Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Landwirtschaft

Besser gewappnet

Mit häufiger auftretenden Klimaschocks steigt auch die Gefahr von Hungersnöten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hilft, die Widerstandsfähigkeit von Entwicklungsländern gegen Dürren zu erhöhen.
Nahrungsanbau für lokale Märkte schützt vor Hunger: Hirseernte in Äthiopien. Mike Kolloffel/Lineair Nahrungsanbau für lokale Märkte schützt vor Hunger: Hirseernte in Äthiopien.

Seit einigen Jahren werden die Risiken durch Extremwetterereignisse, Klimawandel und ökonomische Schocks für die globale Entwicklungszusammenarbeit verstärkt diskutiert. Der Weltrisikobericht der Vereinten Nationen, der „Global Risk Report“ des Weltwirtschaftsforums sowie der „4-Grad-Bericht“ der Weltbank weisen beispielhaft auf Risikoszenarien hin: Fast 1 Milliarde Menschen hat keine sichere Ernährung und ist sehr anfällig für Schocks. Eine weitere Milliarde Menschen leidet an Unter- und Mangelernährung. Die Weltbank erwartet zudem, dass bei vier Grad Klimaerwärmung die landwirtschaftliche Fläche in Subsahara-Afrika um ein Drittel zurückgehen wird.

Die Dürrekatastrophen am Horn von Afrika 2011 und im Sahel 2012, aber auch die Ernteausfälle in den USA und Indien haben gezeigt: Auch die Entwicklungspolitik ist gefragt. Sollen die erreichten Entwicklungsfortschritte geschützt werden, müssen wir unsere Partner rechtzeitig dabei unterstützen, eigenständig Risiken zu minimieren, Krisen zu vermeiden und die Widerstandsfähigkeit gegen Dürren zu stärken.

In den vergangenen Jahren war ich oft im Sahel und am Horn von Afrika und konnte mir ein genaues Bild der Situation verschaffen. In einigen Regionen verschärft zudem politische Fragilität die Situation. In fragilen Staaten können staatliche Institutionen bereits unter Normalbedingungen kaum die Grundversorgung, Basisdienstleistungen und Sicherheit der Bevölkerung garantieren und besitzen daher geringe Legitimität und geringes Vertrauen. Jede Krise verschärft die Situation und entfernt die Bevölkerung von ihrer Regierung, wenn keine adäquate Krisenbewältigung durch die jeweilige Regierung stattfindet. Dies schwächt nicht nur das Land selbst, sondern auch die Möglichkeiten der Länder in den Regionen, gemeinsam zu handeln. Hier gilt es die Eigenverantwortung der Partnerländer zu stärken und damit sukzessive das Vertrauen der Bevölkerung in die eigene Regierung herzustellen und zu steigern.

Die Entwicklungspolitik kann sich daher nicht mehr nur darauf beschränken, das Leid der Betroffenen zu lindern, wie dies in ihren Anfängen im Mittelpunkt stand. Es ist mir ein besonderes Anliegen, mit knappen öffentlichen Mitteln bewusst umzugehen und die Vorsorge, die Risikovermeidung, -minderung und -anpassung – eingebettet in nationale Strategien und Konzepte – in den Vordergrund zu stellen.

 

Ziel: Resilienzsteigerung

Deshalb hat das BMZ seit 2009 gezielt mehr Mittel für mittel- und langfristige Maßnahmen der ländlichen Entwicklung und Ernährungssicherung zur Verfügung gestellt. Wir haben den Trend umgekehrt und erheblich investiert: mehr als 2,1 Milliarden Euro zwischen 2010 und 2012. Unser umfangreiches Portfolio zielt darauf ab, Kapazitäten von Bevölkerung und Institutionen im Umgang mit extremen Naturereignissen, gesellschaftlichen Krisen und Konflikten zu stärken und Ernährungssicherung und Entwicklungspotenziale auch unter widrigen Umständen zu ermöglichen. Das Ziel muss sein, die Anpassungs- und Bewältigungskapazitäten sowohl des Einzelnen, als auch der Haushalte, der Gemeinden oder der Staaten gegenüber akuten Schocks oder schwierigen Umweltbedingungen zu stärken. In der Fachdiskussion hat sich dafür der Begriff der Resilienz durchgesetzt.

Heute ist Resilienzstärkung eine Kernaufgabe der entwicklungsorientierten und strukturbildenden Übergangshilfe (ESÜH) und der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit  im Bereich ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Ernährungssicherung. Das BMZ stärkt die Resilienz in seinen Kooperationsländern, indem es präventiv agiert und in Vorsorge investiert, bevor die Folgen von Krisen, Katastrophen, Konflikten und Klimawandel Lebensgrundlagen und Entwicklungsfortschritte zerstören.

