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Unser Standpunkt

Vom Markt im Stich gelassen

In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern versagt das staatliche Bildungswesen. Zu viele Grundschulkinder lernen nicht lesen; zu viele Universitätsabschlüsse sind wertlos. Fast immer haben diese Institutionen weder genug Mittel noch Personal. Also wächst vielerorts das private Schulangebot – von Kindergärten bis Hochschulen.
Vorschulkinder in einer Privatschule in Neu-Delhi. picture-alliance/imageBROKER Vorschulkinder in einer Privatschule in Neu-Delhi.

Internationale Geberinstitutionen finden diesen Trend gar nicht schlecht. Die Befürworter sagen:

  • Privatschulen leisteten mehr,
  • seien flexibler und innovativer,
  • regten den Wettbewerb an und
  • nähmen dem staatlichen Bildungswesen einen Teil der Arbeitslast ab.

Solch marktliberales Denken ist nicht völlig falsch, übersieht aber etwas Wichtiges: Märkte reagieren auf Kaufkraft, nicht auf Bedarf. Dem Spiel von Angebot und Nachfrage wichtige Teile der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge zu überlassen führt zu ausgeprägter Benachteiligung. Analphabeten im ländlichen Raum oder städtischen Slums können ihren Kindern, deren Zukunft von Bildungserfolgen abhängt, nicht einmal bei den Hausaufgaben helfen, während wohlhabende Eltern großzügig in Bildung investieren können.

Das vierte Ziel für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal – SDG) ist „hochwertige Bildung“. Wichtig sind also die Fragen, ob Privatschulen dazu beitragen können oder ob sie sogar die Lösung sind.

Die erste Antwort lautet „ja“, die zweite „nein“. Viele Staatsschulen sind so schlecht, dass sogar Eltern mit niedrigen Einkommen private Alternativen wählen. Privatangebote steigern zudem die Vielfalt des Bildungswesens auf nützliche Weise. Nicht alle haben dieselben Bedürfnisse, Talente und Interessen. Mehr Wahlmöglichkeiten bedeuten, dass mehr Leute das passende Angebot finden. In einem vielfältigen System können die einzelnen Komponenten außerdem voneinander lernen.

Leider verringern Privatschulen nicht immer und überall die Arbeitslast der staatlichen Einrichtungen, sondern auch ihre Qualität, indem sie die besten Lehrer abwerben. Exklusive Exzellenzzentren entstehen, die elterliche Privilegien weiterreichen. Es hat Furore gemacht, dass einige private Schulketten, die sehr niedrige Gebühren verlangen, bessere Ergebnisse erzielten als dysfunktionale Staatsschulen. Das mag stimmen, darf aber nicht davon ablenken, dass teure Privatschulen systematisch besser sind als billige.

Der Markt ist keine Alternative zum Staat, sondern interagiert mit ihm. Kluge Politik kann unerwünschte Markteffekte in gewissem Maß ausgleichen. Finanzielle Förderung kann einkommensschwachen Familien Zugang zu Bildung ermöglichen. Quoten für Minderheiten können Ausgrenzung entgegenwirken. Stimmige Lehrpläne und kompetente Schulaufsicht können Mindeststandards an allen Schulen sicherstellen.

Um das zu schaffen, muss eine Regierung fachlich kompetent und finanzkräftig sein – und wenn sie das ist, muss die Qualitätssicherung im staatlichen Bildungswesen Priorität haben. Alle reichen Nationen, einschließlich der besonders marktorientierten USA, stellen für die große Mehrheit ihrer Bevölkerung ein solides staatliches Bildungswesen bereit. Es erfordert ausreichende Finanzierung, was wiederum von den Steuereinnahmen abhängt. Wenn es gelingen soll, niemanden zurückzulassen, darf die staatliche Daseinsfürsorge – einschließlich des Bildungswesens – nicht weiter vernachlässigt werden.