Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Armutsbekämpfung

Eine Welt ohne Hunger ist möglich

Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nimmt Stellung zur Covid-19-Pandemie.
Wo ein Ochsenpflug schon Luxus ist: Bäuerinnen in Burkina Faso. Florian Kopp/Lineair Wo ein Ochsenpflug schon Luxus ist: Bäuerinnen in Burkina Faso.

Beim Kampf gegen den weltweiten Hunger waren wir auf einem guten Weg: Seit 1990 konnten wir die Zahl der Hungernden um 200 Millionen verringern, obwohl zwei Milliarden Menschen neu auf die Welt gekommen sind. Aber seit wenigen Jahren nimmt die Zahl der Hungernden wieder zu.

Die Corona-Pandemie verschärft die Situation jetzt dramatisch. Durch die Kontaktsperren brechen Versorgungs- und Lieferketten zusammen. 130 Millionen Menschen fallen so durch die Folgen der Pandemie in Hunger und Armut zurück.

Covid-19 ist so längst zu einer Poly-Pandemie geworden, einer Mehrfachkrise aus Arbeitslosigkeit, Hunger und Armut. Experten schätzen, dass an diesen Folgen mehr Menschen sterben werden als am Virus selbst.

Hunger zu bekämpfen ist deshalb nicht nur überlebenswichtige Nothilfe. Es ist auch vorausschauende Friedenspolitik. Daher ist es unverantwortlich, dass Nahrungsmittelprogramme nicht ausreichend finanziert sind. Im Jemen, wo jeder zweite Mensch auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen ist, mussten die Maßnahmen um 50 Prozent gekürzt werden. Dabei kostet es nur 50 Cent am Tag, ein Flüchtlingskind im Jemen oder in Afrika zu ernähren. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es später um ein Vielfaches teurer.


Was ist zu tun?

Wir brauchen zuallererst politische Lösungen für die Konflikte. Sonst werden wir den Hunger nie besiegen. Das zeigen Studien etwa von der Welthungerhilfe sehr deutlich.

Wir müssen die Finanzierungslücken der UN-Hilfswerke schnell schließen. Deutschland hat als einer der wenigen Staaten 2020 gehandelt und mit einem weltweiten Corona-Sofortprogramm seine Unterstützung ausgebaut. Aber alle Regierungen müssen ihren Beitrag leisten. Genauso Privatunternehmen, die von der Coronakrise besonders profitieren. Ich denke an Konzerne wie Amazon, Google, Facebook oder Apple.

Wir müssen endlich davon wegkommen, nur auf Krisen zu reagieren, und stattdessen mehr in die Krisenvermeidung investieren. Das ist vor allem eine Frage des politischen Willens. Denn wir haben das Wissen und die Technologien, alle Menschen auf diesem Planeten zu ernähren. Deswegen sage ich auch: Hunger ist Mord, weil wir dies ändern könnten.

Eine Welt ohne Hunger ist absolut möglich. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, wie das geht: mit einer grünen Agrarrevolution und Investitionen von jährlich 14 Milliarden Dollar zusätzlich durch die Industrieländer bis 2030.

Das ist viel, aber machbar. 2 000 Milliarden Dollar gibt die Welt jährlich für Rüstung und Verteidigung aus. Gemeinsam mit vielen Hilfsorganisationen kämpfe ich dafür, dieses Missverhältnis zu ändern.

Die zusätzlichen Investitionen für eine Welt ohne Hunger sollten wir auf vier Schwerpunkte konzentrieren:

  • Bauern brauchen erstens sichere Landrechte und Kredite, um zu investieren – und dies gleichberechtigt für Frauen und Männer.
  • Zweitens: ohne Energie keine Nahrungsmittel. Wir haben ein Programm „energieautarke Dörfer“ gestartet, damit der Aufschwung auch im ländlichen Raum ankommt. Denn der Kampf gegen den Hunger entscheidet sich auf dem Land. Dazu müssen wir den Ausbau erneuerbarer Energien vor allem in Afrika noch viel entschlossener voranbringen.
  • Die Bauern brauchen drittens eine Entwicklung, die von den Familien ausgeht. Zum Beispiel mit Genossenschaften, wie wir sie vor 150 Jahren in Deutschland entwickelt haben. Das heißt: Zusammenarbeit bei Anbau, Einkauf und Vermarktung.
  • Und es braucht besseres Saatgut und angepasste Landmaschinen. Viele afrikani-schen Agrarbetriebe erreichen nur ein Drittel ihrer möglichen Produktion. Ein Grund ist, dass vier von fünf Bauern ihr Land noch von Hand bestellen. Ein Ochsenpflug ist schon Luxus. Mit Landmaschinen für Kleinbauern und neuem Saatgut wären Quantensprünge möglich. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat dazu in Afrika 15 Grüne Agrarzentren gegründet. In Burkina Faso haben wir beispielsweise eine Reissorte aus Asien und neue Produktionsmethoden eingesetzt und innerhalb von wenigen Jahren den Ertrag verdreifacht.

Aber Wissen allein genügt nicht. Notwendig ist weltweit der politische Willen zu handeln. Der Friedensnobelpreis 2020 für das Welternährungsprogramm ist somit auch ein Weckruf für uns alle: Eine Welt ohne Hunger ist möglich. Wir müssen nur entschlossen handeln. Jetzt.
 

Gerd Müller ist Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dieser Kommentar ist die Kurzfassung eines Namensbeitrags, der im Dezember in der Münchener Abendzeitung erschien.
www.bmz.de

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