Wahlen
Philippinische Demokratie könnte genesen – oder sterben
Die Menschen auf den Philippinen können es kaum erwarten, zu wählen. Vergangenes Jahr standen sie trotz Corona-Gefahr stundenlang Schlange, um sich für die Präsidentschaftswahlen zu registrieren. Die Wahlbehörden rechneten mit 59 Millionen Bürgern, es kamen 65 Millionen. Fragt sich nun: Wen werden sie wählen?
Die Wahlen von 2016 endeten desaströs: Rodrigo Duterte wurde Präsident. Der unflätige, grobschlächtige und brutale autoritäre Herrscher überzeugte zwar nur 16,6 Millionen von 55,7 Millionen Wählern, aber damit mehr als alle anderen Kandidaten. Er übernahm das Amt und fuhr das Land gegen die Wand. Sein Drogenkrieg kostete laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mindestens 12 000 Menschenleben. Er hat die demokratischen Institutionen ausgehöhlt, die Wirtschaft geschwächt und war ein miserabler Manager der Corona-Pandemie. Als chinesische Streitkräfte auf philippinisches Gebiet im Südchinesischen Meer eindrangen, schaute er weg.
Als er für das Präsidentenamt kandidierte, versprach Duterte: „Der Wandel wird kommen“. Er werde innerhalb von sechs Monaten die Kriminalität bekämpfen, Korruption beseitigen und den Drogenhandel beenden. Nichts davon geschah. Der 77-jährige Duterte erwies sich als das, was Filipinos verächtlich als „trapo” bezeichnen – ein typischer Politiker. Er vergab lukrative Posten an unqualifizierte Kumpane, unternahm nichts gegen Korruption und nutzte das Gesetz für persönliche Rachefeldzüge.
Zu seinem Führungsstil gehörte es, öffentlichen Veranstaltungen fernzubleiben und die Bevölkerung in Videos zu beschimpfen. Einmal riet er den Filipinos, ihre Masken in Benzin oder Diesel zu tränken, um kein Corona zu bekommen. Er war in fast jeder Hinsicht schlimmer als die vorigen Präsidenten, in einem Punkt aber stach er besonders hervor: Nie zuvor wurden soziale Medien so systematisch genutzt, um Falschinformationen, Angst und Hass zu verbreiten (siehe meinen Kommentar auf www.dandc.eu).
Dutertes Armeen von Internet-Trollen werden bei den kommenden Wahlen gewiss eine Rolle spielen. Zwei Anwärter scheinen derzeit als Nachfolger denkbar: die aktuelle Vizepräsidentin Leni Robredo und Ferdinand „Bongbong” Marcos Jr., Sohn des ehemaligen Diktators.
Robredo ist eine ruhige, inspirierende Führungspersönlichkeit. Sie ist Anwältin, hat aber auch einen Wirtschaftsabschluss und ist seit 1997 in der Regierung. Die Aufgabe des Vizepräsidenten ist es, einzuspringen, falls dem Präsidenten etwas zustößt. Robredo hat es geschafft, ihr Amt zu nutzen, um sich gegen Duterte auszusprechen, was ihr seine Feindschaft einbrachte. Ohne Dutertes Unterstützung organisierte sie Katastrophenhilfen und ein effizientes Corona-Management. Sie wird mit üblen Angriffen im Internet rechnen müssen.
Der 64-jährige Marcos Jr. dagegen ist absolut unqualifiziert. Sein Hauptmerkmal ist, einziger Sohn eines brutalen Diktators zu sein, der die Philippinen 14 Jahre lang terrorisierte. Tausende wurden auf sein Geheiß gefoltert und ermordet, er veruntreute Milliarden von Dollar. Marcos Jr. behauptete, er habe einen Oxford-Abschluss, was nicht stimmt – er hat lediglich die High School abgeschlossen.
Seine Vizekandidatin Sara Duterte-Carpio ist die Tochter des derzeitigen Präsidenten. Wenn die beiden gewinnen, setzen sie das Erbe der zwei brutalsten Staatsführer der Philippinen seit der Unabhängigkeit fort.
Von Marcos finanzierte Desinformation hat viele Menschen glauben machen, die Jahre unter der Militärregierung seien ein goldenes Zeitalter gewesen. Im Januar befürworteten laut Umfragen 60 Prozent der Befragten das Marcos-Tandem. Das kann sich jedoch ändern – es gab schon früher Überraschungen bei Wahlen. Es sagt viel, dass Marcos Wahlkampfmanager ihn hindern, an Debatten teilzunehmen – sie wissen, dass er inkohärent und hohl ist.
Was die Wahlen so spannend macht, ist die Frage, ob die Demokratie genesen wird oder stirbt.
Alan C. Robles arbeitet als freier Journalist in Manila.
Twitter: https://twitter.com/hotmanila