Official development assistance

Aufgeklärtes Eigeninteresse

US-Präsident Donald Trump erklärt immer wieder, dass Amerika für ihn an erster Stelle steht, und zeigt wenig Interesse an multilateraler Zusammenarbeit. Er scheint auch nicht die Notwenigkeit für staatliche Entwicklungshilfe (official development assistance – ODA) zu erkennen, wie seine Pläne für den Staatshaushalt 2018 zeigen. Anfang Mai erklärte Scott Morris, ein Wissenschaftler des Center for Global Development, einer Denkfabrik in Washington, was Trumps Pläne für die USA und die Welt bedeuten.
US-Präsident Donald Trump will die Entwicklungsagentur USAID schwächen. picture-alliance/dpa US-Präsident Donald Trump will die Entwicklungsagentur USAID schwächen.

Denken Sie, dass Präsident Trump die Entwicklungs-Nachhaltigkeitsziele (Sustain­able Development Goals – SDGs) überhaupt kennt?
Ich glaube nicht, dass das Weiße Haus Interesse an den SDGs und einem Entwicklungsfortschritt, wie ihn die internationale Gemeinschaft anstrebt, hat. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass es für das Thema überhaupt ein Bewusstsein gibt. Um etwas Optimismus zu verbreiten, möchte ich nicht ausschließen, dass sich das mit der Zeit zu einem bestimmten Grad ändert. Präsident Trump wird von anderen Staatslenkern etwa bei G20-Treffen hören, wie wichtig diese Agenda ist. Bislang sind die Kommentare des Präsidenten über ODA aber ziemlich entmutigend, und ich glaube, es gibt nur sehr wenig Wissen über die Ziele und die Attraktivität von Entwicklungshilfe.

Sie wollen etwas Optimismus verbreiten. Wer oder was könnte Trumps Meinung ändern?
Seine Haushaltspläne für 2018 sind sehr entmutigend, und die geplanten Einschnitte sind alarmierend. Aber der US-Kongress hat gerade eine deutlich andere Meinung vertreten, indem er einen von beiden Parteien akzeptierten Haushalt verabschiedet hat. Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten haben sich langfristig für Entwicklungshilfe ausgesprochen, so dass Hoffnung besteht, dass der Kongress bei dieser Ansicht bleibt. Der bevorstehende G20-Gipfel in Deutschland ist auch sehr wichtig. Es gibt Bestrebungen für eine Gender-Agenda, die von Beteiligten des Weißen Hauses zusammen mit deutschen Beteiligten angestoßen worden ist. Es soll wohl eine neue Einrichtung initiiert werden, vielleicht bei der Weltbank, die sich um Frauen in der Wirtschaft und um Unternehmerinnen kümmert. Mal davon abgesehen, wie viel Substanz diese Agenda hat, ist sie ermutigend, einfach weil es normal ist, dass sich die USA um handfeste Resultate im G20-Kontext bemühen. Der Umstand, dass sie sich entschlossen haben, ein entwicklungsrelevantes Thema voranzutreiben, lässt vermuten, dass es wenigstens einige Beteiligte im Weißen Haus gibt, die sich für das Thema interessieren.

Was für eine Initiative ist das konkret?
Es sollen Frauen im Privatsektor gefördert werden. Ich weiß nicht, ob es überhaupt schon eine offizielle Ankündigung dazu gegeben hat. Aber es scheint eine Initiative von Deutschen und Amerikanern zu geben, etwas in dieser Richtung mit Beteiligung der Weltbank anzustoßen. 

Trump möchte den ODA-Haushalt 2018 drastisch kürzen. Was plant er konkret?
Die Trump-Verwaltung präsentierte das sogenannte „Skinny budget“ für 2018, worin es tiefe ODA-Einschnitte geben soll. Kurz darauf hatten Kongress und Weißes Haus im Mai über den Haushalt für dieses Jahr zu entscheiden. Diesem stimmten beide Parteien zu. Es ist ein sehr guter Haushalt mit grundlegender ODA-Finanzierung. Dieser Haushaltskompromiss war eine Ablehnung all dessen, was das Weiße Haus eigentlich wollte. Für den Haushalt 2018 warten wir noch auf die Details, die in ein paar Wochen verkündet werden sollen. Was wir aber bisher wissen, ist, dass die Einschnitte von 20 bis 40 Prozent reichen sollen. Damit ist eindeutig eine rote Linie überschritten. Die Einschnitte betreffen so gut wie jeden Bereich, sogar solche, von denen wir dachten, sie seien unantastbar wie globale Gesundheitsprogramme oder verschiedene humanitäre Programme. Darüber hinaus be­obachten wir eine strukturelle Verschiebung im Haushaltsplan. Die Verwaltung möchte die Entwicklungsagentur USAID schwächen und dafür die Macht des Außenministeriums stärken. Das würde eine Prioritätenverschiebung bedeuten – weg von wirklicher Entwicklung und Armutsreduzierung hin zu einem mehr politisch motivierten Ansatz. Erschreckend ist auch, dass die Zahl der geförderten Länder drastisch reduziert werden soll. Das würde praktisch einen Rückzug aus vielen Ländern bedeuten.

