Development finance

Kein echter Anstoß für Wandel

Die neuen nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), die Klimafinanzierung und die weiterhin himmelschreienden sozialen Missstände in vielen Ländern lassen keinen Zweifel daran: Der Bedarf an Entwicklungsfinanzierung ist gestiegen und wird weiter steigen.
Die Geber sollten Mittel für Klimafinanzierung zusätzlich zur ODA bereitstellen: Mikrokredit-finanziertes Solar Home System in Westbengalen. Böthling/Photography Die Geber sollten Mittel für Klimafinanzierung zusätzlich zur ODA bereitstellen: Mikrokredit-finanziertes Solar Home System in Westbengalen.

Bei der dritten Konferenz Financing for Development in Addis Abeba im Juli geht es nicht nur darum, Mittel zu mobilisieren, sondern auch darum, diese Mittel so einzusetzen, dass sie sich an den SDGs und dem damit verbundenen Paradigmenwechsel in der internationalen Entwicklungspolitik orientieren.

Darüber hinaus gilt es, Vereinbarungen über die Umsetzung der Ergebnisse von Addis zu treffen und die Rechenschaftslegung der Beteiligten – also Regierungen und Unternehmen – festzulegen. Mit Vereinbarungen sind übrigens nicht die losen Absichtserklärungen gemeint, die Regierungen so gerne unterschreiben. Nein, hier muss es um verbindliche Verpflichtungen gehen, die da wären:

  • Die Mutter aller Absichtserklärungen ist das Ziel, dass die Geberstaaten 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für offizielle Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) aufwenden. Ein Zeitplan, bis wann dieses Ziel erreicht werden muss, wäre in Addis wirklich notwendig, wenn die Geber ihre Glaubwürdigkeit nicht noch weiter aufs Spiel setzen wollen.
  • Zweitens muss der Trend, immer weniger ODA an die ärmsten Länder (least developed countries – LDCs) zu vergeben, umgekehrt werden: 0,15 bis 0,2 Prozent des BNE der Geber an LDCs sind hier eine Zielgröße.
  • Drittens sollten die Mittel für Klimafinanzierung, insbesondere für Anpassungsmaßnahmen, neu und zusätzlich zur ODA sein.
  • Viertens wäre es ein großer Fortschritt, wenn die Schwellenländer in das ODA-System mit einbezogen würden.
  • Wenn in Addis fünftens vereinbart würde, die vor Jahren in der Paris Declaration abgestimmten Prinzipien zur „Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit“ wieder aus der Schublade zu holen und sie endlich mit Leben zu erfüllen, wäre auch das ein großer Schritt vorwärts in Richtung effektiver Mitteleinsatz.

Es ist außerdem notwendig, einheimische öffentliche Ressourcen wie Steuereinnahmen weiter zu mobilisieren. Die Erhöhung der Steuereinnahmen von Entwicklungsländern steht deshalb ganz oben auf der Tagesordnung in Addis. Zudem müssen Steuer- und Kapitalflucht viel effektiver bekämpft werden. Die reichen Länder könnten bei beidem Unterstützung leisten, etwa beim Aufbau von nationalen Steuersystemen oder in internationalen Verhandlungen zur Bekämpfung illegaler Kapitalabflüsse.

Verhandelt wird auch über günstige Rahmenbedingungen für ausländische private Direktinvestitionen. Ob diese sich tatsächlich eignen, nachhaltige Entwicklungsziele zu erreichen, hängt etwa davon ab, ob solche Investitionen Sozial- und Umweltstandards beachten, zu Steuermehreinnahmen führen oder ob sie in die nationale Entwicklungsplanung passen.

Nach den ersten Verhandlungsrunden im Vorfeld von Addis liegen bei den systemischen Fragen noch Welten zwischen den Vorstellungen der reichen Länder, der Entwicklungsländer und der zivilgesellschaftlichen Organisationen. Jede Vereinbarung, die klarmacht, dass auch der Finanzsektor an der Erreichung der SDGs gemessen werden muss, wäre ein Erfolg. Dies gilt auch für neue Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte, insbesondere die Regulierung des Schattenbankbereichs und die Entwicklung eines Prüfverfahrens für neue Finanzmarktprodukte. Zusätzlich sollte die Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) – auch gegen den Willen der USA – weitergetrieben werden, um eine bessere Beteiligung der Entwicklungsländer bei Entscheidungen der internationalen Finanzinstitutionen zu erreichen.

Ein Blick in die Textentwürfe für das Abschlussdokument in Addis lässt jedoch wenig Gutes ahnen. Die Geber stehlen sich aus der Verantwortung, nationale Interessenpolitik ersetzt den Einsatz für globale öffentliche Güter, öffentliche Aufgaben werden privater Kontrolle unterworfen. Gerechtigkeit, Überwindung von Ungleichheit, der Einsatz grüner Energien, Durchsetzung von Menschenrechten, Erhaltung der Biodiversität – alles Stichworte einer Transformationsagenda, für die Addis allem Anschein nach keinen echten Anstoß geben wird.

Ulrich Post ist Leiter der Abteilung Politik und Außenbeziehungen bei der Welthungerhilfe.
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