Kommentar
Es muss besser werden
Von Kai Ambos
Der 1998 gegründete und seit 2003 effektiv arbeitende Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat hehre Ziele. Die Präambel seines Gründungsdokuments, des Römischen Statuts des IStGH, fordert die Bestrafung der Täter „der schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren“ und die „den Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt bedrohen“. Wie schwer es ist, diese Mission zu erfüllen, lässt sich seit mehr als acht Jahren beobachten: Bisher hat der Gerichtshof noch kein Verfahren abgeschlossen. In seinem ersten Verfahren gegen den kongolesischen Warlord Thomas Lubanga Dyilo wurde die erstinstanzliche Urteilsverkündigung mehrfach verschoben. Sie wurde im Dezember 2011 praktisch stündlich erwartet, stand zu Redaktionsschluss aber noch aus.
Die Zahl der Verfahren ist indessen schnell gewachsen. Der IStGH ermittelt unter anderem gegen den sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir und Seif al-Islam Gaddafi, einen Sohn des früheren libyschen Machthabers Muammar Gaddafi. Zuletzt wurde der ehemalige ivorische Präsident Laurent Gbagbo von seiner Nachfolgeregierung überstellt.
Der Erfolg des Gerichtshofs hängt von der internationalen Staatengemeinschaft ab. Ob seine Haftbefehle ausgeführt werden oder nicht, obliegt dem Territorialstaat selbst oder Drittstaaten. Bei Laurent Gbagbo hat es funktioniert, im Fall Al-Bashir nicht. Man tut dem Gerichtshof kein Unrecht, wenn man seine bisherige Bilanz als durchwachsen bezeichnet. Dass bisher nur Verfahren gegen Afrikaner eröffnet wurden, trägt dem IStGH überdies den Vorwurf ein, er sei ein „Afrikanischer Strafgerichtshof“.
Das sichtbarste und bisher wohl wichtigste Organ des Gerichtshofs ist die Anklagebehörde. Der Argentinier Luis Moreno Ocampo leitet sie seit Juni 2003. Ihm wird im Juni 2012 seine bisherige Stellvertreterin nachfolgen, die gambische Juristin Fatou Bensouda. Sie wurde im Dezember als Konsenskandidatin der derzeit 120 Vertragsstaaten des IStGH gewählt. Bensouda halten die meisten Beobachter für geeignet, nicht nur weil sie Afrikanerin und Frau ist, sondern auch, weil sie aus den Fehlern ihres Vorgängers gelernt haben sollte.
Experten sehen Moreno Ocampo sehr kritisch. So hat der US-amerikanische Völkerrechtsexperte David Kaye kürzlich in Foreign Affairs eine vernichtende Bilanz gezogen. In seinem Artikel mit der vielsagenden Überschrift „Who’s afraid of the International Criminal Court?“ fasst er die gängige Kritik an Moreno Ocampos Führungsstil, Persönlichkeit und mangelndem juristischen Fachwissen zusammen: Er stoße Untergebene ebenso vor den Kopf wie Gerichtsbeamte, führe kleinliche Revierkämpfe und lege ein dreistes Benehmen an den Tag. Seine Entscheidungen treffe er willkürlich und politisiere sie. Kaye schreibt zu Recht, Moreno Ocampos Amtszeit könne nicht als voller Erfolg gewertet werden, vielmehr belasteten seine wiederholten juristischen Schlappen seine Behörde.
Kaye steht mit seiner Kritik in der völkerstrafrechtlichen Szene nicht allein. Englischsprachige Medien und Internetforen haben sogar schon seinen Rücktritt gefordert. Es heißt auch, er habe sich nur dank seines diplomatischen Geschicks trotz der fachlichen Defizite bis heute im Amt halten können.
Es stimmt leider: Moreno Ocampo ist der Chefankläger, der Pressekonferenzen dem Aktenstudium vorzieht, der lieber große Worte über seine historische Rolle als „mächtigster Strafverfolger der Welt“ macht, anstatt sich mit komplizierten juristischen Fragen zu beschäftigen. Er ist der „Prosecutor“, der in dem gleichnamigen Propagandafilm – Gipfel der Peinlichkeit – auf einem morastigen Dorfplatz der Demokratischen Republik Kongo im piekfeinen weißen Anzug aus einem Helikopter steigt, um den armen Menschen dieses gottverlassenen Orts Frieden und Gerechtigkeit zu bringen.
Fatou Bensouda kann viel aus den Fehlern ihres Vorgängers lernen. Hoffen wir, dass sie es besser macht.