Nahrung

Not im Land des Überflusses

Die Demokratische Republik Kongo hätte das Zeug dazu, der Brotkorb des gesamten afrikanischen Kontinents zu werden. Doch es werden nur zehn Prozent der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Derzeit gehört das krisengeschüttelte Land zu den am stärksten von Mangelernährung betroffenen. Wissenschaftler des International Food Policy Research Institute haben die Lage untersucht.
Die Menschen essen selten Fleisch oder Fisch: Fischer beim Aussortieren ihres Fangs am Kivu-See. Blinkcatcher/Lineair Die Menschen essen selten Fleisch oder Fisch: Fischer beim Aussortieren ihres Fangs am Kivu-See.

Die Demokratische Republik (DR) Kongo ist gesegnet mit einem enormen landwirtschaftlichen Potenzial. Sie hat 80 Millionen Hektar nutzbarer Fläche, verschiedene Klimazonen und ausreichend Wasser. Bislang wird dieses Potenzial jedoch kaum genutzt und das Land kann sich nicht selbst ernähren. Im Jahr 2012 gab die DR Kongo 1,3 Milliarden Dollar für Lebensmittelimporte aus. Nachhaltig ist das nicht – vielmehr ist es absurd angesichts der Möglichkeiten, die das Land hätte.

Gewalttätige Auseinandersetzungen verstärken zu­dem in einigen Regionen die Armut und unterbinden landwirtschaftliche Produktivität. Ein starker Agrarsektor könnte vieles verändern. Die derzeitige Ernährungslage jedoch ist alarmierend.

Die DR Kongo war laut Global Hunger Index (GHI) im Jahr 2011 das hungrigste Land der Welt. Dieses jährliche Ranking veröffentlicht das Interna­tional Food Policy Research Institute (IFPRI) gemeinsam mit der Welthungerhilfe und Concern World­wide. Schon 2009 und 2010 gehörten die GHI-Werte des Kongo zu den schlechtesten. Im Kongo leben die meisten unterernährten Menschen Afrikas – fast 75 Prozent der Gesamtbevölkerung (UNDP 2010) – und das Land weist weltweit die höchste Rate von Mangelernährung auf.

Im Jahr 2005 begründete das kongolesische Gesundheitsministerium 48 Prozent der Kindersterblichkeit mit Mangelernährung (WHO 2005). Im Jahr 2007 waren der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge 45,8 Prozent der Kinder unterentwickelt (zu klein für ihr Alter), 28,2 Prozent waren untergewichtig und 14 Prozent schwindsüchtig, also zu leicht für ihre Größe (WHO 2011). In den gleichen Erhebungen zeigte sich, dass 70,6 Prozent der Kinder unter fünf Jahren unter Blutarmut litten, ebenso wie 67,3 Prozent der schwangeren Frauen.


Landesweite Umfrage

Die Ergebnisse einer landesweiten Haushaltsumfrage aus den Jahren 2004/2005 bestätigen diese tristen Zahlen. Von 13 688 befragten Haushalten antworteten 95 Prozent auf die Fragen zu ihren Konsumgewohnheiten und Ausgaben. So konnten wir das Ausmaß von Ernährungsmängel auf nationaler und provinzieller Ebene analysieren.

Der Untersuchung zufolge verbrauchte ein Durchschnittshaushalt 1959,2 Kalorien pro Tag und Kopf. Das sind zwar mehr als die mindestens erforderlichen 1706,4 Kalorien, aber weniger als die für Aktivitäten empfohlenen optimalen 2049,8 Kalorien. Die Befragten litten unter Mangel an Vitamin E, Riboflavin, Folsäure, Vitamin B12, Eisen und Zink. Der durchschnittliche Verbrauch an Proteinen und Vitamin B6 pro Haushalt war höher als die notwendigen und empfohlenen Werte von 40,4 Gramm, beziehungsweise 2,0 Mikrogramm. Aufgrund hohen Palmöl- und Ma­niokkonsums – beides ist in der DR Kongo reichlich verfügbar – wurden hingegen die Vitamine C und A weit über das empfohlene Maß aufgenommen.

