Ziviler Friedensdienst

Theater macht Konflikte spürbar

In dem kleinen Guinea-Bissau leben mehr als 20 ethnische Gruppen mit jeweils eigenen politischen und sozialen Regeln, Ritualen und Sprachen. Das Zusammenleben ist meistens friedlich. Wenn es Konflikte gibt, drehen sie sich häufig um den Zugang zu Land. Eine Möglichkeit, sie friedlich zu bearbeiten, liegt im Theaterspiel.
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Viele Konflikte drehen sich um die Nutzung von Land für Weideflächen für Rinder und Ackerland für Reisanbau oder Cashewplantagen. Die Verbreitung von Cashewbäumen an der westafrikanischen Küste ist eine Hinterlassenschaft der portugiesischen Kolonialzeit, ebenso wie die Zwangsumsiedlungen im Sinne einer Politik von „teile und herrsche“. Die Vermischung der ethnischen Siedlungsgebiete in Guinea-Bissau ermöglichte jedoch auch einen gemeinsamen 11-jährigen Befreiungskampf, der eine Schlüsselrolle beim Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialimperiums spielte.

An der Spitze des neuen Staats standen Männer, die sich auf Schlachtfeldern bewiesen hatten. Auf das Regieren waren sie nicht vorbereitet. Noch heute, 43 Jahre nach Erreichen der Unabhängigkeit, wird kontrovers über deren Vor- und Nachteile diskutiert. Der Anstieg sozialer Ungleichheit zwischen Land- und Stadtbevölkerung führte zu einer Kultur des Hasses und der Vergeltung, in der das Recht immer auf der Seite des Stärkeren ist. Der Frieden basiert somit häufig darauf, dass der Schwächere nachgibt.

Freiheit ist kein Begriff, der ein erreichtes Ziel markiert, sondern einen Prozess. In diesem Sinne war die Befreiung des Volkes von Guinea-Bissau lediglich ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur Autonomie. Das koloniale Erbe hat sich mit dem Abzug der Kolonialherren nicht verflüchtigt, und die Bevölkerung muss ein kollektives Bewusstsein herausbilden, um den Weg der Entwicklung selbstbestimmt zu beschreiten.

Zu den wichtigsten Problemen der Gegenwart gehören neben Landkonflikten auch Korruption, die Spannung zwischen religiöser Modernisierung und Tradition sowie eine politische Machtkrise. Um ihnen zu begegnen, hat die Nichtregierungsorganisation (NGO) GTO-Bissau in Zusammenarbeit mit dem deutschen Verein Weltfriedensdienst das Friedensforum ins Leben gerufen. Dieses Netzwerk aus 300 Aktivisten, die in 11 regionalen Gruppen zusammenarbeiten, spannt sich über das gesamte Land.

Die zweijährige Ausbildung der Aktivisten begann mit einer gemeinsamen Analyse der Alltagskultur, machte mit praktischer Konflikttransformation vertraut und schloss mit einer Praxisreflexion ab. Das Netzwerk bildet die ethnische Diversität ab und verdeutlicht die Möglichkeit konstruktiver Zusammenarbeit.

Die Friedensaktivisten wenden unter anderem die Forumtheatermethode an, bei der ein realer Konflikt aus dem Leben der Zuschauer dargestellt und am kritischsten Punkt angehalten wird. Das Publikum wird in die Lösungsfindung einbezogen und ermuntert, direkt auf der Bühne in die Handlung einzugreifen.

In der Praxisphase ihrer Ausbildung bearbeiteten die 11 Gruppen insgesamt 54 kommunale Konflikte, von denen allein 20 mit dem Verfügungsrecht über Ackerland und Cashewplantagen verbunden sind. Weitere Konflikte betreffen das Zusammenleben zwischen Religionen, Macht- und Führungskämpfe in NGOs und Streitigkeiten um die Verwaltung öffentlicher Güter.

Neben theaterpädagogischen Ansätzen setzen die Friedensaktivisten auf offenen Dialog, um Lösungen zu finden, die kulturell anschlussfähig sind und das Vertrauen in die beschädigten Beziehungen wiederherstellen. Das wird von den betroffenen Gemeinschaften besonders gewürdigt, und so sind auch traditionelle und staatliche Autoritäten zur Mitarbeit bereit.


Land als Gemeinschaftsgut

Die Arbeit der 11 Friedensgruppen verdeutlicht die Fähigkeiten der Gemeinschaften, ihre eigenen Konflikte zu lösen (siehe Box mit drei Beispielen). Aber sie verweist auch auf die Verantwortung des Staates, die verschiedenen Formen der Aneignung von Land und landwirtschaftlicher Nutzung anzusprechen. 
Eine nachhaltige Lösung der Konflikte um Landbesitz ist an die Anwendung des Landgesetzes gebunden. Nach seiner Vorlage 1998 vergingen zehn Jahre bis zur Verabschiedung der allgemeinen Verordnung. Deren Implementierung steht bis heute aus.

Das Gesetz betrachtet das Land als Eigentum des Staates und gemeinschaftliches Erbe, sieht aber auch die exklusive Nutzung landwirtschaftlicher Flächen durch Einzelne und Gemeinschaften sowie Rücksicht auf ethnisch-kulturelle Realitäten vor.

Die Friedensgruppen erleben vor Ort jedoch etwas ganz anderes. In Konflikten, etwa im Zusammenhang mit dem Abbau von Rohstoffen, missachtet der Staat selbst die Vorgaben zur Achtung ethnisch-kultureller Bedingungen. Es sind die Friedensgruppen, die eine Annäherung zwischen den Dorfgemeinschaften und staatlichen Vertretern ermöglichen und die Suche nach außergerichtlichen Lösungen vorantreiben.

Die Friedensgruppen wollen nun mit ihren Theaterstücken in die Hauptstadt kommen, um den Entscheidungsträgern und Geberorganisationen die Probleme der Landbevölkerung näherzubringen und sie von der Notwendigkeit der Anwendung des Landgesetzes zu überzeugen.


Armando Mussa Sani ist Journalist, Leiter des Studios Mansoa/Radio Sol Mansi und gehört der Friedensgruppe Oio an.
armandomussasani@gmail.com

Jasmina Barckhausen ist Ethnologin und Friedensfachkraft für Capacity Building im Auftrag des Weltfriedensdienstes in Bissau.
jazzmina@gmx.de

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