Arabischer Raum

In der MENA-Region werden Schwarze diskriminiert

Rassismus gibt es auch im arabischen Raum. Menschen mit dunkler Hautfarbe werden diskriminiert und ihrer Rechte beschnitten. Aktivisten wollen sich dies nicht mehr gefallen lassen und setzen sich zur Wehr. In Tunesien gibt es die größten Fortschritte.
Weibliche migrantische Hausangestellte demonstrieren gegen Ausbeutung und Diskriminierung in Beirut 2015. picture-alliance/dpa/Wael Hamzeh Weibliche migrantische Hausangestellte demonstrieren gegen Ausbeutung und Diskriminierung in Beirut 2015.

Sprache ist verräterisch, sie ist der Spiegel des Alltags. Sowohl in der arabischen Hochsprache als auch in den verschiedenen Umgangssprachen lässt sich eine Vielzahl von rassistischen Ausdrücken finden, die Menschen mit dunkler Hautfarbe bezeichnen. Sie sind entwürdigend, menschenverachtend und heben die Überlegenheit von Menschen mit weißer Hautfarbe hervor. Teilweise gehen diese Ausdrücke auf eine Zeit zurück, als Sklavenhandel und Sklaverei in der islamischen und arabischen Welt noch praktiziert wurden.

Diese Ausdrücke haben überdauert und sind sogar in Redewendungen und Sprichwörtern verankert, die tagtäglich im arabischen Raum benutzt werden. Bei den Sprichwörtern wird Schwarz mit einem schlechten Omen gleichgesetzt. Oder es werden die Farben Schwarz/Weiß als Gegensätze verwendet, die für schlecht bzw. gut stehen, in Zusammenhang mit der Auswahl von Lebenspartnern, der Beschreibung von Empfindungen oder Erlebnissen.

Doch es gibt Zeichen der Veränderung: Die „Black Lives Matter“-Bewegung hat im arabischen Raum für große Aufmerksamkeit gesorgt. Es gab einerseits eine breite Berichterstattung lokaler und überregionaler Medien, Talkshows, Solidaritätsdemonstrationen und Online-Kampagnen zur Unterstützung der Proteste in den USA. Anderseits regte diese Bewegung vermehrt die Auseinandersetzung mit Rassismus in der arabischen Region an.

Zainab Mariam Kanaan ist ein Beispiel. Die Journalistin ist Libanesin, ihre Mutter stammt aus Sierra Leone. Auf dem Höhepunkt der Black-Lives-Matter-Proteste veröffentlichte sie im Juni 2020 auf ihrer Facebookseite einen Erfahrungsbericht, in dem sie sich mit den Protesten gegen Schwarze in den USA solidarisiert und in dem sie die Diskriminierungen schildert, denen sie seit ihrer Kindheit ausgesetzt ist. Kanaan schreibt, dass sie fassungslos beobachtete, wie Libanesen und Libanesinnen Sympathie für die Schwarzen in den USA äußerten, aber tatenlos gegenüber Rassismus im eigenen Land stehen.

Die junge Frau beschreibt, wie sie in der Familie, in der Schule, an der Uni, aber auch im Taxi mit Entwürdigung, Verletzung und Stereotypisierung konfrontiert war und ist. Sogar im Religionsunterricht wurden Stereotype weitertradiert, etwa in der berühmten Geschichte von Bilal, des ersten Gebetsrufers der islamischen Geschichte, der aus Äthiopien stammte. Diese Begebenheit wird als Beweis für die antirassistische Einstellung des Islams genutzt, aber gleichzeitig wird Bilal mit Ausdrücken beschrieben, die rassistisch sind.

