Entwicklung und
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Kinderehen

Hauptursache Armut

Vor allem Mädchen sind in vielen Entwicklungsländern oft schon vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet. Nach ihrer Hochzeit brechen die jungen Bräute meist die Schule ab und werden schwanger. In Uganda sind Kinderehen weit verbreitet. Nichtregierungsorganisationen und jetzt auch die Regierung versuchen dies zu ändern.
Sobald Mädchen verheiratet sind, brechen sie in der Regel die Schule ab. Giling/Lineair Sobald Mädchen verheiratet sind, brechen sie in der Regel die Schule ab.

Heute geht es Diana (Name geändert) gut. Sie ist eine selbstbewusste junge Frau, die an der Uganda Christian University studiert. Aber die Geschichte, die Diana zu erzählen hat, ist alles andere als erfreulich. Es ist schwer vorzustellen, was diese kluge und fröhliche junge Frau erleiden musste.

Diana wuchs im Osten Ugandas auf. Nachdem ihr Vater die Familie früh verlassen hatte, zog ihre Mutter sie und ihre beiden Geschwister ohne Unterstützung auf. Das Stück Land, das ihre Mutter geerbt hatte, wurde ihr von Dianas Onkel weggenommen (siehe hierzuu auch Artikel von Gloria Laker Aciro). Als Diana 15 Jahre alt war, konnte ihre Mutter die Schulkosten nicht mehr bestreiten. Deshalb verheiratete sie ihre Tochter mit einem 22-jährigen Mann, der selbst keine abgeschlossene Schulausbildung hatte und einen Brautpreis von 50 000 Uganda-Schilling (rund 13 Euro), einer Kuh und einem Korb Maniokwurzeln bezahlte. Die Kuh tauschte ihre Mutter gegen ein Stück Land ein. Diana liebte ihren Mann nicht, fügte sich aber ihrem Schicksal. Sie arbeitete auf den Feldern anderer Dorfmitglieder für 2000 Uganda-Schilling (etwa 50 Cent) am Tag – während ihr Mann arbeitslos war.

Schon bald wurde Diana schwanger. Auch als die Wehen bereits eine Woche dauerten, brachte sie niemand ins Krankenhaus. Erst in der zweiten Wehen-Woche wurde sie zu einer Krankenstation gebracht und gebar einen kleinen Jungen, der am darauffolgenden Tag starb. Nur eine Woche nach Geburt und Beerdigung arbeitete Diana wieder auf den Feldern.

Bald darauf trat sie einer kirchlichen Jugendgruppe bei und vertraute sich der dortigen Betreuerin an. Mit ihrer Unterstützung kehrte Diana wieder in die Schule zurück. Doch ihrem Mann gefiel das gar nicht, er verprügelte Diana mehrmals – bis sie sich zu ihrer Mutter flüchtete.


Neues Leben

Dianas Mutter jedoch war ebenfalls dagegen, dass ihre Tochter wieder zur Schule ging. Sie weigerte sich, Diana eine Matratze zum Schlafen zu geben – Diana musste auf dem nackten Fußboden schlafen – und versuchte sie immer wieder davon zu überzeugen, zu ihrem Mann zurückzukehren: „Du hast eine Vagina, deshalb sollst du Kinder bekommen, anstatt zur Schule zu gehen“, war einer der freundlicheren Sätze, den sie von ihrer Mutter zu hören bekam, so dass Diana schließlich zu ihrem Mann zurückkehrte. Als Diana das zweite Mal schwanger wurde, musste die Geburt nach einwöchigen Wehen eingeleitet werden, und ein gesundes Mädchen kam auf die Welt.

Mittlerweile hat Diana sich von ihrem Mann getrennt und lebt in Kampala, wo sie mit Unterstützung von World Vision ein Studium begonnen hat. Ihre Mutter hat ihre Meinung geändert und betreut Dianas kleine Tochter. Diana ist heute 22 Jahre alt und hat es scheinbar geschafft. „Alle denken, ich hätte jetzt viel Geld, aber das ist nicht so. Das Stipendium von World Vision reicht nur für die Studiengebühren und meinen Lebensunterhalt. Meine Mutter kann von ihrem Land kaum leben, und wenn meine Tochter krank wird, weiß ich nicht, wie ich die Arztkosten bezahlen soll.“ Diana wird weiter kämpfen müssen, aber trotz allem hat sie auch die Erfahrung gemacht, dass es immer irgendeine Lösung gibt.

Diana erzählt ihre Geschichte, um anderen Mädchen Mut zu machen. Denn das, was sie erlebt hat, ist Alltag für fast jedes zweite Mädchen in Uganda. Laut einer aktuellen Statistik von UNICEF sind 40 Prozent der Mädchen zwischen 20 und 24 Jahren vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet und 10 Prozent sogar vor ihrem 15. Geburtstag. Uganda liegt damit über dem afrikanischen Durchschnitt von 39 Prozent.

