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Befreiungsbewegung

Tausende fliehen jeden Monat

Bewaffnete Aufständische, die einen Bürgerkrieg gewonnen haben, bauen gern selbst autoritäre Regime auf – Eritrea ist ein trauriges Beispiel dafür. Nach wie vor ist das Denken, geprägt durch den Konflikt, militärisch.
Flüchtlinge aus Eritrea demonstrieren vor dem AU-Büro in Addis Abeba und fordern, dass Präsident Isayas Afewerki sich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortet. Minasse Wondimu Hailu/picture-alliance/AA Flüchtlinge aus Eritrea demonstrieren vor dem AU-Büro in Addis Abeba und fordern, dass Präsident Isayas Afewerki sich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortet.

Seit die Befreiungskräfte vor 26 Jahren die Unabhängigkeit erreichten, ist Eritrea ein Einparteienstaat. Eine Präsidentschaftswahl hat es nie gegeben. Alle Gouverneure, Bürgermeister und anderen politischen Führer sind Mitglieder des Militärs und der Partei. Das Regime setzt auf Gewalt und ein immenses Spionage-Netzwerk und zahlt im In- und Ausland für die Überwachung von Dissidenten – und von jedem, der einer sein könnte.

Die internationale Nichtregierungsorganisation (NRO) Human Rights Watch berichtet: „Eritreer laufen Gefahr, willkürlich festgenommen und harten Haftbedingungen ausgesetzt zu werden. In Eritrea gab es seit 2001 keine nationalen Wahlen, keine Legislative, keine unabhängigen Medien und keine unabhängigen NROs. Die Religionsfreiheit ist stark eingeschränkt.“

1993 erlangte Eritrea nach 30 Jahren gewalttätiger Konflikte (siehe Kasten) die Unabhängigkeit von Äthiopien. Bis 1942 war Eritrea eine italienische Kolonie; nachdem die italienischen Streitkräfte im 2. Weltkrieg geschlagen wurden, regierten die Briten das Land. 1952 wurde es von Äthiopien – offiziell als Teil einer von den UN sanktionierten Föderation – annektiert. Äthiopische Regierungen, ob unter Kaiser Haile Selassie oder später dem kommunistischen Diktator Mengistu Haile Mariam, unterdrückten die Unabhängigkeitsbewegung mit allen Mitteln.

1991 wurde Mengistu gestürzt. Damals war Isayas Afewerki, der Anführer der Eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF), ein Verbündeter von Meles Zenawi, dem Anführer der Revolutionären Demokratischen Front der Äthiopischen Völker – eines Zusammenschlusses von Rebellenbewegungen verschiedener Regionen, die die Idee einer eritreischen Souveränität akzeptierten. 1993 wurde Eritrea ein souveräner Staat. Afewerki wurde Präsident und die EPLF zur Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit (PFDJ), der einzigen politischen Partei der Nation.

Meles wurde Premierminister von Äthiopien. Er und Afewerki überwarfen sich, es kam in den späten 1990er Jahren zu einem brutalen Grenzkrieg, bei dem auf beiden Seiten Tausende von Soldaten starben. Der Krieg kostete beide Länder schätzungsweise etwa eine Million Dollar pro Tag. Natürlich minderte das Blutvergießen die Armut nicht; aber durch Propaganda konnten die Regierungen ihre Macht im Inland stärken.

Afewerki gab an, der Befreiungskrieg habe 65 000 Eritreer das Leben gekostet. Weitere 16 000 Menschen seien in den späten 1990er Jahren im Grenzkonflikt gestorben. Internationale Beobachter glauben, dass es in beiden Konflikten weit mehr eritreische Opfer gab.

Unter Afewerki wurde eine Verfassung erarbeitet, aber nie umgesetzt. Sein Regime führt das Land wie eine Armee. Das Denken der Kommandeure ist vom Krieg geprägt. Den Anführern geht es inzwischen gut, doch ihre Truppen leben nach wie vor in Armut.

1994 führte die Afewerki-Regierung einen obligatorischen Wehrdienst ein. Jedes Jahr werden 10 000 bis 25 000 Schüler rekrutiert und in Sawa, einem Ausbildungslager der Armee, militärisch geschult. Alle Jugendlichen verbringen hier ihr 12. Schuljahr. Der Einsatz ist zeitlich unbefristet, und die Frauen und Männer wissen nicht, wie lange sie dienen müssen – manche kommen nicht vor ihrem 50. Geburtstag raus. Human Rights Watch schätzt, dass „mehrere tausend Menschen“ pro Monat aus Eritrea fliehen, um dem Wehrdienst zu entkommen.

Die ursprüngliche Idee war, durch den Dienst billige Arbeitskräfte für den Aufbau der Infrastruktur des Landes zu gewinnen. Straßenbau gehört zu den Pflichten der Rekruten. Es ist aber seit langem klar, dass der Dienst in Wirklichkeit die militärische Ideologie des Regimes widerspiegelt. Viele Eritreer halten den Wehrdienst für ein Mittel, um die derzeitige Führung zu schützen.

Das Regime duldet auch innerhalb der eigenen Reihen keine Kritik. Nach der Jahrtausendwende drückte eine Gruppe von 15 politisch aktiven EPLF-Mitgliedern ihren Frust über die Entwicklung des Landes aus und forderte freie Wahlen. Von den sogenannten „G15“ sitzen elf noch im Gefängnis, drei sind in die USA geflohen, und einer zeigte Reue und kehrte in die Reihen des Regimes zurück.

Die Freiheitskämpfer erlangten die Unabhängigkeit einst dank ihrer Entschlossenheit, Einheit und ihres Patriotismus. Dieser Geist ist längst verflogen, und die Regierung hat ihre Glaubwürdigkeit verloren. Dem heutigen Militär Eritreas gehören ehemalige Freiheitskämpfer und Auszubildende aus dem Sawa-Lager an. Wegen der demografischen Entwicklung bilden die Jugendlichen die Mehrheit. Das Militär hat keine klare Ideologie mehr, es will einfach nur an der Macht bleiben. Seine jugendlichen Mitglieder sehen keine Perspektive für die Zukunft.

In den Augen der meisten Eritreer hat das gegenwärtige diktatorische Regime den Freiheitssieg „geraubt“. Ehemalige Freiheitskämpfer fühlen sich von der Regierung verraten; diese erkennt nicht an, welche Opfer sie gebracht haben, und lässt sie in Armut leiden.

Leider sieht es im benachbarten Äthiopien nicht viel besser aus: Die Menschenrechtslage ist düster, die Wahlen sind ein Witz. 2015 gewann die regierende Partei jeden einzelnen Sitz im äthiopischen Parlament. Die Rebellenbewegungen, die Mengistu stürzten, haben die Menschen leider nicht befreit, sondern einfach ihre Spitzenpolitiker an die Macht gebracht.


Diglel Fadi ist das Pseudonym eines eritreischen Flüchtlings, der aus oben beschriebenen Gründen anonym bleiben möchte. Die Redaktion von D+C/E+Z steht mit ihm in Kontakt.
euz.editor@fazit-communication.de

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