Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Doha Runde

Scheitern kurz vor Schluss

Wegen einer Auseinandersetzung zwi­schen den USA, Indien und China gelang es Ende Juli nicht, das geplante WTO-Abkommen zur umfangreichen globalen Handelsliberalisierung entscheidend vor­an­zubringen. Der Streitpunkt war ei­ne Maßnahme, die arme Bauern vor stei­genden Importen hätte schützen sollen.

Schneller Fortschritt scheint nun praktisch unmöglich – nicht zuletzt wegen des anstehenden Regierungswechsels in den USA. Fachleute befürchten ohnehin, Protektionismus werde in Zeiten steigender Nahrungsmittel- und Ölpreise, wachsender Arbeitslosigkeit und allgemeiner wirtschaftlicher Instabilität erstarken. Als weitere Sorge wird geäußert, das Scheitern der WTO könne zu einer Vielzahl bila­teraler Abkommen führen. Es kann also Jahre dauern, bis das bereits sieben Jahre alte Verhandlungsepos „Doha Runde“ wieder in Schwung kommt. Begonnen hat es 2001 in der Hauptstadt Katars.

Im Juli wurde in Genf über Handelsbarrieren im Agrar- und Dienstleistungssektor und in der Industrie verhandelt. Der „Spezielle Absicherungsmechanismus“, an dem die Gespräche scheiterten, hätte es Entwick­lungsländern erlaubt, im Falle plötzlich steigender Importe oder deutlichen Preisverfalls landwirtschaftliche Importzölle zu erhöhen. Indien und andere Entwicklungsländer argumentierten, das diene dem Schutz armer Bauern. Die USA äußerten dagegen die Furcht, neue Märkte wieder zu verlieren, wo sie doch gerade Subventionskürzungen zugesagt hatten. Auch Agrarexporteure wie Costa Rica und Uruguay widersetzten sich dem „Absicherungsmechanismus“.

Seit Jahrzehnten sind Agrarsubventionen Stolpersteine bei Handelsrunden. Der jüngste Preisanstieg bei Nahrungsmitteln bot eine ungewohnte Einigungschance. Denn heute bewegen sich Agrarpreise auf dem Weltmarkt in der Nähe von – oder sogar über – dem Niveau, das die Regierungen reicher Länder auf ihren Binnenmärkten bisher garantierten, indem sie Überschüsse mit Steuermitteln aufkauften.

Das plötzliche Scheitern kam als Schock, denn das vergleichsweise geringfügige Thema machte große Verhandlungsfortschritte auf anderen Feldern zunichte. WTO-Chef Pascal Lamy sprach von einer 80- bis 85-prozentigen „Konvergenz“. 18 von 20 Tagesordnungspunkten waren geklärt worden. Der brasilianische Außenminister, Celso Amorim, sagte: „Jemand von einem anderen Stern hätte bestimmt nicht gedacht, dass wir nach solchen Fortschritten nicht zum Abschluss kommen würden.“

Ausschlaggebend war nicht einfach der klassische Konflikt zwischen fortgeschrittenen Nationen und Entwicklungsländern. Wie viele Beobachter betonen, haben sich die politischen und ökonomischen Konstellationen seit 2001 erheblich verändert. Heute bestimmen Schwergewichte sowohl aus der entwickelten als auch aus der benachteiligten Welt den Verhandlungsverlauf, wohingegen China, Indien oder Brasilien früher im Schatten der USA und der EU standen. Heute sind sie selbst wichtige Exporteure. Interessengruppen aus solch durchsetzungsfähigen Schwellenländern gewinnen an Einfluss auf die Handelsdiplomatie – indische Bauern sind dafür nur ein Beispiel.

Die größten Verlierer des jüngsten Rück­­schlags sind die ärmsten Entwicklungsländer, besonders in Afrika. Sie brauchen Zugang zu den Konsummärkten der reichen Welt. Afrikanische Unterhändler hatten sich bereits auf Kürzungen von Baumwollsubventionen in den USA gefreut. Denn diese Zuschüsse drücken den Weltmarktpreis und bedrohen die Lebensgrundlage von mehr als 10 Millionen Afrikanern. Vor dem Abbruch der Gespräche hatten die USA angeboten, ihre Baumwollsubventionen um mehr als 80 Prozent zu kürzen – wenn China im Gegenzug Handelsbarrieren für US-Baumwolle abbauen würde. Nun sind die USA nicht zu dem Schritt verpflichtet.

EU-Partnerländer in Afrika, Karibik und Pazifik (AKP-Staaten) hatten sich gegen niedrigere EU-Zölle auf Bananen aus Lateinamerika gewehrt, AKP-Mitglieder dürfen zollfrei Bananen nach Europa liefern. Die EU war bereit, einen 16-jährigen Rechts­streit zu beenden und den Zoll für die Lateinamerikaner von 176 Euro auf 114 zu senken. Grund zur Freude haben die AKP-Länder dennoch nicht: Sollten sich EU und Lateinamerika bilateral einigen, werden sie mangels WTO-Ergebnis vermutlich ohne Ausgleich völlig außen vor bleiben. Im WTO-Kontext durften sie wenigstens auf Kompensationen hoffen.

Ellen Thalman