Hochschulen
Agenten des Wandels
Die Afrikaner, Asiaten oder Lateinamerikaner, die in Deutschland studiert haben, besetzen in ihren Herkunftsländern oft Schlüsselpositionen und wirken an Veränderungsprozessen in Staat, Gesellschaft, Umwelt oder Kultur mit. Sie nehmen Erfahrungen mit, die weit über das im Studium Gelernte hinausgehen und die ihnen in ihrer Heimat zugutekommen.
Ein Beispiel ist Augustine Titani Magolowondo. Er hat fünf Jahre in Bochum studiert und arbeitet nun in seiner Heimat Malawi seit Jahren als Demokratie- und Governanceberater mehrerer Organisationen. „Ich kam eher zufällig nach Deutschland“, erklärt er. Eigentlich wollte Magolowondo lieber in Großbritannien oder den USA studieren, aber durch den DAAD erfuhr er von einem neuen internationalen Masterstudiengang in Development Management in Bochum. Nach dem Masterabschluss promovierte er dann noch.
Deutschland habe ihn beeindruckt, sagt der DAAD-Alumnus: „Ich hatte vorher nie erlebt, dass Institutionen im privaten und öffentlichen Sektor effektiv und berechenbar arbeiten.“ Heute stellt er an seine eigene Gesellschaft höhere Ansprüche. Die intellektuellen Fertigkeiten, die er in Bochum erwarb, findet er hilfreich. Zugleich räumt er ein, dass er nicht sein gesamtes akademisches Wissen nutzen kann, denn zwischen „Theorie und Praxis der demokratischen Staatsführung“ klaffe eine große Lücke.
Alumni wie Magolowondo stellte der DAAD auf einer Tagung an der Uni Heidelberg im Juni als „Change Agents“ vor, die als Fach- und Führungskräfte zu Hause Veränderungen vorantreiben. Weil die Organisation ihre entwicklungspolitische Relevanz stärken will, verabschiedete sie mit deutschen Hochschulen Ende Mai eine entwicklungspolitische Erklärung mit zehn Grundsatzpunkten. Dabei geht es unter anderem darum:
- die internationale Zusammenarbeit in akademischen Netzwerken auszubauen,
- die einschlägige Erfahrung deutscher Hochschulen besser zu nutzen,
- die Expertise der Hochschulen für die Entwicklungszusammenarbeit stärker zu erschließen,
- die Hochschulkapazitäten in Partnerländern zu stärken und
- die Wirksamkeit und Partnerorientierung zu verbessern.
„Uns ist an einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe gelegen“, sagte DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel in Heidelberg: „Wir möchten die Teilhabe und Ownership in den Entwicklungsländern stärken und Projekte gemeinsam umsetzen.“ Dazu bedürfe es jedoch leistungsfähiger Hochschulen in den Entwicklungsländern. Oft litten die Universitäten aber unter Mangel an Lehrkräften, Räumlichkeiten, Bibliotheken und sonstiger akademischer Infrastruktur.
Aus Sicht von Dirk Niebel, dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, gleicht Bildung einem Schlüssel, den einem „niemand mehr nehmen kann“. Sein Ministerium unterstützt verschiedene DAAD-Programme mit rund 40 Millionen Euro. Das entspricht neun Prozent des DAAD-Gesamtetats. Wie Niebel berichtet, legen die Partnerregierungen großen Wert auf eigene Fachleute. Ihm werde oft gesagt: „Wir wollen nicht eure Experten, wir wollen unsere eigenen.“
Manchen DAAD-Alumni fällt die Rückkehr in die Heimat schwer. Sie sprechen von einem „umgekehrten Kulturschock“. Während an deutschen Universitäten selbstständiges Denken gefordert wird, ist in der Berufspraxis Einordnung in Hierarchien nötig – und in vielen Entwicklungsländern sind diese oft besonders ausgeprägt (siehe auch Interview mit Seth Oteng in E+Z/D+C 2013/06, S. 234 ff.).
Studenten wünschen sich Unterstützung bei der Wiedereingliederung und einschlägige Betreuung vom DAAD. Sinnvoll wäre der Ausbau von Alumni-Netzwerken. „In Chile lernen wir nicht, wie man sich vernetzt und Experten zusammenbringt“, sagt zum Beispiel Alvaro Diaz Bustamante, der in Leipzig einen postgraduierten Studiengang über kleine und mittlere Unternehmen absolviert.
Dem DAAD ist diese Herausforderung bewusst. Präsidentin Wintermantel sagt: „Unser Ziel ist es, nun systematisch Daten zu sammeln und mehr Alumni-Netzwerke zu bilden und zu fördern.“ Dazu seien Social-Media-Plattformen geradezu prädestiniert.
Sabine Balk