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Klimapolitik

„Es steht sehr viel auf dem Spiel“

Im globalen Umweltschutz müssen die reichen Nationen und die aufstrebenden Länder eine Vorbild­rolle übernehmen, sagt InWEnt-Manager Hinrich Mercker. Er erkennt „immensen Handlungsbedarf“ hinsichtlich Finanzierung, Technologietransfer und Capacity Building.


[ Interview mit Hinrich Mercker ]

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise scheint die Politiker weltweit viel mehr zu beschäftigen als Klimafragen. Wie sehen Sie das?
Das Klima ist noch wichtiger als das Finanz- und Wirtschaftssystem. In der Weltökonomie kommt es stark auf Psychologie an – also zum Beispiel darauf, ob Regierungshandeln wieder Vertrauen in die Solvenz von Banken schafft. Staatsgarantien im Umfang von mittlerweile Billionen Dollar und Euro können da also durchaus etwas bewirken. Aber wenn das Grönlandeis abschmilzt, haben wir ein irreversibles, 100-prozentig physikalisches Problem. Da hilft dann kein Finanzierungsversprechen mehr weiter.

Wie hängen Finanz- und Klimakrise zusammen?
Gefährlich ist, dass manche Wirtschaftsleute jetzt argumentieren, die Finanzkrise sei so teuer, dass wir uns Klimaschutz nicht auch noch leisten könnten – gerade so, als wären die Kosten des Weiter-so nicht noch höher. Andererseits haben wir jetzt gesehen, dass Regierungen auf Bedrohungen kooperativ reagieren können und sogar bislang unvorstellbare Summen mobilisieren. Wenn sie das zur Rettung eines volkswirtschaftlich wichtigen Sektors fertigbringen, müssten sie eigentlich auch in der Lage sein, etwas zu tun, um die Lebensgrundlagen der Menschheit zu sichern. Mir scheint zudem klar, dass öffentliche Investitionsprogramme nötig sein werden, um die Weltwirtschaft in Gang zu halten – und solche Inves­titionsprogramme sollten dann dem Umweltschutz dienen. Klimagerechte Energieversorgung und klimagerechtes Verkehrswesen bieten dafür jede Menge Möglichkeiten. Sinnvoll wäre auch, die Menschheit auf das vorzubereiten, was an Klimawandel ohnehin auf uns zukommt.

Welche Weltgegenden werden besonders stark beeinträchtigt werden?
Das werden wohl die Deltaregionen von Ganges und Brahmaputra, von Mekong und Nil sein. Es handelt sich um tief liegende, sehr dicht bevölkerte Landstriche. Die Infrastruktur ist in allen drei Fällen relativ schwach.

Was muss zur Anpassung getan werden?
Aus technischer Sicht lässt sich viel machen. Manche Experten fordern mehr Flutprotektion und Deiche, andere betonen die Bedeutung von Schutzräumen in Notfällen. Als wertvoll werden sich sicherlich geografische Informationssysteme erweisen und ebenso Frühwarnsysteme für den Katastrophenschutz. Es kommt natürlich immer auch auf die Region an: In den Anden und im Himalaja drohen andere Gefahren als in den Küstenregionen, also werden andere technische Lösungen gebraucht – zum Beispiel, um das Risiko von Erdrutschen zu reduzieren. Aber damit das, was technisch möglich ist, auch in der Praxis realisiert wird, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein.

Woran denken Sie dabei?
Es gibt international einen immensen Handlungsbedarf in Sachen
– Finanzierung,
– Technologietransfer und
– Capacity Building.
Die Industrienationen, die Hauptverantwortlichen für den Klimawandel, und die großen Schwellenländer, die immerhin eine Mitschuld tragen, müssen ihrer Vorbild­rolle gerecht werden. Sie müssen Geld, Technik und Know-how bereitstellen. Dabei reicht es nicht, eigene Erfahrungen weiterzureichen. Wir stehen vor neuen, zum Teil noch unbekannten Herausforderungen. Die betroffenen Länder und Regionen müssen in die Lage versetzt werden, aus eigenen Erfahrungen schnell Lehren zu ziehen und sich gegenseitig bei der Anpassung an den Wandel zu unterstützen. In der EU oder den USA kann man kaum lernen, wie sich die Landwirtschaft tropischer Länder an die veränderten Gegebenheiten anpassen kann. Klar ist jedenfalls, dass die Zeit der nationalen Egoismen vorbei sein muss.

