Planetare Grenzen

Konsum nach westlichem Vorbild ist nicht nachhaltig

Westliche Gesellschaften sind auf Konsum von Waren und Dienstleistungen ausgelegt. Es geht mehr um die Befriedigung von aktuellen Wünschen als um Grundbedürfnisse. In Entwicklungs- und Schwellenländern steigt die Kaufkraft und damit auch der Konsum. Das westliche Model ist jedoch nicht nachhaltig – vor allem nicht, wenn es weltweit nachgeahmt wird.
Elektro-Müll auf einem Schrottplatz in Ghana, 2019. Christian Thompson/picture-alliance/AA Elektro-Müll auf einem Schrottplatz in Ghana, 2019.

Der Autor Peter N. Stearns (2006) spricht von einer Konsumgesellschaft, wenn „viele Menschen ihre Lebensziele teilweise darauf ausrichten, Güter zu erwerben, die sie offensichtlich weder für den Lebensunterhalt noch zur traditionellen Lebensführung benötigen”. Shoppen wird dann extrem wichtig, und die Menschen gründen ihr Identitätsgefühl auf die endlos vielen neuen Dinge, die sie erwerben. Stearns zufolge hat das 20. Jahrhundert Menschen zu Konsumenten gemacht.

Der konsumistische Lebensstil ist durch permanentes Kaufen von Dingen geprägt, die genutzt und weggeworfen werden. Die Nachfrage nach Dingen sei artifiziell, da es nicht um Grundbedürfnisse gehe, betont Stearns. Werbung, Gruppenzwang und die bloße Erhältlichkeit von Konsumgütern erzeugen einen unstillbaren Hunger nach immer mehr. Im Europa und Nordamerika des 20. Jahrhunderts gelang es Privatunternehmen, ihre Produktions- und Distributionskapazitäten so auszuweiten, dass ihre größte Herausforderung nun darin besteht, neue Konsumnachfragen zu schaffen, um diese Kapazitäten voll auszunutzen.

Das Problem: Konsum ist nicht nachhaltig für die Umwelt. Die Ressourcen unseres Planeten sind nicht nur begrenzt, sondern bereits überstrapaziert. Dennoch schießen in urbanen Gebieten in Entwicklungs- und Schwellenländern immer mehr Shopping Malls wie Pilze aus dem Boden.

Eine aktuelle Veröffentlichung (UNEP, 2021a) verdeutlicht das: Die Menschheit verbraucht jährlich die Ressourcen von 1,6 Planeten. Der rasante Raubbau an der Natur bedeutet, dass unser Planet sich nicht mehr regenerieren kann; Naturschutz allein kann das Kollabieren von Ökosystemen und Artenvielfalt nicht verhindern. Es ist zu erwarten, dass alles noch schlimmer kommt. Dem aktuellen Trend nach braucht die Menschheit bis 2030 das Äquivalent von zwei Erden, um dieses Konsummuster beizubehalten. Würde der durchschnittliche Erdbewohner so viel konsumieren wie der Durchschnittsdeutsche, bräuchte unsere Spezies dem unabhängigen Global Footprint Network zufolge sogar drei Planeten.


Dreifach-Krise

Die internationale Gemeinschaft steuert auf eine dreifache Umweltkrise zu. Klimawandel, der Verlust von Artenvielfalt und Verschmutzung machen unseren Planeten unbewohnbar, konstatiert ein weiterer Bericht (UNEP, 2021b). Alle drei Trends sind gefährlich – und sie verstärken einander.

  • Die Klimaverpflichtungen, die Regierungen bisher eingegangen sind, kommen nicht annähernd an das heran, was es braucht, damit die Durchschnittstemperatur um weniger als 1,5 Grad Celsius ansteigt. Forscher warnen, dass die Probleme unkontrollierbar werden, wenn diese Grenze überschritten wird. Bisher sind die Temperaturen um etwa ein Grad gestiegen, die Ökosysteme leiden zweifellos bereits darunter.
  • Die Menschheit ist Zeuge eines großen Artensterbens. Von etwa acht Millionen Pflanzen- und Tierspezies wird in den kommenden Jahren wohl eine Million aussterben. Geringere Artenvielfalt schwächt die Ökosysteme; der Klimawandel wird sie heftiger treffen, und sie können weniger dazu beitragen, diesen unter Kontrolle zu halten.
  • Verschmutzung verstärkt diese Trends. Neben Klimagasen sind auch diverse andere Chemikalien ein Problem (siehe Schwerpunkt im D+C/E+Z e-Paper 2021/03).

Ursache für diese dreifache globale Krise ist nichtnachhaltiger Konsum. Die Modeindustrie verursacht bis zu zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Sie trägt dazu bei, dass jährlich mehr als 150 Millionen Bäume gefällt werden, und verbraucht 93 Milliarden Kubikmeter Wasser – etwa vier Prozent des jährlichen Frischwasserverbrauchs. Das Färben und Behandeln von Kleidern trägt zu 20 Prozent der industriellen Wasserverschmutzung weltweit bei (siehe Olga Speranskaya im Fokus des D+C/E+Z e-Paper 2021/03). Mehr als ein Drittel des Mikroplastiks in den Weltmeeren wird aus Kunstfasern herausgewaschen.

