Entwicklung und
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Marktstrukturen für Energietechnologien

Nachhaltigkeit messen

Damit mehr effiziente und emissionsarme Kochherde genutzt werden, muss es einen funktionierenden Markt dafür geben. Die GIZ hat nun eine Methode entwickelt, wie man analysieren und bewerten kann, wann eine Marktstruktur nachhaltig ist.
Haushaltsbefragung der GIZ in Burkina Faso zur Nutzung von verbesserten Kochherden. Nguyen/GIZ Haushaltsbefragung der GIZ in Burkina Faso zur Nutzung von verbesserten Kochherden.

Wenn in Afrika, Asien oder Lateinamerika gekocht wird, entsteht nicht selten ein giftiger Rauch in Hütten und Häusern. An der durch Kochfeuer verschmutzten Luft sterben laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zu 4 Millionen Menschen pro Jahr – mehr als an den Folgen von Malaria und HIV zusammen. Bessere Herde könnten viele Leben retten. Sie reduzieren zudem den Brennstoffverbrauch, sparen Zeit und Geld und produzieren weniger Treibhausgase.

Doch effiziente Herde zu verbreiten ist schwierig. Viele Menschen tun sich schwer damit, ein neues Gerät zu erlernen und zu verwenden. Es fehlt außerdem an Strategien, die Herde flächendeckend zu verbreiten. In den vergangenen 30 Jahren haben viele Initiativen Unterschiedliches ausprobiert: Sie verschenkten, subven­tionierten oder verkauften Herde. Wenn Herde verschenkt wurden, akzeptierten sie die Menschen selten.Die GIZ setzt deshalb auf marktwirtschaftliche Strukturen. Im besten Fall entstehen eigenständige Märkte für effiziente Herde, die sich darüber hinaus dauerhaft etablieren, so dass es die Intervention von Entwicklungsorganisationen nicht mehr braucht. Diese Überlegung bildet zum Beispiel die Grundlage für das Energising Development Programme (EnDev), das die GIZ im Auftrag von sechs Geberländern seit 2005 umsetzt. EnDev engagiert sich für jene 1,3 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu moderner Energie haben. In 16 von 24 Projektländern unterstützt das Programm den Aufbau von eigenständigen Märkten für Kochenergie.

Dazu legt EnDev Ausbildungsprogramme für Herdproduzenten und Installateure auf, entwickelt Qualitätsstandards, unterstützt Werbekampagnen und organisiert die Herdbauer in Verbänden, die dann Lobbyarbeit betreiben und andere Herdbauer fortbilden. Allein in Kenia hat das Programm dazu beigetragen, dass mehr als 1,4 Millionen verbesserte Herde gebaut und installiert wurden. Inzwischen arbeiten mehr als 4000 kenianische Herdbauer und Händler in dem Gewerbe.

Das ist ein Erfolg. Die Frage ist aber, ob er von Dauer ist und ob die Köchinnen die Herde auch nutzen. Weitere Fragen sind, ob die Herde bei Defekten repariert werden und ob die Herdbauern vom Verkauf ihrer Produkte leben können.

Es ist nicht einfach, herauszufinden, was einen Markt nachhaltig macht. Ein marktorientierter Ansatz allein garantiert dies nicht. Diese Erfahrung hat die GIZ zum Beispiel in Uganda gemacht. Dort gab es sehr schnellen Erfolg bei der Herdverbreitung. Die Methodik schien überzeugend, zahlreiche Herdbauer wurden ausgebildet. Die wirtschaftliche Dynamik aber schwächte sich nach einigen Jahren wieder ab.

„Wir wollen analysieren, warum einige Ansätze das Potenzial haben, langfristig zu überdauern, während andere nicht zum Ziel führen. Überdies wollen wir diejenigen Einflussfaktoren identifizieren, die eine langfristige Existenz von Märkten positiv beeinflussen“, sagt ­Verena Brinkmann von der GIZ und Mitautorin des Sustainability Assessment Framework. Dazu hat das GIZ-Vorhaben HERA (Armutsorientierte Energiegrundversorgung) einen Bewertungsrahmen für Nachhaltigkeit (Sustainability Assessment Framework) entwickelt. Dafür haben die Mitarbeiter die Erfahrungen der vergangenen 30 Jahre zusammengetragen, Studien ausgewertet und gemeinsam mit den Länderprojekten verglichen. Sie haben inzwischen Herdprojekte unter anderem in Kenia, Uganda und in Äthiopien überprüft.

Streng genommen misst der Bewertungsrahmen nicht die Nachhaltigkeit des Projektes. „Das ist erst fünf bis zehn Jahre nach Projektende möglich, aber die Indikatoren geben uns Hinweise, wo wir während der Projektphase noch justieren sollten“, sagt GIZ-Mitarbeiter Tim Raabe.