Zur Förderung der Resilienz habe ich nicht nur den finanziellen Rahmen deutlich erhöht, sondern auch klare konzeptionelle Vorgaben geschaffen, die von einer neu geschaffenen „Task Force für ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung“ vorangetrieben werden. Im neuen Landwirtschaftskonzept des BMZ, in der aktuellen Strategie für die entwicklungsorientierte und strukturbildende Übergangshilfe (ESÜH) und im vor dem Abschluss stehenden Regionalkonzept für das Horn von Afrika ist Resilienzsteigerung eine klare Zielvorgabe. Die Auswertung der bisherigen Erfahrungen haben dabei sechs Kernelemente zur Erreichung dieses Ziels aufgezeigt:

  • Ausgangspunkt muss eine genaue Risikoanalyse sein, um differenziert und wirksam Maßnahmen planen zu können. Aber wir dürfen nicht nur die Risiken sehen, sondern müssen gleichzeitig die Potenziale in den Blick nehmen, da wir nur so alternative Entwicklungsmöglichkeiten erfassen können.
  • Die Vermeidung von Hungerkatastrophen beziehungsweise die Verringerung ihrer Auswirkungen wird angesichts der Klimaveränderungen nur gelingen, wenn wir die Grundlage der natürlichen Ressourcen, insbesondere Wasser und Boden, konsequent in unsere Maßnahmenplanung einbeziehen.
  • Ein multisektoraler Ansatz ist wichtig, der auch ganz andere Bereiche wie Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung oder auch Infrastruktur einbezieht.
  • Die Nutzung verschiedener Instrumente (kurz-, mittel-, langfristig; Twin-Track-Approach) und ihre sinnvolle Verzahnung (Linking Relief, Rehabilitation and Development) haben für die Resilienzstärkung besondere Bedeutung. Dafür sind eine höhere Flexibilität von Akteuren und Instrumenten sowie eine enge Abstimmung notwendig.
  • Auf instabile politische Verhältnisse – Fragilität – müssen wir gezielt reagieren. Dazu gehört eine genaue Akteursanalyse, eine enge internationale Koordination, eine Stärkung nationaler und ein besonderer Fokus auf lokalen Strukturen.
  • Wenn wir Wirkungen erzielen wollen, müssen wir auch unsere Bemühungen verstärken, die Wirkungen zu erfassen, um gezielter steuern zu können.

Die Krise am Horn von Afrika im Jahr 2011 hat bereits gezeigt, dass Maßnahmen zur Resilienzstärkung auf dieser Grundlage dazu führen können, dass Bevölkerungsgruppen in Äthiopien, Kenia und Uganda anders als früher Krisen nicht mehr nur mittels Nahrungsmittelhilfe bewältigen können. Das ist – auch wenn noch viel zu tun bleibt – ein deutlicher Erfolg nicht nur für die Akteure der humanitären Hilfe, sondern auch der Entwicklungszusammenarbeit.

Am Horn von Afrika wurden gezielt produktive Regionen gefördert, die Nahrungsmittel auch für den regionalen Markt zur Verfügung stellen können. In Dürregebieten in Somalia, Kenia und Äthiopien wurden BMZ-Mittel  eingesetzt, um eine Stabilisierung der Lebensgrundlagen der betroffenen Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. Insgesamt hat die deutsche Entwicklungskooperation seit 2011 über 200 Millionen Euro zur Bekämpfung der Hungersnot und Stärkung der Dürreresilienz zur Verfügung gestellt.

Dabei ist die Förderung der regionalen Zusammenarbeit durch ein neues Resilienzprogramm mit IGAD, der Regionalorganisation für das Horn von Afrika, ein wichtiger Schwerpunkt. Der von Deutschland mit IGAD eingerichtete  Fonds zur Stärkung der Dürreresilienz wird die grenzüberschreitende  Zusammenarbeit in dieser fragilen Region stärken und so konkret zur Vermeidung von Dürren und Hungerkatastrophen beitragen. Aus dem Fonds werden soziale und wirtschaftliche Infrastrukturmaßnahmen finanziert, wie etwa Bau von Lagerräumen und Systemen für die Wasserspeicherung. Auch die Anpassung landwirtschaftlicher Anbaumethoden stärkt die Resilienz.

Während der Krise im Sahel hat Deutschland sehr schnell reagiert. Frühzeitig haben wir zusätzliche Mittel mobilisiert (insgesamt 31,7 Millionen Euro), die gute internationale Abstimmung genutzt und an die bestehenden langfristigen Programme angeknüpft. Die deutsche EZ hat eine klare und langfristige Ausrichtung auf nachhaltige Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung und setzt damit an wesentlichen strukturellen Ursachen der regelmäßig auftretenden Nahrungsmitteldefizite an. Über Wertschöpfungsmaßnahmen und flankierende ländliche Infrastruktur werden Einkommensmöglichkeiten der Kleinbäuerinnen und -bauern gestärkt, Zugang zu Märkten geschaffen und gleichzeitig nationale Strukturen zu dezentraler Datenerhebung und Umgang mit Frühwarnsystemen unterstützt.

Ich bin überzeugt: Wenn wir diesen Weg konsequent weitergehen, werden wir in den nächsten Jahren konkrete Wirkungen messen können. Das Landwirtschaftskonzept gibt klar vor, dass alle zukünftigen Landwirtschaftsprogramme die Ziele Ernährungssicherung und Ressourcenschutz verfolgen müssen. Die neue ESÜH-Strategie hat sich die Stärkung der Resilienz zum Oberziel ihrer Förderung gesetzt. Die Regionalstrategie für das Horn von Afrika legt Grundlagen für weitere umfassende Investitionen in unsere Zusammenarbeit mit den Ländern der Region zur Stärkung ihrer Dürreresilienz.

Die Ernährungssicherung einer wachsenden Weltbevölkerung mit knapper werdenden natürlichen Ressourcen ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben, bei der  die Vermeidung von Hungerkatastrophen und die Stärkung der Resilienz eine zentrale Rolle spielen. Es bleibt viel zu tun – aber das BMZ ist dafür jetzt gut aufgestellt.

 

Dirk Niebel ist Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
http://www.bmz.de

 

 

 

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Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.