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Machtkampf

Dialog macht Hoffnung auf Entspannung in Côte d’Ivoire

Alassane Ouattara hat die von Gewalt überschattete Präsidentschaftswahl in Côte d’Ivoire haushoch gewonnen. Die Opposition hält eine dritte Amtszeit des amtierenden Staatschefs für illegitim und hatte zum Boykott der Abstimmung aufgerufen. Das Ergebnis erkennt sie nicht an. Mittlerweile machen Gespräche zwischen Ouattara und Oppositionschef Henri Konan Bédié Hoffnung auf eine Entspannung der Lage. Der Kampf für Demokratie geht weiter.
Stimmauszählung in Abidjan. Diomande Ble Blonde/picture-alliance/AP Photo Stimmauszählung in Abidjan.

Präsident Ouattara verkündete am 6. August dieses Jahres überraschend, doch bei der Wahl am 31. Oktober zu kandidieren. Im März hatte er noch vor dem Parlament erklärt, das Feld einer „neuen Generation“ überlassen zu wollen.

Doch der plötzliche Tod von Premierminister Amadou Gon Coulibaly am 8. Juli änderte die Lage. Coulibaly sollte für die Regierungspartei Rassemblement des Houphouëtistes pour la Démocratie et la Paix (RHDP) ins Rennen um die Präsidentschaft gehen. Ouattara sah es nun als seine „Bürgerpflicht“ an, an dessen Stelle zu treten.

Der 78-Jährige hat bereits zwei Amtszeiten hinter sich: Er wurde 2010 gewählt und 2015 wiedergewählt. Mehr Amtszeiten lässt die Verfassung nicht zu, weshalb die Opposition Ouattaras Kandidatur für unrechtmäßig hielt. Die Machthaber berufen sich hingegen darauf, dass die Verfassung 2016 geändert wurde, was eine neue Zählung der Amtszeiten nach sich gezogen habe.

Der Verfassungsrat, die letzte Instanz der Wahlgesetzgebung, ließ Ouattaras Kandidatur zu. Auch Oppositionschef Henri Konan Bédié und zwei weitere Kandidaten durften antreten. Ex-Präsident Laurent Gbagbo und Ex-Premierminister Guillome Soro, die beide im Exil in Europa sind, wurden hingegen nicht zugelassen. Der Internationale Strafgerichtshof hat Gbagbo wegen der Gewalt nach den Wahlen von 2010 vor Gericht gestellt, ihn aber im vergangenen Jahr freigesprochen. Soro wurde von einem Gericht in Abidjan wegen Veruntreuung und Geldwäsche zu 20 Jahren Haft verurteilt.  Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte argumentierte jedoch, dass die Bürgerrechte beider Männer in Côte d’Ivoire wiederhergestellt werden müssen – die ivorischen Behörden haben dieses Urteil aber bisher ignoriert.


Die Tragödie von 2010

Im Jahr 2010 erkannte Gbagbo den offensichtlichen Wahlerfolg Ouattaras nicht an und blieb mit Hilfe der Sicherheitskräfte an der Macht. Etwa 3000 Menschen starben bei Zusammenstößen. Erst nach dem Eingreifen des französischen Militärs konnte Ouattara, der früher für den Internationalen Währungsfonds gearbeitet hat, sein Amt antreten. Westliche Regierungen halten ihn für einen reformorientierten Politiker, aber Kritikern zufolge hätten sie deutlich machen müssen, dass eine dritte Amtszeit als Präsident inakzeptabel ist. 

Vor diesem Hintergrund rief die Opposition unter der Führung des 86-jährigen Bédié, der von 1993 bis 1999 an der Staatsspitze stand, ab dem Sommer zu zivilem Ungehorsam auf. Sie forderte, dass Ouattara nicht erneut zur Präsidentschaftswahl antritt und dass die Wahlkommission und der Verfassungsrat reformiert werden. Beide stehen nach Ansicht der Opposition unter dem Einfluss der Regierung.


85 Tote

Viele Anhänger folgten dem Boykott-Aufruf. Zudem kam es zu Gewalt im Umfeld der Wahl: 85 Tote und 225 Verletzte sind die von offizieller Seite veröffentlichte Bilanz. Zum Teil spiegelte die Gewalt ethnische Spaltungen wider, die den Bürgerkrieg in den ersten Jahren des Jahrtausends hervorgerufen hatten. Wie in vielen Ländern der Sahelregion gibt es Konflikte zwischen dem vergleichsweise armen und überwiegend muslimischen Norden und dem wohlhabenderen und überwiegend christlichen Süden. Zuwanderung aus armen Nachbarländern hat die Spannungen noch verschärft.

Teilnehmer des Wahlboykotts sagen, von ihnen sei keine Gewalt ausgegangen. Dafür seien andere verantwortlich. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Polizei bei der Auflösung von Demonstrationen Unterstützung von gewalttätigen jungen Männern erhalten.

Nur 53 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Abstimmung am 31. Oktober teil, 94 Prozent von ihnen stimmten für Ouattara. Internationale Beobachter erklärten, dass die politische Situation und die Sicherheitslage einer fairen und glaubwürdigen Präsidentschaftswahl nicht zuträglich gewesen seien.

Zwei Tage später verkündete die Opposition die Einsetzung eines nationalen Übergangsrats unter Bédiés Leitung, um die Voraussetzungen für die Organisation einer neuen, transparenten und inklusiven Präsidentschaftswahl zu schaffen. Die Machthaber sahen darin einen Angriff auf die Autorität des Staats und ließen mehrere Verantwortliche aus den Reihen der Opposition verhaften. Tausende Menschen flüchteten aus dem Land.


Gegner im Gespräch

Diese sehr angespannte Situation schien  sich aber allmählich zu entschärfen. Ouattara und Bédié trafen sich am 11. November im Golfhotel von Abidjan und brachen die Mauer des Schweigens. Das machte vielen Menschen Hoffnung. Wenige Tage später erklärte Bédié allerdings, er werde die Gespräche nicht fortsetzen, solange die Verhafteten nicht freigelassen würden und die Geflüchteten nicht in Sicherheit zurückkehren könnten. Die Lage war schwierig – aber nicht so verzweifelt wie während des Aufstands von 2002 oder nach den Wahlen von 2010.

Mitte Dezember legte Ouattara dann abermals den Amtseid ab. Zu seinem Kabinett gehört nun ein prominenter Oppositioneller als Minister für Versöhnung. Andere wichtige Oppositionelle bestreiten dennoch weiterhin die Rechtmäßigkeit von Outtaras dritter Amtszeit.

Ouattara und Bédié sind alte Bekannte. Es ist schwer zu beurteilen, ob das in der aktuellen Lage hilft oder nicht. Nach dem Tod des Anführers der Unabhängigkeitsbewegung Félix Houphouët-Boigny 1993 haben sie sich jahrzehntelang um die Macht gestritten. Beide begannen ihre politische Karriere in Houphouët-Boignys Gefolgschaft und reklamierten später die Nachfolge für sich. Andererseits bildeten sie 2005 zusammen die Parteienkoalition RHDP (Rassemblement des Houphouëtistes pour la démocratie et la paix) und wandelten sie 2019 in eine einzelne Partei um. Ihr Kandidat war 2020 Ouattara.


Anderson Diédri ist Journalist in Abidjan.
diedrimanfeianderson@yahoo.fr

 

Aktualisierung: Am 22. Dezember wurde der letzte Abschnitt (unter der Zwischenzeile "Gegner im Gespräch" dieses Beitrags auf den neusten Stand gebracht.