Strategische Ausrichtung
Die Wirtschaft als Partner
Von Hans-Jürgen Beerfeltz
Haben Sie’s gewusst? Keinen einzigen Tag lang hieß das BMZ „Entwicklungshilfeministerium“. Walter Scheel gründete das Haus 1961 als „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit“, und in den 1990er-Jahren entstand durch den Zusatz „und Entwicklung“ einer der längsten Namen eines Ministeriums überhaupt. Aber ich finde: Der Name trifft die Herausforderung genau, und wir erfüllen ihn seit dem Regierungswechsel 2009 mit neuem Leben.
Dabei kommt es mir vor allem darauf an, viele Entwickler zum Engagement zu ermutigen. Denn klar ist: Der Staat allein wird die riesigen Herausforderungen nicht bewältigen können, vor denen wir stehen. Armut, Klimawandel, Ressourcenschutz, Biodiversität, Gesundheits- und Energieversorgung, Bildungsarmut – das sind nur ein paar der weltweiten „Baustellen“, an denen wir arbeiten. Wir brauchen also starke Partner.
Wer Partner will, muss auch direkt mit ihnen arbeiten. Zu unseren Partnern gehören natürlich die Regierungen unserer Partnerländer. Deshalb wollen wir künftig mehr direkt, also bilateral, umsetzen mit stärkerem Vorrang für die direkte Kooperation mit den Menschen in unseren Partnerländern!
Zu den engsten Partnern des BMZ gehören auch die vielen großen und kleinen Vereine, Freundeskreise, Nichtregierungsorganisationen, die Kirchen, die politischen Stiftungen – sie alle sind entscheidende Entwicklungsakteure, die wir als Regierung brauchen. Wir wollen sie mit der neuen „Servicestelle für zivilgesellschaftliches und kommunales Engagement“, die nächstes Jahr an den Start gehen wird, noch stärker unterstützen und bei ihrem Engagement begleiten. Das BMZ ist für mich eben nicht nur Regierungszentrale, sondern vor allem auch „BürgerMitmachZentrale“!
Besonders großen Einfluss auf den Prozess der Globalisierung haben private Unternehmen. Ihr Engagement und ihre Kreativität wirken auch in Bereichen, in denen der Staat aus politischen, ökonomischen oder logistischen Gründen kaum Einfluss nehmen kann. Sie sind deshalb ganz unausweichlich wichtige Partner einer gelungenen Entwicklungszusammenarbeit. Wir brauchen privates Kapital und das Know-how der Wirtschaft, um Arbeitsplätze und Einkommen in unseren Partnerländern zu schaffen, umwelt- und klimafreundliche Technologien einzuführen oder Ausbildungsplätze bereitzustellen. Daher wollen wir Unternehmen stärker in die Entwicklungspolitik einbinden und dafür gewinnen, am Erreichen unserer entwicklungspolitischen Ziele mitzuwirken.
Dabei will ich gar nicht verhehlen: Auch die frühere Leitung des BMZ hat mit der Wirtschaft zusammengearbeitet. Aber sie hat Angebote an die Wirtschaft eher als „Bückware“ gemacht, mit der man sich nicht erwischen lassen will. Ich glaube hingegen: Eine engere Kooperation mit der Privatwirtschaft – und mithin auch eine bessere Verzahnung von Außenwirtschaft und Entwicklungspolitik – ist entscheidend für Entwicklung!
Unternehmerisches Engagement schafft Arbeitsplätze, Einkommen, Perspektiven. Es ist direkte Armutsbekämpfung. Deshalb ist es entwicklungspolitisch unverzichtbar, mehr Unternehmen für Engagement in Entwicklungs- und Schwellenländern zu gewinnen. Wir machen viele Angebote an die Privatwirtschaft, sich mit uns zu vernetzen und zu engagieren: Im Programm develoPPP.de für Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft vereinen wir unsere Stärken mit denen der Wirtschaft und setzen gemeinsam entwicklungspolitisch sinnvolle Projekte um. Schnittmengen finden sich im Energiesektor, in der Versicherungswirtschaft, im Abfall- und Wassermanagement und in vielen weiteren Branchen. Es geht um Produktzertifizierung, Ausbildungsprogramme oder Ressourcenmanagement – um wenige Beispiele zu nennen. Die Flexibilität des Programms ermöglicht es, dass zu unseren Partnern zahlreiche DAX-30-Unternehmen genauso zählen wie der mittelständische Medizintechniker oder der Lebensmittelhändler.
