Flüchtlingspolitik

Mehr Geld besser einsetzen

Der Umgang mit Flucht und Migration ist eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit. Noch nie haben so viele Menschen ihre Heimat gezwungenermaßen oder freiwillig verlassen wie heute. Demgegenüber sinkt weltweit die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen. Eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) plädiert dafür, die Finanzierung der Flüchtlingshilfe aufzu­stocken und die Gelder effizienter einzusetzen.
Überfülltes Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer vor der libyschen Küste. picture-alliance/AP Photo Überfülltes Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer vor der libyschen Küste.

Die Aufnahme von Flüchtlingen und die Zuwanderung sind seit Jahren zentrale Streitthemen in der EU. Viele Staaten weigern sich, Verantwortung zu übernehmen und Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen. Das behindert dauerhafte und kohärente Lösungen. Nicht viel anders sieht es auf UN-Ebene aus. Es gibt zwar zwei Globale Pakte, einmal für Flüchtlinge und einmal für Migranten, von Dezember 2018, aber diese haben bislang nicht zu grundlegenden Verbesserungen geführt. „Auch die Finanzmittel für Flüchtlinge wurden nicht substanziell erhöht“, bemängeln die Autoren der SWP-Studie (siehe auch Schwerpunkt im E+Z/D+C e-Paper 2019/04).

Die Datenlage zur Finanzierung sei unzureichend und die bisherigen Zahlungen nicht exakt erfasst, denn in die Flüchtlingshilfe flössen sowohl Gelder der humanitären Hilfe als auch öffentliche Entwicklungshilfe (Official Development Assistance – ODA). Klar ist aber laut der Studie, dass die vorhandenen Gelder den bestehenden Bedarf nicht ausreichend decken können. Und ohne ausreichende Finanzmittel „bleibt jede Flüchtlingspolitik wirkungslos“, resümieren die Wissenschaftler.

Sie raten dazu, verschiedene Finanzierungsquellen und Instrumente zu erschließen, diese zu kombinieren und parallel anzuwenden. Zuallererst müsse die ODA gesichert sein, was bedeute, dass alle Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das Ziel einhalten sollten, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für ODA aufzuwenden. Deutschland könne mit gutem Beispiel vorangehen und seine Leistungen erhöhen.

Weiteres Potenzial zur Erschließung neuer Mittel sehen die Autoren in der sogenannten Mischfinanzierung, auch Blending genannt. Dabei werden öffentliche Gelder, die für Entwicklung bestimmt sind, mit privaten oder staatlichen Krediten kombiniert. Private Geldgeber investieren also in öffentliche Güter. Ein Beispiel ist ein 2017 neu aufgelegter Fonds, der European Fund for Sustainable Development, der von der Europäischen Kommission verwaltet wird.

Entwicklungsbanken und internationale Finanzinstitutionen arbeiten bereits seit Jahren mit dieser „Hebelung“ öffentlicher Mittel. Bislang, so die Studie, sei es allerdings umstritten, ob und in welchem Maß Mischfinanzierung tatsächlich zu Armutsreduzierung und nachhaltiger Entwicklung beiträgt. Problematisch sei an solchen Instrumenten, dass Geldgeber bei dieser Art von Investition keine ausreichenden Renditen sehen.

Ein weiteres wichtiges Instrument, um die Mittel für Flüchtlingshilfe aufzustocken, sehen die Autoren darin, konzessionäre Darlehen und Zuschüsse zu erweitern. Dies sind öffentlich geförderte Kredite von Entwicklungsbanken zu vergünstigten Bedingungen. Derartige Kredite werden bisher nur an Länder mit niedrigem Einkommen ausgezahlt. Ein großer Teil der Flüchtlinge wurde aber von Ländern mittleren Einkommens wie Jordanien oder dem Libanon aufgenommen. Deshalb hat auch innerhalb der Weltbank ein Umdenken stattgefunden, und diesen Ländern wurde angesichts der Syrienkrise mit konzessionären Krediten geholfen. Einen weiteren Vorteil dieser Kredite sehen die Autoren darin, dass sie sehr zielgerichtet – etwa in der Flüchtlingshilfe – unterstützen können.

Eine wichtige Methode zur Finanzierung von humanitärer Hilfe sind zusammengelegte Mittel, so genannte „Pooled Funds“. Dabei zahlen mehrere Geber in einen Fonds ein, der von einer internationalen Organisation verwaltet wird. Damit können humanitäre Hilfe und entwicklungspolitische Maßnahmen besser verzahnt werden. Hierin sehen die Autoren Potenzial, das weiter ausgeschöpft werden sollte.

Seit ein bis zwei Jahrzehnten sind „neue“ Geber wie China, Brasilien, Indien oder Russland auf den Plan getreten. Die etablierten OECD-Staaten stehen ihnen mit Skepsis gegenüber. Die SWP-Experten sehen in Dreieckskooperationen zwischen OECD-Ländern, neuen Gebern und Entwicklungsländern aber einen „vielversprechenden Ansatz“ (siehe dazu Beitrag von Luiz Ramalho et al. im Schwerpunkt, E+Z/D+C e-Paper 2019/07). So könnten die Finanzmittel der reichen Länder mit der Expertise der neuen Geber etwa in der Armutsreduzierung kombiniert werden. OECD-Länder sollten nach Ansicht der Autoren auch Kooperationen mit philanthropischen Geldgebern eingehen, die ebenfalls eine immer wichtigere Rolle bei der Entwicklungsfinanzierung einnähmen.


Mehr Effizienz

Ein großes Problem sehen die Wissenschaftler darin, dass Geld in der Flüchtlingshilfe nicht effizient eingesetzt wird. Sie halten Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Mittelvergabe und -verwendung für Voraussetzungen dafür. Um sie zu stärken, müsse die Eigenverantwortung und Partizipation der Aufnahmeländer gestärkt werden. So sollten lokale und nationale Organisationen der Flüchtlingshilfe nach Ansicht der Autoren mehr Mittel erhalten. Außerdem sollten die Flüchtlinge und Binnenvertriebenen stärker in die Umsetzung der Maßnahmen eingebunden werden. Davon erhoffe man sich eine zielgerichtetere, kosteneffizientere und nachhaltigere Hilfe.

Insgesamt, so die Autoren, sei es ratsam, die Gelder „stärker bedarfsorientiert, nicht-zweckgebunden, mehrjährig und rechtzeitig“ zur Verfügung zu stellen.


Link
Angenendt, S. et al., 2019: Mehr Flüchtlinge, unzureichende Finanzmittel.
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2019S16_adt_EtAl.pdf