Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Gender

„Es wächst eigentlich genug“

Nach Bürgerkriegen ist die alte Ordnung zerstört und die neue noch nicht etabliert. In Burundi und anderswo haben es besonders Frauen schwer, ihre Interessen zu vertreten, wie Anthea Bethge vom christlichen Friedensdienst EIRENE Hans Dembowski erläutert hat.
Großes Misstrauen erschwert kollektives Handeln: burundische Bäuerinnen. Böthling/Photography Großes Misstrauen erschwert kollektives Handeln: burundische Bäuerinnen.

Was sind die typischen Probleme von Frauen in Postkonfliktländern?

Das Charakteristikum von Postkonfliktländern ist der Übergang vom Recht des Stärkeren zu staatlichem Gewaltmonopol mit Rechtssicherheit. Während dieses Übergangs nimmt für die Frauen die Bedrohung gar nicht ab. Früher war es so, dass der Ehemann sie schützte oder zumindest schützen sollte, doch jetzt sind viele Männer tot, und viele andere sind traumatisiert. Die überlebenden Kämpfer sind frustriert, haben kein Einkommen und stellen Forderungen – auch in der Familie. Die häusliche Gewalt nimmt in Postkonfliktländern fast immer zu. Andererseits sind die Besitzverhältnisse, was beispielsweise Land angeht, oft unklar, und Frauen haben selten Kontakt zu schützenden Bünden, die Kameraden im Krieg aufgebaut haben. Die Frauen haben zwar besondere Kompetenz erworben und gezeigt, das Leben unter schwierigsten Umständen aufrecht zu erhalten und die Kinder zu versorgen, aber das wird nicht wertgeschätzt.  

Warum nicht?

Das große Thema im gesellschaftlichen Diskurs ist, wie die Mitglieder der alten Konfliktparteien miteinander umgehen und die Macht teilen, in Burundi zum Beispiel die Parteien der Hutu und Tutsi. Witwenrechte werden dagegen kaum diskutiert. Dafür haben die Männer ja auch nicht gekämpft. Die Leistungen der Frauen werden als selbstverständlich betrachtet.

Was kann eine Organisation wie Ihre tun, um daran etwas zu ändern?

Es gibt viele Ansatzpunkt, und meiner Erfahrung in diversen Ländern nach sind die folgenden drei besonders wichtig:

  • Unsere Partnerorganisationen und wir müssen Frauen auf Führungspositionen vorbereiten. Es geht dabei zum Beispiel darum, in kleinem Kreis Wahlkampfreden zu üben. Das ist wichtig, weil es kaum akzeptierte weibliche Vorbilder gibt. Frauen müssen lernen, vor Männern zu sprechen, sich gut zu artikulieren und sich für ihre Interessen auch gegen Männer einzusetzen.
  • Es ist wichtig, informelle, semiformelle und formale Konfliktschlichtungsmechanismen zu stärken. Staatliche Institutionen funktionieren häufig noch nicht richtig, oder es fehlt noch das Vertrauen der Witwen in Polizei und Justiz. Doch es ist für  bedrohte Frauen sehr wichtig zu erfahren, dass und wie sie zu ihrem Recht kommen können. Zugleich müssen Täter-Opfer-Stereotype überwunden werden.
  • Männer und Frauen müssen für die Herausforderungen ländlicher Entwicklung in einem umfassenden Sinn gewonnen werden. Nötig sind gemeinschaftliche Ansätze, um Ernährungssicherheit, Bildung, Gesundheitsversorgung, Saatgutbanken und so weiter anzupacken. Die zentrale Herausforderung dabei ist, dass großes Misstrauen das kollektive Handeln erschwert. Burundi ist ein sehr fruchtbares Land. Dennoch steht es auf dem Hungerindex ganz oben. Das müsste nicht so sein, es wächst eigentlich genug.

Die Bürgerkriege in Burundi und Ruanda hatten aber doch damit zu tun, dass die gewohnte Agrarpraxis nicht mehr ausreichte, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Taugen die alten Agrartraditionen noch?

Häufig rechtfertigen Konfliktparteien Gewaltakte mit knappen Ressourcen. Das ist aber keine naturgegebene  Bürgerkriegsursache, sondern könnte ebenso als Motiv für wirtschaftliche Entwicklung dienen. Das hängt vom politischen Willen ab, und der war seit Jahrzehnten auf Feindseligkeit gepolt. In Burundi ist es in der Tat unmöglich, einfach die alten Agrartraditionen aufzunehmen – nicht zuletzt, weil  noch oft unklar ist, wem das Land eigentlich gehört. Viele Flüchtlinge sind zurückgekehrt, aber heute beackert jemand anders ihre Felder. Auch funktioniert das herkömmliche Modell, mit den eigenen Erträgen die Familie zu ernähren und dann noch etwa zehn Prozent zu verkaufen, nicht mehr. Es sind neue Konzepte der Verarbeitung und Vermarktung nötig. Sie sind auch möglich. Das Gute an der relativ großen Bevölkerungsdichte ist nämlich, dass es möglich ist, Infrastruktur und Dienstleistungen im ausreichenden Maße bereitzustellen. In Ruanda funktioniert das alles ja auch recht gut.

Was ist dort anders als in Burundi?

In Ruanda gab es einen eindeutigen Sieger. Präsident Paul Kagame setzt sich autoritär, aber ohne Korruption für die Entwicklung des Landes ein. Dort wird auch die Frauenquote von 30 Prozent im Parlament eingehalten. Kagames Regierung hat sicherlich Schattenseiten, zum Beispiel mit Blick auf die militärischen Verstrickungen in der Demokratischen Republik Kongo. In Ruanda selbst hat sie aber funktionierende rechtsstaatliche Strukturen aufgebaut und wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht.

 

Anthea Bethge ist die Geschäftsführerin des internationalen christlichen Friedensdienstes EIRENE.
bethge@eirene.org

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