Wir wollen Unternehmen aber auch zu verstärkten direkten Investitionen in unseren Partnerländern motivieren. Ein Instrument sind dabei die Unternehmenskredite der DEG. Wir schließen dabei die bisherige „Mittelstandslücke“, die Finanzierungen für mittelständische Unternehmen unattraktiv gemacht hat, und bieten diese Dienstleistung gerade auch dem Mittelstand an. Zum Beispiel wird die Mitfinanzierung von Machbarkeitsstudien durch die DEG-Unternehmen den Schritt zu einer Investition wesentlich erleichtern können.
Informationen und Netzwerke zählen – deshalb haben wir eine Informationsoffensive gestartet und sind zu einer „Roadshow“ bei den Industrie- und Handelskammern aufgebrochen, bei der wir unsere Initiativen vorstellen und vor allem mittelständische Unternehmen erreichen. Über den Bereich CIM der GIZ entsenden wir zudem Berater in unsere Außenhandelskammern in Entwicklungs- und Schwellenländern, um Unternehmen vor Ort entwicklungspolitische Expertise leichter zugänglich zu machen. Und in Deutschland bilden sogenannte „Entwicklungsscouts“ in Wirtschaftsverbänden und Kammern eine Anlaufstelle für entwicklungspolitische Fragestellungen. Sie bieten Unternehmen Orientierung in der vielseitigen Kooperationslandschaft der EZ und sind fachkundige Berater mit wirtschaftlichem und entwicklungspolitischem Know-how.
Bessere Lebensverhältnisse
Deutsche Entwicklungspolitik zielt darauf ab, die Lebensbedingungen der Menschen in unseren Partnerländern zu verbessern. Entwicklungspolitik leistet einen Beitrag dazu, politische, rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen in unseren Partnerländern zu verbessern. Damit reduzieren sich durch unser Engagement aber auch die Marktrisiken von Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern: effizientere staatliche Institutionen, internationale Standards, Rechtssicherheit, Infrastruktur, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, das alles senkt die Transaktionskosten und sichert den Erfolg von Investitionen auch mittel- und langfristig ab. An diesem Beispiel wird ganz deutlich: Dirk Niebel trägt keinen Sack Geld der Wirtschaft hinterher, wir wollen im Gegenteil mehr Mittel der Wirtschaft für Entwicklung mobilisieren – und das zahlt sich eben auch für die Wirtschaft aus!
Übrigens: Wenn es uns gelingt, die Wirtschaft enger einzubeziehen, und wenn wir zudem stärker Marktmittel in der Finanziellen Zusammenarbeit mit weiter entwickelten Ländern einsetzen, dann sparen wir Haushaltsmittel ein, die wir an anderer Stelle – nämlich für die ärmsten Länder – einsetzen können.
Ich bin überzeugt davon, dass die Entwicklungspolitik für die Wirtschaft ein attraktiver Partner ist. Als Begleiter von politischen und wirtschaftlichen Modernisierungs- und Transformationsprozessen verfügen das BMZ und unsere Durchführungsorganisationen über jahrzehntelange Erfahrung in Entwicklungs- und Schwellenländern. Unsere langjährige Präsenz vor Ort garantiert Vernetzung und das Vertrauen der Partner vor Ort. Diese Kompetenzen helfen auch den Unternehmen, zum Beispiel, wenn es darum geht, Markteintrittsrisiken zu minimieren. Sie machen also Investitionen in vielversprechende, aber herausfordernde Märkte attraktiver.
Und: Unsere Partnerländer erhalten einen echten Mehrwert, wenn wir die Wirtschaft in unsere Entwicklungspolitik eng miteinbeziehen. Denn wir kooperieren zum Nutzen aller Beteiligten: für die Menschen in unseren Partnerländern, die Jobs schaffen, mit denen sie sich selbst aus der Armut befreien können, für die deutsche Wirtschaft, die sich in herausforderndem Umfeld leichter engagieren kann – und nicht zuletzt für den deutschen Steuer-Euro, den wir wirksamer einsetzen. Mit diesem Triple-Win füllen wir den rechtmäßigen Namen des BMZ wieder mit Leben: Entwicklung – auch und gerade durch wirtschaftliche Zusammenarbeit!