Welche Länder sind hauptsächlich betroffen? Muslimische?
Nein, da erkenne ich keine konsistente Strategie. Es gibt Länder wie die Ukraine, denen tiefe Einschnitte drohen, es betrifft aber auch am wenigsten entwickelte Länder wie Sierra Leone. Es ist schwer, den Grund dafür zu erkennen.

Was würden diese ODA-Einschnitte bedeuten?
In vielen Ländern, besonders südlich der Sahara in Afrika, macht die US-Hilfe einen Großteil ihrer Finanzierung in Schlüsselsektoren aus – zum Beispiel sind viele Impf- oder Ernährungsprogramme stark von US-Hilfe abhängig.

Wie viel dient solche Hilfe US-Interessen?
Wir haben einen strategischen Nutzen davon, dass wir uns in vielen Ländern engagieren. Nummer eins ist Sicherheit. In der heutigen Welt kann man Sicherheitsbedrohungen nicht mehr auf ein Land oder eine Region reduzieren, deshalb muss sich Amerika in einer Vielzahl von Ländern engagieren. Unser Land kann nicht nur Waffen liefern. Zur politischer Stabilität gehört mehr. Die Bevölkerung braucht Chancen, Lebensgrundlagen und ein Minimum an sozialer Sicherheit. Sie muss den Nutzen von internationaler Zusammenarbeit sehen. Wenn das passiert, haben wir Verbündete für die kommenden Sicherheitsherausforderungen. Wenn wir uns aus vielen Ländern zurückziehen, werden wir den Schaden auf Jahre hinaus spüren.  

Ist sich die amerikanische Öffentlichkeit dieser Themen bewusst?
Ich denke, die öffentliche Unterstützung für Entwicklungshilfe ist unterschwellig größer als allgemein gedacht. Nach der Wahl von Donald Trump hatte jeder Angst, dass die amerikanische Öffentlichkeit der Welt den Rücken zukehren würde. Aber etwas differenziertere Umfragen zeigen, dass es in der Tat viel Unterstützung sogar für Entwicklungshilfeprogramme gibt. Aber es gibt eine große Unwissenheit. Eine sehr typische Frage bei amerikanischen Umfragen ist, wie hoch der ODA-Anteil am Haushalt sein soll. Die Antwort deckt große Unkenntnis auf. Viele denken, ODA macht 20, 30 oder gar 40 Prozent unseres Haushalts aus. Tatsächlich ist es weniger als 1 Prozent.

Warum liegt es im Interesse der USA, sich auf multilaterale Institutionen und Einrichtungen von der Weltbank über den Internationalen Währungsfonds (IWF) hin zu den G20 zu verlassen?
Es gehört zu einem aufgeklärten Eigen­interesse:

  • Erstens nehmen die Vereinigten Staaten eine globale Führungsrolle ein, indem sie diese Institutionen unterstützen. Sie repräsentieren eine Agenda, die die USA über viele Jahrzehnte geformt haben. Etwa bei Themen wie Handel oder Korruptionsbekämpfung.
  • Zweitens stellen internationale Finanzinstitute eine gewaltige Aufwertung des US-Dollars dar, weil jeder Dollar der US-Regierung mehr bewirkt, weil noch andere Finanzquellen dazukommen. Denken Sie an das IWF-Engagement beispielsweise in der Ukraine in den letzten Jahren, da hat der IWF enorme Finanzierungspakete bereitgestellt. Diese Pakete hätte Amerika nicht alleine bilateral stemmen können. Also hängt Amerika in Ländern, an denen es starkes Interesse hat, stark vom IWF und der Weltbank ab.
  • Drittens haben multilaterale Institutionen die Fähigkeit, in einer Vielzahl von Ländern gleichzeitig tätig zu sein, was die USA alleine in dieser Weise nicht machen könnte. Die USA sollten den IWF und die Weltbank als Verlängerung ihrer eigenen internationalen Programme betrachten. Das ist besonders in den jetzigen Zeiten wichtig, in denen aufsteigende Mächte wie China den Multilateralismus mit offenen Armen empfangen.  


Scott Morris ist Senior Fellow am Center for Global Development, einer Denkfabrik in Washington.
smorris@cgdev.org
https://www.cgdev.org/