In ihrer Pubertät führten diese Erlebnisse zu Selbsthass und zu einer schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter. Kanaan sagt jedoch, dass sie wegen ihrer libanesischen Staatsangehörigkeit besser dran sei als viele andere, die an Rassismus im Libanon leiden, vor allem Arbeitsmigranten aus Südasien. Das Kafala- oder Sponsorensystem im Libanon, dem Arbeitsmigranten ausgeliefert sind, schafft sklavereiähnliche Strukturen (siehe meinen Beitrag im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Papers 2017/10). Dieses System, das auch in allen Ländern des arabischen Golfes verbreitet ist, bindet den Migranten an einen lokalen Bürgen, der Gehalt, Bewegungsfreiheit und Arbeitsbedingungen ohne jede Kontrolle diktieren kann.

Ähnliche Erlebnisse wie Kanaan aus dem Libanon beschreibt Sana Al Fazani aus Libyen. Sie stammt aus der südlichen Region des Landes. Bei Gesprächen werde sie wegen ihrer Hautfarbe nicht ernst genommen, an der Uni werde sie gemobbt. Die Elite im Staat sei meistens weiß.

Aktivisten in der Region stimmen darin überein, dass gerne auf den Rassismus im Westen geschaut und er dort verurteilt wird, aber eine große Ignoranz herrscht, wenn es um das Phänomen im eigenen Land oder in der Region geht. Mohamad Azmi, Direktor der ägyptischen Beobachtungsstelle für Rassismus, verweist auf eine Untersuchung, die 2018 veröffentlicht wurde. Darin nahmen er und sein Team ägyptische Medien unter die Lupe – sowohl Nachrichtensendungen als auch Talkshows und Filme. In der Hälfte, der in Ägypten produzierten Filme in den Jahren 2007 bis 2017 werden dunkelhäutige Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder wegen ihres oberägyptischen Dialekts herabgesetzt und lächerlich gemacht. Menschen aus Oberägypten werden stereotype Rollen als Hausmeister oder Diener gegeben. In etwa einem Drittel der Talkshows und Nachrichtensendungen, die zwischen 2011 und 2016 entstanden sind und die Themen aus Oberägypten behandelten, werden eine rassistische Sprache und Hate Speech benutzt. Außerdem sei die Besetzung von Posten in den Medien mit Menschen dunkler Hautfarbe verschwindend gering.

Eine adäquate Repräsentanz von Menschen mit dunkler Hautfarbe in den Medien ist eine der Forderungen von Mohamad Azmi. Darüber hinaus will er, dass die Medien ethische Grundsätze umsetzen und dass endlich ein Anti-Rassismus-Gesetz verabschiedet wird.

Arabische Redewendungen und Sprichwörter offenbaren weitere regionale und lokale rassistische Phänomene in arabischen Ländern. Da geht es um die Verächtlichmachung von Beduinen, von Frauen, von Kurden gegenüber Arabern oder umgekehrt, um religiöse Zugehörigkeiten, sexuelle Orientierung, um Menschen mit Behinderung. Die Liste ist lang.

Es gibt jedoch zaghafte Fortschritte. In Tunesien ist seit der Revolution 2011 eine intensive Auseinandersetzung um Rassismus entstanden – Meinungsfreiheit und eine lebendige Zivilgesellschaft machen das möglich. Das führte zum ersten Anti-Rassismus-Gesetz in der arabischen Welt. Im Oktober 2018 verabschiedete das tunesische Parlament ein Gesetz, das Rassismus definiert und das rassistische Aussagen und Taten unter Strafe stellt.

Für Khawla Ksiksi, Mitbegründerin von „The Voices of Tunesian Black Women“ existiert das Gesetz nur auf dem Papier, da die Opfer von Diskriminierung und rassistischen Angriffen nicht die Mittel hätten, den langwierigen und kostspieligen juristischen Weg zu gehen. Es fehle immer noch der politische Wille, die im Gesetz vorgesehene nationale Strategie umzusetzen. Die tunesische Juristin Ksiksi sagt, dass sie davon träume, auch Bilder von schwarzen Kindern in den Schulbüchern zu sehen und schwarze Tunesier Posten an der Spitze des Staates und der Gerichte bekommen.


Mona Naggar ist freie Journalistin aus Beirut.
mona.naggar@googlemail.com