Soziale Sicherung

Antikoloniale Akteure

Die Entwicklung europäischer Sozialstaaten hatte großen Einfluss auf die Denkweise und Politik in Entwicklungsländern. Das betraf auch die Staaten, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg unabhängig wurden. Einerseits kritisierten antikoloniale Bewegungen die Länder, von denen sie lange beherrscht wurden. Andererseits wirkten die Art von Inklusion und die soziale Gerechtigkeit, die in Europa entstanden, inspirierend.
Europa war Vorreiter bei sozialen Sicherungssystemen: Holzschnitt-Darstellung eines Arbeitsunfalls von 1889. picture-alliance/ullstein Europa war Vorreiter bei sozialen Sicherungssystemen: Holzschnitt-Darstellung eines Arbeitsunfalls von 1889.

Spitzenpolitiker ehemaliger Kolonien wie Jawaharlal Nehru in Indien, Kwame Nkrumah in Ghana und Julius Nyerere in Tansania, um nur drei zu nennen, kannten sich mit der Sozialpolitik in Europa gut aus. Ihre Länder standen allerdings vor viel größeren Herausforderungen: Produktivität, Bildungsniveau, Infrastruktur – alles hinkte der reichen Welt hinterher. An progressiver Politik bestand aber immer großes Interesse.

Bis heute sind soziale Sicherungssysteme im kapitalistischen Süden schwächer, wobei manche Länder in Lateinamerika oder Ostasien etwas besser dastehen. Die Kluft zwischen armen und reichen Ländern bleibt aber riesig, sowohl in Hinsicht darauf, welcher Anteil der Bevölkerung Schutz genießt, als auch, wie hoch die Sozialausgaben sind. Grob geschätzt ist der Anteil der Sozialleistungen am Bruttoinlandsprodukt in Westeuropa fünfmal größer als in Afrika, Asien und pazifischen Ländern. Marktradikalismus hat indessen einen Wettlauf nach unten gestartet, und das europäische Sozialmodell gilt nicht mehr als Vorbild.

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