Die Modeindustrie ist somit einer der größten Umweltzerstörer. Sie lebt eine Kultur der Überproduktion und des Massenkonsums. „Fast fashion“ ist sogar dazu gedacht, nur wenige Male getragen zu werden – mehr als die Hälfte davon wird innerhalb eines Jahres weggeworfen. Laut der Ellen McArthur Stiftung, die privatwirtschaftliche Großunternehmen vernetzt, verbrennt oder entsorgt die Menschheit pro Sekunde einen Müllwagen voll Kleidung. Ein Viertel aller Textilien wird schon während der Herstellung weggeworfen. Der Verbrauch von Kleidung hat sich in den letzten 15 Jahren laut dem unabhängigen World Resources Institute verdoppelt. Die Pro-Kopf-Nachfrage ist in entwickelten Ländern weiter sehr hoch, die Mittelklassen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas holen langsam auf.

Das Konsumverhalten wirkt sich auch massiv auf den Lebensmittelsektor aus. Da immer mehr Menschen mehr Geld haben, steigt die Nachfrage nach eiweißreicher Kost wie Fleisch, Fisch und Milch um ein Vielfaches. Laut Branchen-Experten wird derzeit weltweit jedes Jahr etwa 1,4 Prozent mehr Fleisch verbraucht. Um diese Waren zu erzeugen, werden immer mehr Land, Wasser, Dünger, Pestizide und Antibiotika gebraucht. Eine Konsequenz ist die Zerstörung von Wäldern, um Platz für Weiden zu schaffen, die weder CO2 speichern noch vielen Arten Lebensraum bieten.

Ohnehin wird bis 2050 die wachsende Weltbevölkerung 60 Prozent mehr Essen brauchen als bislang produziert wird. Pflanzliche Ernährung ist deutlich weniger aufwändig. Würden landwirtschaftliche Produkte nicht mehr als Tierfutter verwendet, hätten vier Milliarden mehr Menschen ausreichend zu essen, errechneten Forscher der Universität von Minnesota. Andererseits verderben 30 Prozent der erzeugten Lebensmittel vor dem Verzehr – innerhalb der Versorgungskette oder nach der Vermarktung.

Die Nachfrage nach Energie wird bis 2050 zwischen 50 und 70 Prozent steigen, wobei fossile Brennstoffe rund 80 Prozent des gesamten Primärenergieverbrauchs ausmachen. Dieser Anstieg wird vor allem auf den erwarteten Verbrauch in Entwicklungsländern zurückgeführt, die bislang weitgehend von fossilen Energieträgern abhängig sind.


Elektroschrott

Auch technische Geräte machen Pro­bleme. Heutzutage nutzen Massen von Menschen Fernseher, Mobiltelefone, Computer und weiteres, für deren Produktion Energie und Rohstoffe verbraucht werden. Elektroschrott wird kaum recycelt, ein inakzeptabel großer Anteil davon wird in Entwicklungsländern von informellen Arbeitskräften unter gefährlichen Bedingungen verarbeitet.

Laut dem von der UN unterstützten Global-E-Waste-Monitor 2020 wurden 2019 weltweit rekordverdächtige 53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott erzeugt – fast ein Viertel mehr als fünf Jahre zuvor. Der gesamte E-Müll beläuft sich mittlerweile auf 7,3 Kilo pro Erdenbürger. Weniger als 20 Prozent werden gesammelt und recycelt. Bis 2035 wird sich der E-Müll vermutlich verdoppeln. Das ist ein Umweltproblem - und ein Gesundheitsrisiko.

Unser Konsumverhalten steht nicht im Einklang mit natürlichen Ressourcen. Menschliches Handeln hat laut Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) drei Viertel des Erdbodens und mehr als die Hälfte der Ozeane verändert. Haupttreiber sind intensive Landwirtschaft, Überfischung, Energieproduktion und Gewinnung von Rohstoffen. Die IPBES versorgt die internationale Gemeinschaft mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen – ähnlich wie der Weltklimarat (IPCC).

Unsere auf unendliches Wachstum ausgerichteten Wirtschaftsmodelle sind mit den endlichen Ressourcen unserer Erde nicht vereinbar. Partha Dasgupta war Hauptautor eines aktuellen Berichtes dazu, wie die Natur in ökonomische Modellierungen einbezogen werden könnte (siehe Katja Dombrowski im Monitor des D+C/E+Z e-Paper 2021/04). Wirtschaftliches Denken muss dringend planetare Grenzen berücksichtigen. Sonst zerstören wir weiter die Basis der menschlichen Existenz – die Natur. Die Natur braucht uns nicht, wir aber brauchen sie. Wir müssen anfangen, mit der Natur in Harmonie zu leben – und wir haben keine Zeit zu verlieren.


References

Stearns, P. N., 2006: Consumerism in world history. Abingdon, Oxfordshire, Routledge.
UNEP, 2021a: Ecosystem restoration for people, nature and climate.
https://wedocs.unep.org/bitstream/handle/20.500.11822/36251/ERPNC.pdf
UNEP, 2021b: Making peace with nature.
https://wedocs.unep.org/xmlui/bitstream/handle/20.500.11822/34948/MPN.pdf


Mahwish Gul ist Entwicklungsberaterin und lebt in Nairobi. Sofern nicht anders angegeben, basiert dieser Artikel auf Informationen der UN und der UNEP. Die beiden wichtigsten UNEP-Quellen sind angegeben.
mahwish.gul@gmail.com

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