Bürgerkrieg

Fragiler Frieden

Ein Jahr nachdem Iván Duque Präsident wurde, steht Kolumbien wieder zwischen Krieg und Frieden. Die Zahl der ermordeten Aktivisten wächst.
Im Juli 2019 gedenken in Bogotá Demonstranten der Toten. Juancho Torres/picture-alliance/AA Im Juli 2019 gedenken in Bogotá Demonstranten der Toten.

Duques Vorgänger Juan Manuel Santos schloss 2016 Frieden mit den linken FARC-EP-Milizen. Die verschiedenen Abkommen enthalten Vereinbarungen zu:

  • Menschenrechten,
  • Schutz für Aktivisten,
  • Entwaffnung,
  • Justiz und Versöhnung,
  • Reformen im ländlichen Raum sowie Bekämpfung von Armut und Ungleichheit dort,
  • politischer Teilhabe aller am jahrzehntelangen Bürgerkrieg beteiligten Konfliktparteien und
  • Eindämmung des Anbaus illegaler Drogen (insbesondere Koka).

Bisher wurde nur ein Viertel der Vereinbarungen umgesetzt, wie ein aktuelles Gutachten der US-Universität Notre Dame zeigt. Es besagt, der Friedensprozess sei ins Stocken geraten. Der Regierung Duque mangele es nicht nur an der Fähigkeit, die Vereinbarungen zu implementieren, sondern auch am politischen Willen.

Duque selbst hat im Wahlkampf gegen den Friedensprozess agitiert. Als rechtsgerichteter Politiker versteht er unter Entwicklung in erster Linie Industrialisierung. Die Friedensvereinbarungen setzen aber auf lokaler Ebene an und betonen die Interessen der Kleinbauern.

In abgelegenen, ländlichen Gebieten war der kolumbianische Staat noch nie wirklich präsent. Diesem Problem müsste sich jede neue Regierung stellen. Duques Politik hat staatliche Wirkungsmöglichkeiten dort aber weiter reduziert, indem sie den für Landfragen und ländliche Entwicklung zuständigen Behörden die Mittel kürzte. Duque finanziert lieber die Industrialisierung städtischer Regionen.

Laut Friedensabkommen sollen die Kleinbauern den illegalen Drogenanbau freiwillig aufgeben. Duques Kabinett setzt aber eher auf Repression (siehe mein Essay in der Tribüne des E+Z/D+C e-Paper 2019/03). Es blockiert zudem im Parlament nach Kräften die Entscheidungen zur Transitionsjustiz und der Wahrheitskommission. Die Regierung spricht zwar weiterhin gern von „Demobilisierung” und „Reintegration“ der Rebellen, vermeidet aber Begriffe wie „Friedensabkommen“, „Gerechtigkeit“ oder „Aussöhnung“. So macht sie die FARC-EC, den Partner des Friedensprozesse, rhetorisch zur unterlegenen kriminellen Bande.

Duques Position ist prekär. Er hängt ab von einer Koalition rechter Kräfte, die den Friedensprozess entweder nicht unterstützen oder sogar bekämpfen. Gleichzeitig ist er an Gesetze und Verträge gebunden, die sein Vorgänger Santos zustande brachte. Er kann das nicht einfach rückgängig machen, will aber seine Basis vor den wichtigen Kommunalwahlen im Oktober bedienen.

Der Frieden wird dadurch immer fragiler. Seit Duque im Amt ist, haben verschiedene bewaffnete Gruppen mindestens 229 Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger getötet. Fast ein Drittel von ihnen waren indigen. Auf die eine oder andere Weise hatten sich alle für die Umsetzung der Friedensvereinbarungen eingesetzt und damit mächtige Interessengruppen herausgefordert.

Einige prominente FARC-EP-Mitglieder sind inzwischen untergetaucht. Anfang September riefen sie sogar wieder zum bewaffneten Kampf auf. Einige von ihnen sollten eigentlich in der Wahrheitskommission und anderen Institutionen der Transitionsjustiz mitwirken. Dass sie sich lieber abtauchen, bestätigt die Weltsicht der rechten Gegner der Friedenspolitik. Die Angst vor Krieg wächst, und der Eindruck verdichtet sich, dass niemand für Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen wird. Wahr ist aber auch, dass die Mehrheit der ehemaligen FARC-Guerilleros den Friedensvertrag weiterhin gutheißt und befolgt.

Die anstehenden Kommunalwahlen sind enorm wichtig, denn sie werden die Regierung entweder stabilisieren oder schwächen. Bewaffnete Gegner des Friedensabkommens wissen das und neigen nun zu noch mehr Gewalt. Andererseits werben zivilgesellschaftliche Organisationen für den Friedensprozess. Noch ist er nicht tot. Soll Kolumbien in Frieden leben, müssen die Vereinbarungen implementiert werden.


Fabio Andrés Díaz Pabón ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Rhodes University in Südafrika und forscht am Internationalen Institute of Social Studies in Den Haag.
diazpabon@iss.nl