Am höchsten ist die Rate im Norden Ugandas (59%), gefolgt vom Westen (58%) und Osten (52%). Studien wie der African Human Social Development Report (2013) belegen, dass die Länder mit den höchsten Raten an Kinderehen außerdem die höchsten Müttersterblichkeitsraten, die höchsten Schwangerschaftsraten und einen höheren Anteil an HIV/Aids in der Bevölkerung aufweisen.

In Uganda werden zwar auch minderjährige Jungs verheiratet, meist trifft es aber Mädchen. Ihre frühe Ehe zementiert den Armutskreislauf: Es sind meist von Armut betroffene Eltern, die ihre Mädchen früh verheiraten, um Ausgaben zu reduzieren. Diese wiederum brechen dann die Schule ab, werden früh schwanger und wissen, ohne Schulabschluss und Ausbildung, selbst kaum, wie sie ihre Kinder ernähren sollen.

Viel zu jung, um auf Ehe und Schwangerschaft sowie Mutterrolle vorbereitet zu sein, werden diese Mädchen häufiger Opfer von häuslicher Gewalt und schwerwiegenden Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt. Dieses Schicksal geben sie meist an die nächste Generation weiter.

Diana hatte Glück, dass die langandauernden Wehen bei ihr keine bleibenden Schäden in Form einer Blasen-Scheiden-Fistel verursacht haben. Denn ist der Fötus zu groß für den Geburtskanal und presst der kindliche Kopf in tagelangen Wehen gegen das mütterliche Gewebe, kann dieses Gewebe absterben, und eine bleibende Öffnung zwischen Blase und Scheide entsteht. Uganda hat die dritthöchste Rate an von Blasen-Scheiden-Fisteln betroffenen Frauen weltweit.


Vielfältige Ursachen

Es gibt mehrere Ursachen für die hohe Anzahl von Kinderehen in Uganda. Armut ist die Hauptursache, gefolgt vom mangelhaften Zugang von Mädchen zu Bildung. Traditionelle und soziale Normen schreiben vor, dass Mädchen früh heiraten, um ihre Rolle und Pflichten als Ehefrau und Mutter zu erfüllen.

Doch nicht alle Mädchen werden wie Diana zur Ehe gezwungen. Manche Mädchen heiraten aus freien Stücken, weil sie in der Schule mit Klassen von oft mehr als 100 Schülern dem Unterricht nicht mehr folgen können. Oder zuhause von ihren Eltern oder Verwandten missbraucht werden.

Es ist gängige Praxis in den ländlichen Gebieten Ugandas, dass Mädchen auf dem Nachhauseweg von der Schule von heiratswilligen Männern abgepasst werden, die ihnen Versprechungen machen und Süßigkeiten verteilen. Die Aussicht auf regelmäßige Mahlzeiten ist verlockend für Mädchen, die in den Ganztagsschulen oft kein Mittagessen bekommen und hungrig nach Hause gehen. Die Ehe scheint nicht die schlechteste Alternative zu sein. Die Enttäuschung ist groß, wenn sich herausstellt, dass sie im eigenen Haushalt genauso viel arbeiten müssen wie zu Hause und von ihren Männern keine Unterstützung erfahren. Ein Nachteil des Brautpreises ist, dass er die Erwartung der Ehemänner weckt, die Frauen würden ihnen gehören und müssten ihre Wünsche erfüllen.

Agnes (Name geändert), heute 17, heiratete mit 14 Jahren und bereut diesen Schritt zutiefst: „Ich wünschte, ich hätte nicht so früh geheiratet, damit habe ich alle meine Möglichkeiten vertan. Ich bin immer noch arm und rate allen Mädchen zu warten, trotz all der Schwierigkeiten, die sie haben.“

Es ist auch durchaus üblich, dass Mädchen, die vergewaltigt wurden, mit ihren Vergewaltigern verheiratet werden. Behörden, Polizei und Familie arbeiten hier oft zusammen, entgegen dem Wohl des Mädchens, das nicht gefragt wird. Erst in letzter Zeit nimmt die ugandische Regierung das Thema Kinderehe ernst und wird dabei von zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt (siehe Kasten).

Offiziell ist die Ehe laut der ugandischen Verfassung von 1995 erst ab dem 18. Lebensjahr legal. Entsprechende Gesetze werden aber oft nicht vollstreckt und religiöse und traditionelle Vorschriften erlauben die Ehe, sobald die Pubertät eingesetzt hat.


Angelina Diesch ist Sozialarbeiterin und arbeitet ehrenamtlich bei der Nichtregierungsorganisation Joy for Children Uganda in Kampala.
angelina@joyforchildren.org

Moses Ntenga ist Gründer und Leiter von Joy for Children Uganda.


Links

Girls not Brides
http://www.girlsnotbrides.org

Joy for Children
http://www.joyforchildren.org

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