Lösungsansätze

Die industrielle Landwirtschaft ist gescheitert

Die vollständige Umstellung der Nahrungsproduktion auf standortgerechte, agrarökologische Konzepte ist die beste Antwort auf die derzeitige Preis- und Hungerkrise.
Kleinbauern mit traditionellen Methoden wie hier in Nepal kommt beim agrarökonomischen Umbau der Landwirtschaft eine wichtige Rolle zu. Kleinbauern mit traditionellen Methoden wie hier in Nepal kommt beim agrarökonomischen Umbau der Landwirtschaft eine wichtige Rolle zu.

Sie bedeutet für Bauern und Bäuerinnen einen Ausstieg aus den teuren Produkten der Agrarchemie und für Verbraucherinnen und Verbraucher eine neue Vielfalt an lokalen, gesunden Nahrungsprodukten. Eine Abkehr von Importen würde auch die starke Reduzierung vom nährstoffarmen Getreideanbau, wie Mais oder Reis, bedeuten, außerdem eine Stärkung der Selbstversorgung, die (Preis-)Krisen in den Familien abfedert.

Diesen Umbau zu einem anderen, postfossilen Ernährungssystem haben Millionen Landwirte und ihre Vertreter als ihren Lösungsbeitrag zur Preis- und Hungerkrise auf der letzten Sitzung des UN-Welternährungsausschusses (Committee on World Food Security – CFS) im Oktober 2022 gefordert. Es ist nötig, dass auch die Industrieländer das Konzept der Ernährungssouveränität akzeptieren und unterstützen (CSIPM, 2022).

Da passt es nicht, dass im Rahmen der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) initiierten Ernährungsinitiative (GAFS – Global Alliance for Food Security) die Weltbank den Entwicklungsländern 30 Milliarden an Krediten zur Verfügung stellen will, um für die nächsten Ernten Dünger einzukaufen. Am Ende wird das vor allem die Gewinne der Agrarkonzerne mehren. Ein Teil der mittelfristigen Unterstützung muss zur Förderung eines agrarökologischen Umbaus eingesetzt werden, wie ihn auch das BMZ selbst, aber auch Entwicklungsorganisationen, wie Brot für die Welt, seit Jahren fördern und begleiten.

Die Industrieländer müssen aber auch ihre Landwirtschaft umstellen, damit nach einem hoffentlich baldigen Ende der Preiskrise und des perfiden russischen Machtspiels mit dem Hunger, nicht wieder subventionierte Getreide-, Milch- und Fleischmengen aus der EU die Märkte im Globalen Süden überschwemmen. Dies stört nämlich die lokale Agrarproduktion und verdrängt Kleinbauern von ihren Märkten.

Agrarwende auch in der EU

Dazu bedarf es auch eines veränderten Handelssystems, das Entwicklungsländer nicht mit Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO) oder bilateralen Abkommen dazu zwingt, ihre Märkte für EU-Produkte offenzuhalten. Nur so können sie lokale Produktion schützen. Entwicklungsländern muss es auch erlaubt sein, Subventionen als Produktionsanreiz zu zahlen und öffentliche Lagerbestände aufzubauen, um Preis- und Mengenkrisen zu mildern. Ägypten und Indien haben in dieser gegenwärtigen Krise gezeigt, dass diese Preisstützungen den Ärmsten geholfen haben, aber nicht ausreichend sind um einen Anstieg der Hungernden zu verhindern, wenn sämtliche benötigten zugekauften Nahrungsmittel teurer werden.

In solchen Situationen Länder zu kritisieren, weil sie Exportrestriktionen erlassen, um zu verhindern, dass ihr subventioniertes Getreide den Händlern auf dem Weltmarkt Profite einbringt, hat einen Hauch von Heuchelei. Die Agrarminister der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7) hatten im Juni Indiens Entscheidung kritisiert, die Ausfuhr von Weizen mit sofortiger Wirkung zu verbieten.

Wollen die USA, Kanada, Frankreich oder Deutschland wirklich durch zusätzliche Exportmengen dem hohen Weizenpreis, den Spekulanten oder Putin die Stirn bieten, haben sie mit ihren eigenen großen Getreidemengen, die nur verfüttert oder verheizt werden, Millionen von Tonnen, die sie bereitstellen könnten. Dies könnte bitter nötig werden, falls Russland wieder die Weizenproduktion in der Ukraine behindert oder aber im nächsten Jahr die Ernten weltweit tatsächlich – wie viele Experten voraussagen – aufgrund der hohen Düngemittelpreise viel geringer ausfallen.

Dass stattdessen Verbände und Agrarkonzerne die globale Ernährungs- und Preiskrise missbrauchen, um massiv Druck in Europa und Deutschland zu erzeugen, die energieintensive Produktion auszubauen und fordern, dass selbst die kleinsten Fortschritte zum nachhaltigen Umbau der europäischen Landwirtschaft zurückgenommen werden, ist nicht nur unverfroren, sondern der beste Weg in die nächste Hunger-, Energie- und Preiskrise.


Referenz
Civil society and Indigenous People’s Mechanism for Relations with the Committee on World Food Security (CSIPM), 2022: Voices from the ground 2: transformative solutions to the global systemic food crises., FAO Headquarters, Rome
https://www.csm4cfs.org/wp-content/uploads/2022/09/layout-CSIPM-summary-EN.pdf


Francisco Marí ist Referent Welternährung, Agrarhandel, Meerespolitik bei Brot für die Welt.
francisco.mari@brot-fuer-die-welt.de