Pro Person kam die höchste Kalorienzufuhr über Getreide zustande (28,9 Prozent), dann über Knollengewächse (27,6 Prozent) und Fett (26,1 Prozent). Weniger als zehn Prozent der täglichen Kalorien wurden über vergleichsweise teures Essen wie Fleisch und Fisch, Obst und Gemüse, Eier und Milchprodukte aufgenommen.  

Eisen und Zink nahmen die Menschen vor allem über Getreide auf, aber auch nicht in ausreichendem Maße. Die wichtigsten Vitamin-E-Quellen waren Fett und Öl, im Einzelnen Taro, Palmöl und Süßkartoffeln. Obwohl Bohnen, Maniok und Süßkartoffeln den höchsten Riboflavin-Gehalt haben, nahmen die Befragten dieses hauptsächlich über Getreide auf.

Obwohl der Durchschnittsbürger sehr wenig Fleisch und Fisch isst, war dies die einzige Quelle für Vitamin B12, weshalb auch fast 90 Prozent der Haushalte nicht ausreichend mit Vitamin B12 versorgt werden. Höherer Fleisch- und Fischkonsum würde diesen Mangel vermutlich ausgleichen. Andererseits gab es nur in wenigen Haushalten Mangel an den Vitaminen A, C und B6, die in den häufig verwendeten Knollen und Fetten enthalten sind.

Generell war zu beobachten, dass weiblich geführte Haushalte besser mit Nährstoffen versorgt sind als solche, in denen Männer das Sagen haben. Frauen setzen die Ressourcen offensichtlich auf gesündere Weise ein – wobei man beachten muss, dass die sonstige Zusammensetzung des Haushalts in die Berechnungen nicht eingeflossen ist. Am nur in tierischen Produkten vorkommenden Vitamin B12 mangelte es tendenziell jedoch in allen Haushalten.

Auch die verschiedenen Provinzen unterschieden sich in ihren Defiziten. In Maniema, Bas-Congo, Kinshasa, Équateur und den beiden Kasai-Provinzen gab es einen überdurchschnittlichen Mangel an bestimmten Nährstoffen, wobei sie mit anderen Nährstoffen besser versorgt waren als der Rest des Landes. In Katanga und Orientale war Ernährungsmangel im nationalen Vergleich kein großes Thema – mit Ausnahme von Vitamin C in Katanga und Riboflavin in Orientale. Bandundu lag hingegen, ähnlich wie in Nord- und Südkivu, in nahezu jeder Hinsicht über dem nationalen Durchschnitt. Diese unterschiedlichen Ergebnisse korrelieren in gewissem Maße auch mit der Milizen-Gewalt in den jeweiligen Regionen.


Kurze Leben

Heute haben Männer in der DR Kongo eine Lebenserwartung von 47 Jahren, bei Frauen liegt sie bei 51 Jahren. Rund 20 Prozent aller Kinder werden keine fünf Jahre alt (Pfingu 2011, UNDP 2010). Natürlich ist Mangelernährung nicht der einzige Grund dafür, aber doch ein bedeutender.

Der effektivste und nachhaltigste Weg, dem alarmierenden Mangel zu begegnen, wäre es, die lokale Lebensmittelherstellung anzukurbeln. Um dorthin zu kommen, bräuchte die DR Kongo eine Landwirtschaftspolitik wie die anderen Länder Subsahara-Afrikas (siehe auch Kwadwo Asenso-Okyere in E+Z/D+C 2012/03, S. 104). Wesentliche Investitionen müssten in ländliche Infrastruktur, Agrarforschung, Wissenschaft und Technik fließen. Die Regierung sollte Kleinbauern zudem einen schnelleren Zugang zu besserem Saatgut, Düngemitteln und Krediten verschaffen.

Der Weltpreis für Saatgut und Dünger ist für die meisten Subsistenzbauern in der DR Kongo unerschwinglich. So wie die Dinge derzeit stehen, wären Subventionen in diesem Bereich zu befürworten. Allerdings sollten derartige Programme zeitlich befristet sein und der Privatsektor sollte in ihre Gestaltung und Einführung einbezogen werden. Am wichtigsten wären aber Frieden und eine kompetente Regierung, um die ländliche Entwicklung in der DR Kongo in Gang zu bringen.

 

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