IPCC-Sonderbericht
Warnschuss für die Weltmeere
Der Meeresspiegel steigt derzeit doppelt so schnell wie im vergangenen Jahrhundert. Dies ist zum einen auf das großflächige Abschmelzen der grönländischen und antarktischen Eisschilde zurückzuführen, zum anderen auf eine starke globale Erwärmung und damit einhergehende Ausdehnung des Meerwassers.
Bislang haben die Ozeane mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme im Klimasystem aufgenommen und bis zu 30 Prozent der seit den 1980er Jahren ausgestoßenen Treibhausgase aufgenommen. Doch diese Pufferkapazitäten könnten sehr bald ausgereizt sein, heißt es im Sonderbericht zum Zustand von Meeren und Eisschilden, den der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) im September veröffentlicht hat. Die Folge wäre eine katastrophale Beschleunigung globaler Veränderungen im Klimasystem.
Der Rückgang der arktischen Meereisdecke nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Während ein zugefrorener Arktischer Ozean von der Sonnenstrahlung abgeschirmt wird und das Eis die Strahlung reflektiert, kann sich der offene Ozean beträchtlich aufheizen und somit die Neubildung von Meereis verhindern. Dieser sich selbstverstärkende Effekt könnte laut IPCC bis Ende des Jahrhunderts zu einer gänzlich eisfreien Arktis im Sommer führen und deutlich zur Erwärmung der Atmosphäre beitragen.
Tropische Wirbelstürme und andere Extremwetterereignisse werden dadurch befeuert. Viele der über 7000 Studien, die die Grundlage für den IPCC-Bericht lieferten, prognostizieren, dass die durchschnittliche Intensität tropischer Wirbelstürme und der damit verbundenen Niederschläge bei einem globalen Temperaturanstieg von zwei Grad auf Dauer zunehmen wird.
In Kombination mit einem steigenden Meeresspiegel bieten solche Stürme großes Potenzial für Überschwemmungen in Küstengebieten. Für viele küstennahe Megacitys und kleine Inseln erwarten die Experten bis 2050 mindestens einmal jährlich Hochwasserereignisse von einem Ausmaß, das bislang nur einmal pro Jahrhundert vorkam. Millionen Küstenbewohner könnten ihre Heimat verlieren, einige Inselstaaten gar unbewohnbar werden, warnt der Bericht.
Normalerweise schützen Küstenökosysteme wie Mangrovenwälder und Korallenriffe die Küsten vor Stürmen und Erosionen. Jedoch seien fast die Hälfte der globalen Küstenfeuchtgebiete in den vergangenen 100 Jahren verlorengegangen. Die IPCC-Autoren sehen diese Entwicklung mit Sorge, denn neben dem Verlust des Küstenschutzes beeinträchtige der Rückgang der Warmwasserkorallenriffe auch die Ernährungssicherheit und den Tourismus. Zunehmende Ozeanversauerung, Meereshitzewellen, Sauerstoffverlust, Verschmutzung sowie immer häufigere schädliche Algenblüten führten ebenfalls zu Verlusten der Artenvielfalt und bedrohten die Existenzgrundlage von Fischern.
Je höher der Meeresspiegel steigt, desto schwieriger ist der Küstenschutz. Viele der bisherigen Maßnahmen seien nicht ehrgeizig genug. Zwar nähmen die Bemühungen, den Risiken entgegenzuwirken, insgesamt zu. Vielerorts seien Governancestrukturen wie Meeresschutzgebiete und Wassermanagementsysteme jedoch viel zu fragmentiert, um integrierte Lösungen über Verwaltungsgrenzen und Sektoren hinweg zu bieten.
Noch besteht Hoffnung, das Hochwasserrisiko durch effektiven Küstenschutz weltweit zu halbieren, heißt es im Bericht. Dazu seien aber Investitionen von vielen Milliarden Dollar nötig. In eng bebauten Küstenregionen seien künstliche Schutzbauten wie Deiche womöglich die kosteneffizienteste Maßnahme. Andernorts empfehlen die Autoren ökosystembasierte Anpassungsstrategien, wie etwa die Wiederansiedlung von Mangroven und Seegraswiesen. Dies würde nicht nur die Wasserqualität und küstennahe Artenvielfalt stärken, Küstenökosysteme bieten auch einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz, da sie CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen. Bei allen Klimaschutzmaßnahmen und Anpassungsstrategien muss schnell gehandelt werden, macht der Bericht deutlich.
Link
IPCC, 2019: Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate.
https://www.ipcc.ch/srocc/home/