Welche Rolle spielt InWEnt in diesem Szenario?
Zunächst bieten wir natürlich Training an, etwa was Katastrophenschutz angeht. In Mosambik hat InWEnt jahrelang die zuständigen Behörden in Fragen des Ka­tas­trophenrisikomanagements beraten. Da­rüber hinaus schaffen wir im Politikdialog wertvolle Diskussionsräume. Dadurch wird es möglich, grenzüberschreitend voneinander zu lernen und Positionen auszutauschen. Wichtig ist schließlich die langfristige regionale Vernetzung unserer Partner – wie erwähnt, kommt es ja darauf an, schnell und pragmatisch voneinander zu lernen. Das kann nur tun, wer die richtigen Leute in den jeweiligen Ländern kennt.

Haben denn alle Entwicklungsländer genug Fachpersonal, um bei internationalen Klimaverhandlungen effektiv mitzuwirken?
Nein, das ist sicherlich nicht der Fall. Sehr arme Länder und sehr kleine Länder tun sich vielfach schwer mit dieser Aufgabe. Sie können keine Delegationen mit 20 und mehr Leuten zum Beispiel im Dezember zur Klimakonferenz nach Poznan schicken. Andererseits ist die arme Welt durchaus kompetent vertreten. Wie in anderen Feldern der internationalen Politik lässt sich auch hier beobachten, dass wir in einer multipolaren Welt leben. China, Indien, Brasilien, Russland, Südafrika und andere verhandeln mit wachsendem Selbstbewusstsein. Die reichen Nationen bestimmen das Geschehen nicht allein.

Der Handlungsbedarf ist in den hochentwickelten OECD-Ländern aber besonders groß.
In der Tat. Damit die Klimaprobleme nicht weiter eskalieren, müssen die Emissionen drastisch reduziert werden. Nicholas Stern, der ehemalige Chefvolkswirt der Weltbank, der sich mittlerweile als Klimaexperte profiliert hat, meint, bis zum Jahr 2050 müssten die Emissionen weltweit um 50 Prozent unter das Niveau von 1990 gesenkt werden. Sonst drohe eine völlig chaotische, nicht mehr steuerbare Entwicklung. Berücksichtigt werden muss aber auch, dass die Menschheit im genannten Zeitraum von etwa fünf auf neun Milliarden Menschen anwachsen wird. Wenn wir davon ausgehen, dass allen Menschen pro Kopf dasselbe Verschmutzungsrecht zusteht – was auch Bundeskanzlerin Angela Merkel grundsätzlich so sieht –, dann heißt das, dass im Jahr 2050 pro Person zwei Tonnen CO2 anfallen dürfen. Zum Vergleich: In den USA wird derzeit zehn Mal so viel ausgestoßen, in Deutschland fünf Mal so viel und in China immerhin doppelt so viel.

Bedeutet das, dass die reichen und die aufstrebenden Länder der Vorbildrolle, die Sie vorhin ansprachen, nicht gerecht werden?
Ihre Frage ist vielschichtiger, als sie auf den ersten Blick wirkt. Sie lässt sich nicht mit Ja und Nein beantworten. Europa – und speziell Deutschland – hatte lange eine Vorreiterrolle. Hier wurde Klimaschutz schon befürwortet, als in vielen armen Ländern noch die Devise vorherrschte, Umweltschutz sei ein Wohlstandsproblem und könne warten, bis die Armut überwunden sei. Leider denken manche Führungspersönlichkeiten in der armen Welt immer noch so. Derzeit wirkt die EU aber verzettelt. Andererseits ist erfreulich, dass beide Kandidaten im Präsidentschaftswahlkampf der USA vergleichsweise fortschrittliche Positionen vertreten haben. Sowohl Barack Obama als auch John McCain haben die Lage jedenfalls besser verstanden als der tschechische Präsident Vaclav Klaus, der immer noch meint, der Treibhauseffekt sei wissenschaftlich umstritten – und Tschechien übernimmt im Januar den Ratsvorsitz in der EU. Und was die Schwellenländer angeht, ist zum Beispiel die chinesische Politik sehr interessant. Problembewusstsein kann man ihr jedenfalls nicht absprechen, und Kooperationsbereitschaft auch nicht. Beängstigend finde ich aber, dass derzeit niemand eine echte Führungsrolle übernimmt – vielleicht wird Obama das in Zukunft tun. Es steht sehr viel auf dem Spiel.

Die Fragen stellte Hans Dembowski.

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