur-Abkommen in Brüssel im Februar. picture-alliance/Hans Lucas/Sophie Hugon Proteste europäischer Bauern gegen das EU-Mercosur-Abkommen in Brüssel im Februar.

Die Verhandlungen zwischen der EU und dem Gemeinsamen Südamerikanischen Markt (Mercosur – Mercado Común del Sur, Vollmitglieder: Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) über ein Handelsabkommen begannen im Jahr 1999 und sind noch immer nicht abgeschlossen. Die EU drängt darauf, dass sich der Mercosur zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards verpflichtet. Insbesondere soll die Abholzung des Amazonas-Regenwalds gestoppt werden. Weiterhin befürchten einige EU-Länder negative Auswirkungen des Abkommens auf ihre Landwirtschaft. Die Mercosur-Länder hingegen möchten sich ihre Umwelt- und Sozialpolitik nicht von der EU vorschreiben lassen.

Das Abkommen zielt auf die Schaffung einer Freihandelszone zwischen beiden Wirtschaftsräumen, die gemeinsam einen Markt von mehr als 700 Millionen Menschen bilden. Laut einer für die EU erstellten Analyse wird der Warenaustausch deutlich steigen. Beim Mercosur dominiere die Zunahme landwirtschaftlicher und bei der EU industrieller Ausfuhren. Die Effekte des Abkommens auf das Bruttoinlandsprodukt werden als gering, aber positiv für beide Seiten eingeschätzt.

Kritik aus der Zivilgesellschaft

Das geplante Abkommen wird von zivilgesellschaftlicher Seite scharf kritisiert, etwa von Misereor und Greenpeace. Es reproduziere für Lateinamerika die koloniale Logik des ewigen Rohstofflieferanten und Importeurs von Industriegütern. Durch steigende Fleischexporte und zunehmenden Soja- und Zuckerrohranbau würden Umweltzerstörung, Gewässerverschmutzung und Pestizideinsatz verstärkt. Das Abkommen verschärfe damit Klimakrise und Artenverlust. Kleinbauern und -bäuerinnen sowie Indigene würden von ihrem Land vertrieben.

Entgegen dieser Einschätzung ist das qualitative Ungleichgewicht im Handel zwischen EU (Industrieprodukte) und Mercosur (Agrarerzeugnisse) aber nicht Ergebnis des Abkommens, sondern der aktuelle Zustand vor dem Abkommen. Kurzfristig wird der geplante Zollabbau diese Spezialisierung verstärken. Langfristig aber kann der kostengünstigere Zugang der Mercosur-Länder zu Vorprodukten neue Möglichkeiten schaffen, industrielle Wertschöpfung dorthin zu verlagern. Ostasien war mit Exportorientierung wesentlich erfolgreicher als Lateinamerika mit Importsubstitution.

Stopp des Mercosur-Abkommens wird Probleme nicht lösen 

Die Kritik von zivilgesellschaftlicher Seite ist teils berechtigt, erweckt aber andererseits den Eindruck, ein Stopp des Abkommens könne die Umwelt- und Menschenrechtsprobleme beenden. Dazu bedarf es jedoch vor allem einer konsequenten Politik in den Mercosur-Ländern selbst. Ein Stopp des Abkommens hingegen beträfe nur den Handel mit der EU und die dadurch ausgelösten Zuwächse. Sehr viel effektiver sind ein genereller Importstopp der EU für Produkte aus Entwaldung (beschlossen) und ein genereller Exportstopp der EU für gefährliche Pestizide (ausstehend).

Darüber hinaus sollte die zivilgesellschaftliche Kritik wichtigen entwicklungspolitischen Anliegen Rechnung tragen. Es wird seit langer Zeit gefordert, dass die EU ihren Binnenmarkt für Agrarimporte aus dem globalen Süden öffnet. Wenn das Abkommen in seiner gegenwärtigen Form von einigen EU-Staaten abgelehnt wird, dann nicht aus Sorge um Klima und Umwelt, sondern vor allem wegen der Partikularinteressen der Agrarlobby in diesen Ländern.

Sollte das Abkommen nach mehr als 20 Jahren Verhandlungen doch noch scheitern, wäre damit eine große Chance für eine vertiefte Nord-Süd-Kooperation mit Beteiligung der EU vertan. China und die USA werden in diese Lücke stoßen. Ob damit den Anliegen der Zivilgesellschaft gedient ist, darf bezweifelt werden. Darüber hinaus kann dem entwicklungspolitischen Diskurs hierzulande schwerer Schaden zugefügt werden. Das Abkommen als „Giftvertrag“ zu bezeichnen, wie dies Greenpeace in einer Kampagne im Jahr 2023 getan hat, ist nicht nur unglücklich, sondern gefährlich.

Es wäre fatal, wenn auf diese Weise die rechtspopulistische Polemik gegen die Zusammenarbeit mit dem globalen Süden befeuert würde. Insofern sollten sich die zivilgesellschaftlichen Organisationen für eine Verbesserung des Abkommens einsetzen – nicht für dessen Stopp.

Georg Schäfer ist Experte für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Beschäftigungsförderung und Armutsbekämpfung. Er war lange in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit tätig.
geo.schaefer@t-online.de