Integration

Geflüchtete als Chance

In Uganda leben derzeit mehr Geflüchtete als in jedem anderen afrikanischen Land. Das bringt Probleme mit sich – aber auch Chancen, wie Fachleute aus Forschung und Praxis betonen.
Geflüchtete aus der Demokratischen Republik Kongo an der Grenze zu Uganda im Februar 2022. Geflüchtete aus der Demokratischen Republik Kongo an der Grenze zu Uganda im Februar 2022.

Mehr als 1,5 Millionen Geflüchtete beherbergt Uganda Stand August 2022 nach Angaben des UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees). Damit ist das Land mit seinen knapp 50 Millionen Einwohnern eines der wichtigsten Zufluchtsländer weltweit und das größte auf dem afrikanischen Kontinent.

Die Menschen fliehen in das politisch stabile Uganda derzeit vor allem aus zwei Nachbarländern: der Demokratischen Republik Kongo und dem Südsudan. Aufgrund immer wieder auflodernder Konflikte kamen aus diesen beiden Ländern allein seit Beginn dieses Jahres gut 100 000 Geflüchtete nach Uganda, wie UNHCR und die ugandische Regierung berichten. Daneben befinden sich auch Geflüchtete aus anderen Ländern in Uganda, beispielsweise aus Burundi, Somalia und Ruanda.

Ugandas Politik gegenüber Geflüchteten ist vergleichsweise progressiv: Sie dürfen sich im Land frei bewegen und einer Arbeit nachgehen. Viele von ihnen leben nicht abgeschottet in Camps, sondern unter der einheimischen Bevölkerung. Geflüchtete Kinder besuchen gemeinsam mit einheimischen die Grundschule. Teils erhalten die Geflüchteten vom Staat etwas Land, um Landwirtschaft betreiben zu können. Nach einem Grund für diese zugewandte Haltung gefragt, verweist man in Uganda gern darauf, dass Fluchterfahrungen auch zur eigenen Geschichte gehören. Im Jahr 1979, nach dem Zusammenbruch der Diktatur Idi Amins, suchten Zehntausende Uganderinnen und Ugander Zuflucht im heutigen Südsudan.

Große Herausforderungen

Obgleich zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen die ugandische Gesellschaft bei der Bewältigung dieser Aufgaben unterstützen, ist die Lage vielerorts schwierig. Schließlich hat Uganda auch unabhängig von der Geflüchteten-Thematik zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen, zuletzt etwa enorme Preissteigerungen für Waren des täglichen Bedarfs (siehe Ronald Ssegujja Ssekandi auf www.dandc.eu).

Roselyn Vusia arbeitet für die GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) in der Region West-Nil im Nordwesten Ugandas in einem Projekt, das junge Geflüchtete und Frauen bei der beruflichen Bildung unterstützt. Über die Probleme, die ihr während ihrer Arbeit begegnen, sprach sie im September im Rahmen einer Konferenz in Ugandas Hauptstadt Kampala mit dem Titel „Addressing fragility and conflict in developing countries“, federführend organisiert vom deutschen Netzwerk PEGNet (Poverty Reduction, Equity and Growth Network; siehe Kasten unten).

Zu den wichtigsten Herausforderungen im Umgang mit Geflüchteten in Uganda zählt Roselyn Vusia unter anderem:

  • Verteilungskonflikte, etwa im Hinblick auf soziale Dienstleistungen, die Geflüchtete erhalten,
  • Sicherheitsprobleme,
  • überfüllte Klassenräume in den Gastgemeinden,
  • Finanzierungsaspekte sowie
  • eine mangelhafte Infrastruktur.

Auch berichtet sie von Umweltproblemen, etwa wenn Geflüchtete Bäume abholzen, um sie als Brennholz zu nutzen.

Darüber hinaus herrschen vielerorts unhygienische Verhältnisse, die Krankheiten begünstigen, wie Tony Odokonyero im Rahmen der Konferenz betonte. Er ist Gesundheitsexperte am Economic Policy Research Centre (EPRC), einer Denkfabrik in Kampala. Auch um die Müttergesundheit stehe es oft schlecht, berichtet er. Unter anderem fehle es an qualifiziertem Gesundheitspersonal sowie Räumlichkeiten und Equipment, etwa für Kaiserschnitte.

Positive Auswirkungen

Philip Verwimp, Professor für Entwicklungsökonomie an der Université libre de Bruxelles, legt den Fokus auf positive ökonomische Effekte, die durch die Geflüchteten eintreten könnten. Er verweist unter anderem auf Untersuchungen aus Tansania. Dort sei im Umgang mit Geflüchteten aus Ruanda die Erfahrung gemacht worden, dass viele einheimische Haushalte unterm Strich profitieren.

Ruanderinnen und Ruander seien in Tansania etwa als günstige Arbeitskräfte in der Landwirtschaft eingesetzt worden, was eine höhere Produktivität ermöglicht habe, so Verwimp. So manche tansanischen Bäuerinnen und Bauern hätten sich dadurch von der Subsistenzlandwirtschaft zu kommerzieller Landwirtschaft entwickelt. „Uganda kann ebenfalls profitieren“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Es gebe beispielsweise ungenutzte Landflächen, auf denen Geflüchtete Landwirtschaft betreiben könnten.

Verwimp stellt heraus, dass der Umgang mit Geflüchteten in anderen Weltregionen, etwa in der EU, ganz anders sei als in Uganda. „Wir nutzen die Fähigkeiten der Geflüchteten nicht“, kritisiert er. Man sollte diese nicht abgesondert in Camps unterbringen, sondern besser integrieren – dann ließen sich die ökonomischen Herausforderungen angehen. Geflüchtete könnten durchaus produzieren und konsumieren und so ihren Teil zur wirtschaftlichen Entwicklung einer Gesellschaft leisten, argumentiert Verwimp. Die Integration von Geflüchteten sei deshalb im Kern kein wirtschaftliches Problem – sondern vielmehr eine kulturelle Frage.


Jörg Döbereiner ist Redakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit/D+C Development and Cooperation
euz.editor@dandc.eu

 

Die PEGNet-Konferenzen

PEGNet steht für The Poverty Reduction, Equity and Growth Network. Das Netzwerk mit Sitz am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IFW) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschungskooperationen in Entwicklungsländern zu unterstützen sowie den Wissensaustausch zwischen Forschung und Praxis zu befördern. Zu diesem Zweck organisiert PEGNet jährlich eine Konferenz, abwechselnd in Europa und in Afrika. Anfang September 2022 fand die Konferenz mit dem Titel „Addressing fragility and conflict in developing countries“ in der ugandischen Hauptstadt Kampala statt. Mitorganisator war das Economic Policy Research Centre (EPRC), ein politischer Think Tank mit Sitz in Kampala.

PEGNet wurde 2005 gegründet vom IFW, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), der KfW Entwicklungsbank und von Forschenden an den Universitäten Göttingen und Frankfurt. Es wird vom BMZ finanziert. E+Z/D+C ist offizieller Medienpartner der PEGNet-Konferenzen.

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