Kriterien für Nachhaltigkeit

Ob Märkte funktionieren, kann man nicht allein an produzierten Stückzahlen und verkauften Herden ablesen. Genauso muss überprüft werden, inwieweit die Herde genutzt und vor allem ersetzt werden, wenn sie einmal ihre Lebensdauer überschritten haben. Insgesamt analysiert die GIZ die Nachhaltigkeit der Märkte anhand von vier Kriterien:

  • Verbreitungsrate: Eine hohe Verbreitung von Herden ist aber nicht so aussagekräftig wie die folgenden Kriterien.
  • Nutzerrate: Nur wer mindestens einmal pro Tag einen verbesserten Herd verwendet, wird als Nutzer gezählt.
  • Zustand des Herdes: Erbringt ein Herd seine erwartete Leistung, nutzt er am meisten und wird entsprechend akzeptiert. Die Leistung wird von Experten im Labor oder in Feldtests gemessen, aber auch innerhalb der Studien erhoben.
  • Austauschrate: Die Akzeptanz der verbesserten Herde lässt sich auch daran messen, ob ein kaputtgegangener Herd wieder durch denselben ersetzt wird.

Mit dem Bewertungsrahmen hat die GIZ im vergangenen Jahr in Kenia eine Studie abgeschlossen. Dabei haben die Mitarbeiter fast 1200 Haushalte und über 80 Herdbauer befragt. In den drei untersuchten Distrikten kochen 99 Prozent der Haushalte mit Feuerholz und Holzkohle. Drei von vier haben inzwischen einen verbesserten Herd erworben und 89 Prozent nutzen ihn mindestens einmal täglich. Allerdings hat nur jeder vierte Haushalt seinen Herd repariert oder ersetzt. Das Ergebnis bedeutet aber nicht zwangsläufig etwas Negatives. Vielmehr kann die Leistung des Herdes auch so effizient sein, dass er weder repariert noch ersetzt werden muss.

Die vier genannten Kriterien erfassen nur den Ist-Zustand. Um aussagekräftigere Ergebnisse zu bekommen, entwickelte die GIZ zusätzlich 21 Nachhaltigkeitsfaktoren, die einen Markt bremsen oder voranbringen können. In Kenia hatten die Inter­viewer den Eindruck, dass die Befragten nicht genau verstünden, was mit den Fragen nach Wartung und Ersetzen von Herden gemeint sei. „Deshalb werden wir in künftigen Studien diese Punkte genauer abklopfen, selbst schauen, ob die Herde Risse aufweisen, und auch anders fragen“, erklärt GIZ-Mitarbeiter Raabe. Ob ein Herd ersetzt werden muss, beurteilen GIZ-Experten und Konsumenten im Zweifel unterschiedlich. Viele Nutzer scheinen mit der Leistung des Herdes nach wie vor zufrieden zu sein, obwohl er nicht mehr effizient funktioniert. Melanie Djedje, die seit vielen Jahren Herdprojekte begutachtet, nennt dafür einen Grund. „Gebrauchsgegenstände werden in Afrika in der Regel genutzt, bis sie kaputt sind. Die Menschen leben von der Hand in den Mund. Geld für Instandhaltung auszugeben ist deshalb nicht gebräuchlich.“

Eine hohe Austauschrate ist für die Nachhaltigkeit aber entscheidend. Sie stellt sicher, dass die Nachfrage nach neuen Herden und Reparaturen – wenn der Markt einmal gesättigt ist – nicht einbricht und die Herdbauer auch weiterhin ein gutes Auskommen finden. Es macht deshalb Sinn, zum einen die Konsumenten für die Vorteile zu sensibilisieren, die Herde auszutauschen. Zum anderen liegt es auch im Interesse der Herdbauer, die Kunden intensiv zu betreuen. In beide Richtungen wird die GIZ in Kenia nun stärker intervenieren.

Mit jeder Studie, die Zahlen aus den jeweiligen Projekten liefert, entsteht ein genaueres allgemeines Bild. Dennoch müssen die Ergebnisse für jedes Land individuell analysiert werden. In Uganda hat die Untersuchung ergeben, dass es besser ist, weniger Herdbauer als bisher auszubilden, dafür aber die Ausbildung sehr viel intensiver zu gestalten. Künftige Herdbauer lernen nicht nur qualitativ hochwertige Herde zu bauen, sondern auch, wie sie ihr Unternehmen entwickeln, Kunden gewinnen und betreuen können. Statt auf hohe Stückzahlen fokussiert das Projekt inzwischen noch mehr auf qualitativ gute Herde, weil diese die Akzeptanz bei den Kunden fördern. Der Markt für Herde entwickelt sich in Uganda derzeit positiv.

Die GIZ hat das neue Bewertungsinstrument für Kochherdprojekte nun auch anderen europäischen Organisationen zur Verfügung gestellt. Sie plant außerdem, die Methode auf alle Geräte auszuweiten – seien es Solarlampen, Solar Home Systems oder kleine und kleinste Wasserkraftwerke.

 

Marlis Kees leitet seit 2005 das Sektorvorhaben Armuts­orientierte Energiegrund­versorgung der GIZ.
marlies.kees@giz.de


Links:
http://www.energypedia.info (Suche: „Sustainability Assessment Framework“)
http://www.endev.info
http://www.giz.de/hera