Sommer-Special

Unvorstellbar

Gewalt gegen Frauen ist leider allzu normal, und es ist leicht wegzuschauen. Claudia Schmid wollte das nicht tun. Die Filmemacherin begab sich auf eigene Faust auf eine beschwerliche und gefährliche Reise in den Osten der Demokratischen Republik Kongo. Dort kommt es zu schier unglaublichen Gewaltexzessen vor allem gegenüber Frauen, die die Weltöffentlichkeit so gut wie nicht wahrnimmt. Schmid lässt die Opfer in ihrem Film Voices of Violence zu Wort kommen.
Vumilla (links) und Walungu schildern im Film die Gräueltaten der Rebellen. Mindjazz Vumilla (links) und Walungu schildern im Film die Gräueltaten der Rebellen.

Der Osten der DR Kongo ist ein gesetzloses Gebiet, in dem Rebellengruppen das Sagen haben. Sie terrorisieren die Landbevölkerung und fallen in den Dörfern des dünnbesiedelten Gebiets ein. Sie plündern, morden und terrorisieren Frauen und Kinder. Häufig verschleppen die Rebellen Frauen und Mädchen in Lager im Urwald, wo sie sie vergewaltigen und quälen. Claudia Schmid reiste zweimal für mehrere Monate in die Region Nord-Kivu und fand einige misshandelte Frauen, die bereit waren, über ihre traumatischen Erlebnisse vor der Kamera zu sprechen.

Claudia Schmid konzentrierte sich aber nicht nur auf die Frauen, sondern interview­te auch Männer. Deren Aussagen offenbaren die tief in der kongolesischen Gesellschaft verankerte Frauenfeindlichkeit. Männer, die offensichtlich nichtsnutzig herumlungern, erklären, dass Frauen ihnen bedingungslos gehorchen müssten, sonst seien sie keine guten Ehefrauen und verdienten es, geschlagen und verlassen zu werden.

In Voices of Violence schildern Vumilla und andere Frauen eindrücklich mit ausladenden Gesten direkt in die Kamera, was die Rebellen ihnen angetan haben. Vumilla erzählt, dass die Männer sie brutal vergewaltigten und ihre kleine Tochter vor ihren Augen töteten. Vumilla wurde mit anderen Gefangenen in ein Rebellencamp verschleppt dort wochenlang als Sexsklavin gequält.

Walungu schildert eines der grausigsten Details: Sie sah, dass die Rebellen einer Schwangeren das ungeborene Baby aus dem Leib schnitten und sie zwangen, es zu essen. Die Frauen weinen und krümmen sich, während sie über diese abartigen Erlebnisse berichten. Der Zuschauer krümmt sich ebenfalls und möchte mitweinen. Bestialische Gräueltaten wie diese kann sich kein gesunder Verstand auch nur ausmalen.

Es tut weh, diese Dokumentation zu sehen, und der Zuschauer möchte aus dem Kinosaal laufen oder den Fernseher ausschalten. Aber das dürfen wir nicht. Denn diese Gräuel passieren, und die Öffentlichkeit muss davon erfahren. Nur so besteht die Hoffnung, dass sich etwas ändert. Wir alle sind nicht unschuldig an dem, was im vergessenen Ostkongo passiert. Denn diese Rebellen finanzieren sich durch die Bodenschätze, die sie im Niemandsland an der Grenze zwischen Kongo, Ruanda und Burundi ausgraben. Viele dieser Mineralien – allen voran Coltan – werden zur Fertigung von Smartphones benötigt. Der Hunger der reichen Welt nach diesen Geräten feuert den Konflikt um diese Rohstoffe und damit die Gewalt im Kongo an.

Der Film von Claudia Schmid lässt den Zuschauer aber nicht völlig hoffnungslos und verzweifelt zurück. Im Gegenteil – zum einen ist zu erfahren, dass durch Verbraucherdruck auf Handyhersteller etwas zu ändern ist. Zum anderen ist auch Vumilla und den anderen gezeigten Frauen Hilfe zuteil geworden. Die katholische Organisation Missio unterstützt als eine der wenigen westlichen Hilfsorganisationen im Osten Kongos Traumazentren für Frauen, die von Rebellen misshandelt wurden. Vumilla sagt, dass sie verrückt geworden wäre, wenn sie keine psychologische Hilfe bekommen hätte. In den Traumazentren konnten die Frauen neuen Lebensmut fassen, indem sie sich die schrecklichen Erinnerung von der Seele redeten. Sie gründeten eine Frauengruppe, die sich regelmäßig trifft. Initiativen wie diese bräuchte es noch viel mehr im Kongo und anderen von Gewalt betroffenen Gegenden.

Der Films ist keine leichte Kost und bleibt noch lange im Gedächtnis haften. Vielleicht löst es bei dem ein oder anderen auch ein Umdenken bezüglich des sorglosen Umgangs mit Handys aus. Immerhin gibt es – wenn auch nur wenige – alternative Anbieter, die keine Konfliktmineralien verwenden wie das niederländische Fairphone und das deutsche Shiftphone. Außerdem kann man sich auch zum Beispiel über Missio für „saubere“ Handys engagieren.


Film
Voices of Violence, Deutschland 2016
Regie: Claudia Schmid


Links

Missio – Aktion saubere Handys:
https://www.missio-hilft.de/de/aktion/schutzengel/fuer-familien-in-not-weltweit/saubere-handys/

Fairphone:
https://www.fairphone.com/

Shiftphone:
http://www.shiftphones.com/