Autoritäre Haltung
Hässliche Sprache
„Uns Filipinos muss jemand disziplinieren“, sagte mir ein Taxifahrer ein paar Tage nach Dutertes Wahlsieg. Der Mann, der per Stimmzettel für diese Rolle auserkoren wurde, hat tatsächlich eine harte Hand. Im Wahlkampf drohte Duterte unsichtbaren Kriminellen immer wieder: „Ich bringe euch um.“ Leichen würden bald zu Tausenden in der Bucht von Manila treiben.
Duterte zufolge leidet das Land unter Verbrechen und Korruption. Sein Motto war: „Change is coming.“ Anhänger mit wackligen Englischkenntnissen machten daraus: „Chains is coming". Vielleicht erweist sich das als treffende Vorhersage.
Der Kandidat hat viel versprochen. Er will
- die Todesstrafe wieder einführen und öffentliche Hinrichtungen abhalten,
- eine Sperrstunde für Minderjährige durchsetzen,
- Autofahrer, die zu schnell fahren, nackt ausziehen lassen,
- die Kinderzahl pro Familie auf drei begrenzen und
- Feuerwerkskörper verbieten.
Obendrein will er in der Öffentlichkeit Alkohol und Rauchen verbieten und nächtliche Karaoke-Partys untersagen. Er hat schnelleres Internet versprochen – und dass Taxifahrer künftig Kleingeld exakt zurückgeben werden. Nach seiner Amtseinführung am 30. Juni wird er ein völlig neuartiger Staatschef sein. Er ist
- der erste von der krisengeschüttelten Insel Mindanao,
- der erste, der orthodoxe Kommunisten ins Kabinett holen will,
- der erste, der sich abfällig über die katholische Kirche äußert (er hat den Papst beschimpft und gesagt, die Kirche sei voller Heuchler), und
- der erste, der sich gegen die USA stellt.
Als Bürgermeister von Davao hatte Duterte mit Todesschwadronen der Stadt zu tun. Diese brachten mehr als tausend Menschen um, die der Kriminalität verdächtigt wurden, berichten Menschenrechtsgruppen. Auch Frauen und Kinder seien darunter gewesen. Duterte, ein ehemaliger Staatsanwalt, hat seelenruhig bestätigt, mindestens drei Menschen getötet zu haben.
Wahlen auf den Philippinen sind nie vornehme Kaffeekränzchen, aber Duterte war besonders vulgär und stumpfsinnig. Seine Anhänger bejubelten haarsträubende Versprechen, grobe Witze und Beleidigungen. Obszönitäten prägten seine Reden. Sein Lieblingsfluch ist ein Ausdruck, der wörtlich Hurenmutter bedeutet, aber genauso ungehörig ist wie auf Englisch das F-Wort.
Duterte gibt sich als ein einfacher Mann, der Algebra, Infinitesimalrechnung und Trigonometrie als Schulfächer abschaffen will. Er prahlt mit Frauengeschichten und machte Witze über die Vergewaltigung einer längst verstorbenen Missionarin. Er warnte davor, ihn zu wählen, denn es werde „blutig“ werden. Als er im Fernsehen seine Wirtschaftspolitik erläutern sollte, machte er lieber grobe Witze.
Sein schrilles Benehmen löste Begeisterung aus. Fanatische Anhänger stritten sich um kleine Handtücher, die er in die Menge zu werfen pflegte, wenn er sich das Gesicht abgewischt hatte. Er bekam 6 Millionen Stimmen mehr als der blasse Kandidat der alten Regierung, der nur Platz zwei erreichte. Nach dem Wahlsieg sagt er nun, die überzogenen Sprüche seien nur ein Wahlkampftrick gewesen.
Seine Kritiker überzeugt das nicht. Sie kennen seine Biographie und haben seine Todesdrohungen noch im Ohr. Sie wissen auch, dass es im Wahlkampf im Internet hart und hässlich zuging. Auf Facebook, das auf den Philippinen sehr beliebt ist, haben Duterte-Leute auf üble Weise Gegner beschimpft und bloßgestellt – und es heißt, dafür sei auch Geld geflossen.
Mittlerweile hat Duterte die ersten Kabinettsmitglieder benannt – überwiegend altbekannte Politiker. Einige haben für die frühere Präsidentin Gloria Arroyo gearbeitet, die als korrupt gilt. Ist das Wandel?
Auf den ersten Blick scheint Duterte die Armen zu vertreten. Aber Umfragen legen nahe, dass ihn die Reichen und die Mittelschicht gewählt haben. Es sieht nach einer schweigenden Übereinkunft aus, die besserstehenden Bürgern nichts abverlangt. Sie können sich zurücklehnen und die Vorteile einer tödlich-autoritären Regierung genießen. Duterte hat angekündigt, die Verfassung und die Regierungsform zu ändern – und deshalb denken Kritiker, dass er vom Populisten zum Diktator werden dürfte.
Alan C. Robles ist freier Journalist und lebt in Manila.