Klimaaußenpolitik
Klimakrise verschärft Not in Konfliktgegenden
Mit Afghanistan verbindet die deutsche Öffentlichkeit Instabilität und Krieg. Bei meiner Reise Ende 2023 habe ich gesehen, wie sehr der Klimawandel die ohnehin schon schwierige Lage weiter verschärft. „In diesem Jahr sind viele Menschen wegen der Dürre von hier weggezogen“, erzählte beispielsweise Abdul Haq, ein 30-jähriger Hirte aus Badghis. Er sucht täglich nach Futter und Wasser für seine Schafe. Vom Verkauf der Lämmer ernährt er sich, seine Frau, seine sechs Kinder und seine Eltern.
„Als es noch keine Dürre gab, bauten wir Getreide und Weizen an“, sagte er. Diese Erwerbsgrundlage besteht nicht mehr.
Wie in Afghanistan verschärft die Klimakrise auch andernorts Armut und Konflikte – ob in Südsudan, Somalia oder Syrien. Nothilfe wirkt kurzfristig, auf Dauer brauchen Menschen aber echte Perspektiven. Deshalb müssen Maßnahmen zur Friedenssicherung nicht mehr nur mit humanitärer Hilfe und nachhaltigen Entwicklungsvorhaben verknüpft werden. Heute sind auch Anpassung und Resilienzstärkung angesichts der globalen Erwärmung nötig.
Neue Strategie der Bundesregierung
Die Bundesregierung veröffentlichte Ende 2023 ihre Klimaaußenpolitikstrategie. Darin bezeichnet sie die Klimakrise als „eine der größten Sicherheitsrisiken des 21. Jahrhunderts“. Leider lässt die Strategie offen, wie betroffene Menschen in Krisenregionen konkret unterstützt werden sollen.
Laut UN-Entwicklungsprogramm betrug 2020 die Pro-Kopf-Klimafinanzierung für konfliktbetroffene Länder nur ein Drittel dessen, was andere Entwicklungsländer im Schnitt erhielten. Je fragiler ein Staat ist, desto weniger Klimageld fließt dorthin. Ohnehin dient die internationale Klimafinanzierung vor allem der Emissionsreduzierung, sodass 90 Prozent an Länder mit mittleren Einkommen gehen. Länder mit niedrigen Einkommen stoßen nur wenig Treibhausgase aus, leiden unter den Folgen aber stark.
Der neue Loss-and-Damage-Fund, auf den sich die Klimakonferenz in Dubai Ende 2023 geeinigt hat, ist wichtig. Er soll Länder mit niedrigen Einkommen für nicht mehr ausgleichbare Klimafolgen entschädigen. Deutschland hat 100 Millionen Dollar zugesagt und sollte sicherstellen, dass diese Mittel auch Menschen in Krisenregionen erreichen und mehr Staaten in den Fund einzahlen. Das ist ein guter Anfang, aber es muss noch viel mehr geschehen. Auch andere Initiativen verdienen Unterstützung, wie die Women and Climate Security Initiative des UN Women’s Peace and Humanitarian Fund, über die Frauenorganisationen in klimagefährdeten Ländern finanziert werden.
Nötig ist zudem eine bessere Risikoanalyse. Nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen von Klimaschocks sind wichtig, sondern auch politische und gesellschaftliche Folgen. Zu untersuchen wäre, wie sich bestehende Konfliktdynamiken ändern und welche Gruppen das besonders bedroht. Ohne solches Wissen können Finanzmittel und Hilfsprogramme nicht dorthin gelenkt werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden.
Resilienz vor Ort stärken
Eins ist klar: Die Resilienz der Menschen vor Ort muss gestärkt werden. Viele Organisationen arbeiten an innovativen Konzepten, schrecken aber vor konfliktbetroffenen Regionen mit fragiler Staatlichkeit oft zurück. Dort ist langfristige Veränderung aber besonders wichtig – und sie kann nur mit den betroffenen Gemeinschaften erreicht werden.
Vorausschauendes Handeln kann Familien helfen, landwirtschaftlich tätig zu bleiben und so ihre Nahrungsgrundlage zu sichern. In Syrien testet International Rescue Committee deshalb zusammen mit Bäuerinnen und Bauern, welches Saatgut auch in extremer Dürre noch sichere Erträge bringt. In Nigeria haben wir den Aufbau eines dezentralen digitalen Frühwarnsystems unterstützt, das Überschwemmungen vorhersagt. Es nutzt sowohl lokales Wissen als auch Satellitendaten.
Die Bundesregierung kann mit ihrer neuen Klimaaußenpolitikstrategie eine Vorreiterrolle bei der Antwort auf die globale Umweltkrise einnehmen. Der Erfolg wird daran zu messen sein, ob die Resilienz bedrohter Gemeinschaften gestärkt wird.
Corina Pfitzner ist die Geschäftsführerin von International Rescue Committee (IRC) in Deutschland.
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