Überblick globale Ernährugnssicherheit

Welthunger beenden

Vielerorts nimmt die Ernährungssicherheit derzeit ab. Das zweite UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG2), den Hunger zu beenden, scheint außer Reichweite zu geraten. Die Weltgemeinschaft muss entschlossen handeln, um es zu erreichen. Diese Seite gibt einen Überblick und führt zu relevanten Beiträgen auf unserer Website.
Kleine Bauernhöfe sind wichtig: ruandische Bäuerin. Kleine Bauernhöfe sind wichtig: ruandische Bäuerin.

Die Weltgemeinschaft produziert seit Jahrzehnten grundsätzlich genug Lebensmittel für alle Menschen. Trotzdem bekommen mehr als 10 Prozent der Weltbevölkerung nicht, was sie brauchen. Sie sind zu arm, um sich das, was sie benötigen, zu kaufen – obwohl es grundsätzlich verfügbar wäre.

Das Problem hat sich in den letzten Jahren verschärft. Covid-19-Lockdowns, Russlands Angriff auf die Ukraine und Finanzspekulation tragen dazu bei, ebenso wie die Klimakrise. Extreme Wetterereignisse vernichten oft Ernten. Relevant sind auch altbekannte Probleme wie schwache ländliche Infrastrukturen oder die politische Vernachlässigung kleinbäuerlicher Betriebe.

Der Welthunger-Index

Der Trend ist im Welthunger-Index sichtbar. Er wird jedes Jahr von der Welthungerhilfe und Concern International, zwei internationalen NGOs mit Sitz in Deutschland beziehungsweise Irland, erhoben. Die aktuelle Ausgabe wurde Mitte Oktober veröffentlicht. Mathias Mogge, der Generalsekretär der Welthungerhilfe, warnt, dass die großflächige Landwirtschaft, wie sie in Ländern mit hohen Einkommen praktiziert wird, oft nicht nachhaltig ist. Gleichzeitig muss die Produktivität der Kleinbauern steigen. Die meisten sind sehr arm. In einem Interview für E+Z/D+C erläuterte er mir die Zusammenhänge.

Hunger resultiert wie ausgeführt bislang nicht aus zu geringer Weltproduktion an Nahrungsmitteln. Abgesehen von Kriegsgebieten, wo der Warenvertrieb gestört ist, ist Erschwinglichkeit das große Problem. Zu viele arme Menschen können sich die nötigen Agrarprodukte nicht leisten. Selbst in wohlhabenden Ländern sind immer mehr Menschen auf Lebensmitteltafeln angewiesen.

Soziale Sicherungssysteme helfen, Rohstoffspekulation kann schaden

Aus Sicht von Svenja Schulze, der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, helfen soziale Sicherungssysteme. Angesichts der multiplen aktuellen Krisen sollten solche Systeme schnell auf- und ausgebaut werden. Ihr E+Z/D+C-Aufsatz zeigt unter anderem auf, dass gerade die ländliche Entwicklung davon profitiert.

Märkte verteilen Güter in der Regel besser als staatliche Institutionen.Rohstoffspekulation kann aber Schocks verschärfen. Francisco Mari von Brot für die Welt erläutert, wie sich das in der aktuellen Notsituation auswirkt.

Es kann gar nicht oft genug widerholt werden, dass Frauen und Mädchen von Nahrungsunsicherheit besonders betroffen sind. Das ist unter anderem deshalb ungerecht, weil Frauen oft die meiste Feldarbeit verrichten. Die Radiojournalistin Mireille Kanyange führt das am Beispiel ihres Heimatlandes Burundi aus.

Weshalb Agrarinnovationen von ländlichen Traditionen abhängen

Traditionelle Landwirtschaft ist wichtiger, als den meisten Menschen klar ist. Das Kleinbauerntum in abgelegenen Regionen von Entwicklungs- und Schwellenländern schützt genetische und andere Ressourcen, von denen die globale Ernährungssicherheit abhängt. Auf sie stützt sich nämlich die Züchtung von Hochertragssorten. Ohne die traditionellen Grundlagen kann die Weltgemeinschaft auf Dauer nicht genug Getreide, Gemüse und Obst produzieren. Welthunger wäre künftig nicht mehr eine Frage unzureichender Verteilung, sondern mangelhafter Erzeugung.

Parviz Koohafkan hat sich bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf landwirtschaftliches Kulturerbe spezialisiert. 2002 rief er das GIAHS-Programm ins Leben. Das Akronym steht für „globally important agricultural heritage systems“ –  Systeme mit weltweit wichtigem Agrarerbe. Sein E+Z/D+C-Beitrag erklärt, worum es genau geht.

Traditionelles Wissen ländlicher Gemeinschaften ist wichtig, Innovation ist aber auch nötig. Um beides besser zu verknüpfen, muss die Agrarforschung mehr auf die Bedürfnisse von Dörfern in Entwicklungsländern achten. Hildegard Lingnau vom Global Forum on Agricultural Research and Innovation (GFAR), das Hunderte von Akteuren weltweit koordiniert, äußerte ihre Sicht in einem Interview mit meinem Kollegen Jörg Döbereiner.

Warum Gentechnik weniger wichtig ist, als manche glauben

Es ist ein Irrglaube, dass Innovation Hochtechnologie erfordert. Unser ugandischer Korrespondent Ronald Sseggujja Ssekandi berichtet, warum es kein großes Problem ist, dass sein Land kein Gesetz über genveränderte Organismen hat.

Armut und Not betreffen nicht nur Länder mit niedrigen Einkommen. Sie plagen auch aufstrebende Wirtschaftsmächte. In Indien ist die Ernährungssicherheit in den vergangenen Jahren sogar schlechter geworden. Viele Menschen weltweit konsumieren zudem zu viel Fett, Zucker und Salz. Eine gesündere Ernährungsweise wäre sinnvoll. Unsere indische Korrespondentin Roli Mahajan erörtert das Thema und zeigt, wie umweltfreundliche, auf ländlichen Traditionen basierende Innovationen in Indien etwas bewirken können.

Klimafolgen verschlimmern Ernährungsunsicherheit

Maßnahmen zur Abschwächung der Klimakrise sind dringend nötig, um das SDG2 der Beendigung des Hungers zu erreichen. Das Beispiel der Überschwemmungen in Pakistan im vergangenen Jahr zeigt, wie extreme Wetterverhältnisse bestehende Probleme verschärfen. Zeitweise stand ein Drittel des Landes unter Wasser. 44 Prozent der Menschen litten unter Ernährungsunsicherheit. Imran Mukhtar, ein in Islamabad lebender Journalist, beurteilt auf unserer Plattform die schwierige Lage.

Spektakuläre Katastrophen machen internationale Schlagzeilen. Über kleinere Desaster mit weniger Betroffenen wird dagegen oft nicht berichtet. Auch ihr Schicksal ist wichtig. In Uganda beispielsweise waren 2022 etwa 90 000 Menschen von Überschwemmungen betroffen, wie Ronald Sseggujja Ssekandi berichtet.

Unsere digitale Monatsausgabe hatte im November einen Schwerpunkt über die Beendigung des Hungers. In meinem Editorial habe ich die wichtigsten Botschaften des Schwerpunkts zusammengefasst.

Es lässt sich nicht zu oft sagen: Der Welthunger ist beendbar. Wenn die internationale Staatengemeinschaft den politischen Willen aufbringt, kann sie SDG2 erreichen.


Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
euz.editor@dandc.eu