Getränkewirtschaft

Ein asiatisches Bier erobert die Welt

Die Firma San Miguel ist in den Philippinen eine Institution, die schon länger existiert als die Republik selbst. Ihr ältestes Produkt ist ein Pils, das heute von Millionen Menschen in den Philippinen und weltweit getrunken wird. Im 20. Jahrhundert expandierte San Miguel in verwandte Geschäftszweige und vor einigen Jahren dann in Branchen, die nichts mit der Getränkewirtschaft zu tun haben. Allerdings ist der traditionsreiche Konzern nach wie vor in der Hand eines Mannes, der mit einem früheren Diktator verbandelt war.
Ein Arbeiter zwischen Bierkästen in Manila. picture-alliance/dpa Ein Arbeiter zwischen Bierkästen in Manila.

1890, als die Philippinen noch eine spanische Kolonie waren, eröffnete der Geschäftsmann Enrique Barretto mit königlicher Erlaubnis eine Brauerei in Manila. Er nannte sie „La Fabrica de Cerveza de San Miguel“ (San Miguel Brauerei) nach dem Bezirk der Hauptstadt, in dem sie lag. Dann beauftragte er einen deutschen Braumeister damit, ein Pils zu entwickeln. Bei einer Verköstigung des neuen Bieres nahm ein Vertreter der Stadt dessen Erfolg vorweg: „Möge jedes Mal, wenn der Bierhahn aufgedreht wird, das Gold fließen“, sagte er.

Und so geschah es. Im ersten Jahr produzierte die Brauerei noch weniger als 60 000 Liter, wuchs dann aber rasch: Der Markt konnte nicht genug von dem hellen Pils bekommen. Das Land erlebte eine Revolution, den Zusammenbruch der spanischen Herrschaft, den Einmarsch und die Machtübernahme der Amerikaner – und San Miguel wuchs weiter. Das Bier kam so gut an, dass es bereits 1914 nach Hongkong, Shanghai und Guam exportiert wurde.

Der Zweite Weltkrieg unterbrach diesen Siegeszug. Die einfallenden Japaner beschlagnahmten die Brauerei und benannten sie in „Balintawak Beer Brewery“ um. Nach dem Krieg erhielt San Miguel dann wieder seinen ursprünglichen Namen, baute seine Marktführerschaft in den Philippinen aus und streckte seine Fühler nach weiteren Märkten aus.

In einer Zeit, als Produkte aus dem industrialisierten Westen auf die Märkte von Entwicklungsländern strömten, schwamm San Miguel gegen den Strom: 1948 eröffnete die Firma eine Brauerei in Hongkong. Wenige Jahre später lockte ihr Erfolg zwei spanische Geschäftsleute nach Manila. Das Ergebnis war die sogenannte Manila-Vereinbarung, mit der San Miguel der spanischen Firma La Segarra die Lizenz ausstellte, das Bier und die gleichnamige Marke nach Spanien zu bringen.

San Miguel selbst breitete sich peu à peu in Asien aus: Das Unternehmen eröffnete Brauereien in China, Vietnam, Thailand und Indonesien. Inzwischen exportiert es sein Bier in 40 Länder weltweit einschließlich Europa. Der unabhängige spanische Lizenzinhaber, der heute Mahou San Miguel heißt, verwendet weiterhin den Markennamen und ein Logo, das dem Original ähnelt. Folglich sind in Europa zwei unterschiedliche Biere unter demselben Namen auf dem Markt. Dabei gleicht das spanische San Miguel dem philippinischen in keiner Weise – letzteres soll wesentlich besser schmecken. Interessanterweise haben die beiden Brauereien im vergangenen Jahr eine Kooperationsvereinigung unterschrieben, um „die Marke zu vereinen“. Wie das geschehen soll, wurde nicht bekannt gegeben.

