Digitalisierung

Low- und Hightech-Anwendungen für Entwicklung

Der digitale Wandel hat längst die Entwicklungshilfe erreicht. Welche Chancen, aber auch Risiken sich daraus ergeben, zeigt ein kürzlich erschienener Bericht von VENRO, dem Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitären zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland.
Drohnen transportieren Blutkonserven in entlegene Gebiete von Ruanda. picture-alliance/Kristin Palitza/dpa Drohnen transportieren Blutkonserven in entlegene Gebiete von Ruanda.

Digitale Technologien bieten die Chance, die Lebensbedingungen vieler Menschen durch Zugang zu Wissen und neue Möglichkeiten der politischen und ökonomischen Teilhabe zu verbessern. Ebenso können Effizienz, Passgenauigkeit, Reichweite und Transparenz von Projekten durch die Integration digitaler Instrumente verbessert werden. Viele NGOs nutzen sie bereits.

Digitale Technologien haben unter anderem den Vorteil, dass nicht immer alle Beteiligten am selben Ort sein müssen. Daten können lokal erhoben und irgendwo anders auf der Welt ausgewertet werden. Das macht beispielsweise ein dauerhaftes Bildungsangebot sowohl für syrische Kinder in jordanischen Flüchtlingslagern als auch für Schüler in entlegenen Gebieten Argentiniens möglich. Menschen auf der Flucht können sich über eine App Hilfe bei depressiven und posttraumatischen Störungen holen. Die App ist kostenlos und in mehreren Sprachen verfügbar (siehe http://almhar.org/).

Einen Überblick über diese und andere Modellprojekte sowie über die Entwicklung digitaler Instrumente bietet die VENRO-Studie „Tech for Good. Möglichkeiten und Grenzen digitaler Instrumente in der Entwicklungszusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen“.

Der Bereich digitaler Technologien reicht demnach von Lowtech- (radio- oder SMS-basiert) über Mediumtech- (basierend auf Smartphones, Tablets und sozialen Medien) bis hin zu Hightech-Instrumenten (etwa die Verknüpfung von Smartphone, Satelliten und digitalen Landkarten oder der Einsatz von Drohnen). Was für welchen Einsatz geeignet sei, müsse von Fall zu Fall entschieden werden. Nicht immer sei die neueste Technologie die beste: Oft hätten etablierte Technologien, wie beispielsweise SMS-Dienste, ein höheres Wirkungspotenzial.

Als Musterbeispiel für den erfolgreichen Einsatz von Lowtech-Instrumenten gilt das in Afrika weit verbreitete mobile Zahlsystem M-Pesa, das nicht nur einem Großteil der Menschen ermöglicht, Bankgeschäfte per SMS zu tätigen, sondern dadurch auch zu einem Katalysator für wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung wurde.

Viele Technologien sind der Studie zufolge noch im Anfangsstadium, könnten in Zukunft aber neue Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen bieten. Ein Beispiel ist der Einsatz von Drohnen in unzugänglichen Regionen entweder für die medizinische Versorgung oder zur Überwachung illegaler Aktivitäten wie Abholzung.

Die Digitalisierung kann somit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sus­tainable Development Goals – SDGs) leisten (siehe Hackmann und Messner in der Tribüne des E+Z/D+C e-Paper 2019/11), sie stellt NGOs aber auch vor neue Herausforderungen. Gerade die Monopolstellung multinationaler Konzerne wie Google oder Facebook, ungenügende Rahmensetzungen für Unternehmen und deren Gewinnstreben als oberste Maxime könnten die Entwicklung auch behindern. Auch brächten innovative Kommunikationsformen per se keine gerechtere oder nachhaltigere Entwicklung mit sich, geschweige denn demokratischere Strukturen – Manipulation, Überwachung, Zensur, Einschüchterung und Desinformation seien die Kehrseite der Medaille (siehe hierzu auch unseren Schwerpunkt im E+Z/D+C e-Paper 2019/09).

Eine große Herausforderung ist den Autoren zufolge nach wie vor die Überwindung der digitalen Kluft. Noch immer habe etwa die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zum Internet. Besonders betroffen seien gesellschaftlich und ökonomisch ohnehin marginalisierte Gruppen – gerade die sind aber oft die Zielgruppe von NGOs. Auch hinsichtlich des Datenschutzes gebe es noch viele offene Fragen.


Link

VENRO: Tech for Good. Möglichkeiten und Grenzen digitaler Instrumente in der Entwicklungszusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen.
https://venro.org/fileadmin/user_upload/Dateien/Daten/Publikationen/Dokumentationen/NRO-Report_TechForGood_v04.pdf