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Globalisierung

Erfolg nach 18 Jahren

Die Welthandelsorganisation wittert nach ihrer Ministerkonferenz in Bali Anfang Dezember „einen neuen Morgen“ und verspricht Millionen neue Jobs in Entwicklungsländern. Kritiker meinen jedoch, dass vor allem große Konzerne vom neuen Abkommen profitieren.
Es gab auch schwierige Momente: WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo mit dem indonesischen Handelsminister Gita Wirjawan. picture-alliance/dpa Es gab auch schwierige Momente: WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo mit dem indonesischen Handelsminister Gita Wirjawan.

„Zum ersten Mal in unserer Geschichte hat die WTO wirklich etwas zustande gebracht“, verkündete der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Roberto Azevêdo, in der Abschlusssitzung. Es geht um ein Abkommen über „trade facilitation“ (Vereinfachung von Zollverfahren) und einige Aspekte des Agrarhandels. Außerdem erhalten die am wenigsten entwickelten Länder besseren Zugang zu den Märkten der reichen Welt und die WTO-Regeln zur besonderen Behandlung von Entwicklungsländern (Special and Differentialtreatment) werden überprüft. Dieses sogenannte „Bali-Paket“ ist das erste Abkommen, das die WTO seit ihrer Gründung 1995 vereinbart hat.

Die Vorgänger-Institution GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) war bei der Liberalisierung des Welthandels schneller vorangekommen. Nach einem durchaus dramatischen Verhandlungsverlauf mit Sitzungen bis in die frühen Morgenstunden und einem Tag Verlängerung begeistert das Bali-Paket nun die Handelspolitiker und -diplomaten.

Der Brasilianer Azevêdo ist erst seit kurzem WTO-Generaldirektor. Er gab sich Mühe, alle Mitgliedsländer gleichberechtigt an den Verhandlungen zu beteiligen. Die WTO war früher wegen exklusiver und intransparenter Verhandlungsstrukturen kritisiert worden. Tatsächlich war der Einfluss der Entwicklungs- und Schwellenländer diesmal deutlich zu spüren.

Indien setzte hartnäckig eine befristete Ausnahmeregelung durch, was die Einschränkungen von Agrarsubventionen angeht. Delhi hat ein nationales Ernährungssicherungsprogramm eingeführt, für das es Lebensmittel zu garantierten Priesen aufkauft und unter dem Einkaufspreis an Bedürftige abgibt. Vor allem die USA wandten sich lange dagegen, bestehende Einschränkungen von Agrarsubventionen aufzuweichen.

Auch Kuba verbuchte einen Erfolg. Seine Regierung wollte, dass das Abkommen über Zollerleichterungen ausdrücklich auch das US-Embargo, unter dem Kuba leidet, abschwächt. Der Kompromiss war dann die explizite Bestätigung der bestehenden WTO-Regel, die Handels-Diskriminierung zwischen WTO-Mitgliedern prinzipiell verbietet.

„Wir haben die ‚Welt‘ in die ‚Welthandelsorganisation‘ zurück gebracht“, stellte Azevêdo fest. Menschen auf der ganzen Welt, insbesondere in den Entwicklungsländern, würden von den neu beschlossenen Handelsregeln profitieren.

Wie groß der Nutzen der neuen Regeln ist und wem er zugute kommt, ist derweil umstritten. Die größte Bedeutung dürfte die Modernisierung der Zollprozeduren haben. Eine viel zitierte Studie, die das unabhängige Peterson Institute for International Economics aus den USA im Auftrag der Internationalen Handelskammer erstellt hat, behauptet, deswegen könnten Millionen neue Jobs entstehen und der internationale Handel werde um mehr als eine Billion Dollar im Jahr zulegen. Über die Hälfte des erwarteten Exportzuwachses werde dabei auf Entwicklungsländer entfallen. Hochrechnungen gehen aber bekanntlich nicht immer in Erfüllung. 

Die Einführung neuer Zollverfahren nach WTO-Standard werde Entwicklungsländer viel Geld kosten, warnen Kritiker. Das Bali-Paket erlaubt ihnen aber, die Implementierung davon abhängig zu machen, ob sie dafür Mittel bekommen. Wer dieses Geld aufbringen soll, bleibt indessen unklar.

Im Gegensatz zu den Zollprozeduren bleiben die von den Entwicklungsländern gewünschten Regelungen des Bali-Pakets, etwa im Agrarbereich, eher vage. „Alles nur leere Versprechungen“, kritisierten daher die Vertreter sozialer Bewegungen, die in Bali gleich zwei getrennte Gegenveranstaltungen organisierten, in denen sie das Ende der WTO forderten. In einem „Tribunal“ listeten sie zehn Anklagepunkte auf, für die sie die WTO verantwortlich machen – von der Verteuerung von HIV-Medikamenten in Thailand bis hin zum Schutz von Konzernen wie Monsanto, die sich Patente auf Nutzpflanzen sichern.

Aus Sicht solcher Kritiker klingt Azevêdos Fazit – „Bali war erst der Anfang“ – eher wie eine Drohung. Sie fordern vage eine „Economy for Life“, die auf Rechten von Mensch und Natur beruhen soll. Fest steht indessen, dass die Regierungen betont anti-imperialistisch argumentierender Länder wie Indien und Kuba dem Paket zugestimmt haben.

 

Angela Geck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für internationale Beziehungen an der Universität Freiburg.
angela.geck@politik.uni-freiburg.de

 

Stefan Rother ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arnold-Bergstraesser-Institut Freiburg.
stefan.rother@abi.uni-freiburg.de