In den Philippinen dominiert San Miguel weiterhin den Biermarkt: 2012 betrug sein Anteil 90 Prozent. Wer in dem Inselstaat ein Bier bestellt, bekommt automatisch ein San Miguel. Aber der Name steht inzwischen für weit mehr. Die San Miguel Corporation (SMC), wie sie heute heißt, ist ein riesiger Konzern. Sein Umsatz lag 2013 bei 17,6 Milliarden Dollar, die Unternehmenswerte beliefen sich auf 27,5 Milliarden Dollar. Damit ist SMC das größte Unternehmen der Philippinen und rangiert auf der Forbes-Liste der 2 000 größten börsennotierten Unternehmen der Welt.

 

Expansionsstrategie

Im 20. Jahrhundert expandierte San Miguel in verwandte Geschäftszweige und kaufte Firmen, die Softdrinks, Eis, alkoholische Getränke, Fleisch, Mehl und Verpackungen herstellten. Dadurch wurde er zum größten Konzern Südostasiens im Bereich Nahrungsmittel, Getränke und Verpackung. Im 21. Jahrhundert wurde ihm dann ausgerechnet seine Stärke zum Verhängnis: Wenn man auf dem philippinischen Biermarkt quasi Monopolist ist, wie kann man dann noch wachsen? Die Anzahl der Biertrinker hat natürliche Grenzen.

SMCs Antwort bestand darin, in andere Branchen zu expandieren. 2008 kamen Bergbau, Banken, Rohstoffe, Energieversorgung, Infrastruktur und zeitweise sogar die Luftfahrt hinzu. Derzeit hat San Miguel den Bereich Telekommunikation im Visier. Nach Angaben von Jonathan Ravelas, einem Analysten der größten philippinischen Bank, BDO Unibank, landet rund die Hälfte jedes Pesos, den ein Philippiner ausgibt, direkt oder indirekt in den Taschen von San Miguel.

San-Miguel-Chef Ramon Ang strebt an, dass die Firma in wenigen Jahren nur noch 20 Prozent ihres Umsatzes mit Nahrungsmitteln macht. Wenn seine Pläne aufgehen, kommt das meiste Geld dann aus den Bereichen Energie, Kraftstoffe und Infrastruktur – die weit entfernt sind von Bier, Softdrinks und Eis.

 

Zweifelhaftes Erbe

Angs Präsenz im Unternehmen ist das Symptom eines dunklen Kapitels der Firmengeschichte. Als Ferdinand Marcos 1972 die Macht in den Philippinen übernahm, versprach er, die Gesellschaft zu reformieren und die Oligarchie zu entmachten, die das Land ausbeutete. Stattdessen installierte er einen neuen Machtapparat, der aus ihm selbst, seinen Verwandten und seinen Vasallen bestand. Sie plünderten die Staatskasse und teilten die Wirtschaft untereinander auf, indem sie Marcos diktatorische Gewalt nutzten, um strategische Branchen sowie einzelne Unternehmen an sich zu reißen. Der Marcos-Verbündete Eduardo Cojuangco Jr. nutzte 1983 Milliarden von Pesos aus einer Zwangssteuer für Kokosbauern, um sich die Kontrolle über SMC zu erkaufen. Er setzte sich selbst als Aufsichtsratsvorsitzenden ein. Seine Amtszeit endete1986 jedoch abrupt, als er zusammen mit Marcos im Zuge eines gewaltlosen Volksaufstands aus dem Land gejagt wurde.

Die Regierung von Präsidentin Corazon Aquino zerschlug Marcos System der Vetternwirtschaft und beschlagnahmte dabei Cojuangcos Anteile im Wert von mehr als 1,2 Milliarden Dollar, was 47,9 Prozent der Unternehmensanteile entsprach. Mithilfe diverser zweifelhafter Manöver, die durch gute Verbindungen zu den Regierungen unter Joseph Estrada und Gloria Arroyo möglich wurden, schaffte es Cojuangco nicht nur, wieder bei SMC einzusteigen, sondern sogar den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden zurückzuerobern. Ang ist seine rechte Hand. Vielleicht ist es diese dunkle Vergangenheit, die den Economist 1990 dazu veranlasste, SMC als Beispiel dafür anzuführen, was in der philippinischen Wirtschaft falsch läuft.

 

Alan Robles ist freier Journalist in Manila.
editor@hotmanila.ph

 

Link:
San Miguel Corporation:
http://www.sanmiguel.com.ph/

 

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