Hausarbeit

Geschlechterungleichheit

Bei Armen ist das Wasserholen normalerweise die Aufgabe von Frauen und Mädchen, weil Frauen tendenziell weniger Geld verdienen als Männer. Ihre Zeit gilt als weniger wertvoll, und Familien investieren weniger in die Ausbildung von Mädchen. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden.
Eine Frau in Harare, der Hauptstadt Simbabwes, bringt Wasser nach Hause. Tsvangirayi Mukwazhi/picture-alliance/AP Photo Eine Frau in Harare, der Hauptstadt Simbabwes, bringt Wasser nach Hause.

Die UN definieren „Wassersicherheit“ als die Fähigkeit von Menschen, zuverlässigen Zugang zu angemessenen Mengen Wasser von akzeptabler Qualität für verschiedene Zwecke zu sichern. Vielerorts sorgen öffentliche Versorgungsunternehmen, kommerzielle Anbieter und formelle Kooperativen für die Wassersicherheit. In armen, traditionell geprägten Gemeinschaften müssen Haushalte sich aber häufig selbst darum kümmern. Meist übernehmen Frauen und Mädchen diese Aufgabe – neben Pflichten wie Kochen, Kranken- und Kinderpflege (siehe auch Dagmar Wolf in E+Z/D+C e-Paper 2020/04, Monitor).

Das Wasserholen gehört zu mehreren zeitaufwändigen, nicht einkommensschaffenden Tätigkeiten, die das Überleben einer Familie sichern. Weibliche Haushaltsmitglieder müssen Wasserzapfstellen finden, lange Wege dorthin zurücklegen und schwere Eimer zurücktragen. Das Wasser wird zum Trinken, Kochen und für Hygienezwecke verwendet. Die Abwasserentsorgung ist oft schwierig.

Ungeachtet spezifischer sozioökonomischer, kultureller und politischer Hintergründe weisen Traditionen auf der ganzen Welt Frauen und Mädchen die Verantwortung für Wasser zu. Daher sind nach UN-Angaben 80 Prozent aller Haushalte ohne eigene Wasserversorgung von der Arbeit von Frauen und Mädchen abhängig. Schätzungen zufolge verbringen Frauen insgesamt 200 Millionen Stunden pro Tag mit dem Wasserholen.

Diese unfaire Arbeitsteilung besteht an vielen Orten fort, da Frauen in der Regel weniger Beschäftigungsmöglichkeiten haben. Zudem werden sie für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt als Männer. Wegen des sozioökonomischen Ungleichgewichts gilt die Zeit von Frauen als weniger wertvoll als die von Männern. Da Haushalte rationale Entscheidungseinheiten sind, verteilen sie ihre verfügbaren Ressourcen, einschließlich der Zeit ihrer Mitglieder, nutzenmaximierend.

Das Finden und Holen von Wasser ist eine zeitaufwändige Aufgabe, die kein Einkommen schafft. Diese Arbeit wird daher von denen geleistet, deren Zeit den geringsten Wert hat – den Frauen. Auch werden Mädchen statt Jungen zum Wasserholen geschickt. Grund dafür ist, dass die erwarteten finanziellen Erträge aus ihrem Schulbesuch geringer sind. Tatsächlich sind sie oft so niedrig, dass die Familien nicht einmal erwägen, Mädchen durch Investitionen in eine teurere, aber weniger zeitaufwändige Wasserversorgung zu entlasten.

Verschiedene Entwicklungsstrategien sollen Menschen den Zugang zu Wasser erleichtern. Sie umfassen:

  • den Aufbau von Rohrleitungsnetzwerken,
  • das Auffangen von Regenwasser,
  • den Aufbau von Wasseraufbereitungskapazitäten in Häusern und
  • das Angebot von Mikrokrediten, damit Haushalte in sichere Wasser- und Sanitärlösungen investieren können.

Untersuchungen zeigen, dass diese Ansätze sinnvoll sind. Sie reduzieren die Kosten und den Zeitaufwand für das Wasserholen. Somit verbessern sie die Möglichkeiten von Frauen, die dann andere Arbeiten verrichten können, und Mädchen, die dann zur Schule gehen können. Statistiken des UN-Kinderhilfswerks UNICEF zeigen zum Beispiel, dass ein tansanisches Mädchen, das statt 30 Minuten nur 15 Minuten zum Wasserholen aufwendet, seinen Schulbesuch um 12 Prozent erhöht.

Die genannten politischen Optionen sind hilfreich. Sie ändern jedoch nichts an der grundlegenden Ungerechtigkeit. Die Zeit von Frauen und Mädchen gilt nach wie vor als weniger wert als die von Männern und Jungen. Wenn sich das nicht ändert, werden Frauen und Mädchen letztlich immer die am wenigsten lohnenden Aufgaben erledigen. Sie verdienen bessere Chancen am Arbeitsplatz und in der Bildung. Je mehr sie in die Lage versetzt werden, Geld zu verdienen, desto eher werden Familien und Gemeinschaften bereit sein, in anspruchsvollere Wasserversorgungssysteme zu investieren. Nur so können Frauen und Mädchen ihr volles Potenzial ausschöpfen und das Beste aus ihrem Leben machen.


Sudeh Dehnavi ist Programmkoordinatorin am Institut für Technologie und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen der TH Köln.
sudeh.dehnavi@th-koeln.de