Trübe Aussichten auf Asiens Zukunft

Asien hat sich zu einem Kontinent hoher Wachstumsraten und rasanter Urbanisierung entwickelt. Die ökonomischen Aussichten sind gut, doch gleichzeitig wachsen die Umweltbelastungen. Um sich nachhaltig zu entwickeln, muss Asien andere Wege als Nordamerika und Westeuropa gehen. Zum Beispiel ist es nicht sinnvoll, in Megastädten, die einen hohen Lebensstandard erreichen wollen, auf motorisierten Individualverkehr zu setzen. Die Aufgaben verlangen nach Lösungen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene.

[ Von Bindu N. Lohani ]

Asiens Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahrzehnten ist in jeder Hinsicht ein bemerkenswerter Erfolg. Laut Schätzungen hat die Region 2006 um fünf Prozent zugelegt – ein bemerkenswertes Comeback nach der Finanzkrise von 1997/98. Und dieses Wachstum hält voraussichtlich an. Angeführt von den schnell expandierenden Ökonomien Chinas und Indiens könnte das aufstrebende Asien bis zum Jahr 2030 durchschnittliche jährliche Wachstumsraten von mehr als fünf Prozent erzielen. Zweifellos werden mit dem ökonomischen Wachstum auch Einkommen und Konsum steigen.

Die schlechte Nachricht ist, dass ein solches Wachstum nicht umsonst zu haben ist. Ökonomisches Wachstum ist die Voraussetzung für Armutsreduzierung. Es sollte aber nicht auf Kosten der Umwelt gehen und kommenden Generationen die Chance rauben, Asiens natürliche Ressourcen zu nutzen.

Derzeit wächst die städtische Bevölkerung Asiens jährlich um 44 Millionen – das sind rund 120 000 Menschen täglich. Auch dieser Trend wird anhalten. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass Asiens Stadtbevölkerung bis zum Jahr 2015 auf fast zwei Milliarden Menschen wachsen wird – das ist fast die Hälfte der Menschen, die dann in der Region leben werden.

Diese rapide Urbanisierung hat den Asiaten neue Möglichkeiten und Vorteile gebracht, insbesondere auf den Gebieten Bildung, Gesundheitsversorgung und in Bezug auf andere soziale Leistungen. Zugleich belastet das schnelle Wachstum der Städte die Gesundheit, das Wohnraumangebot und die Umwelt. Ballungsräume kämpfen damit, eine wuchernde Bevölkerung aufzunehmen. Zentrale Aufgaben sind der Umgang mit der wachsenden Mobilität und der zunehmenden Zahl an Fahrzeugen auf den Straßen sowie die Verringerung der dadurch verursachten Abgase. Selbst das derzeit optimistischste Szenario für die Entwicklung des Straßenverkehrs geht davon aus, dass sich der Ausstoß von Kohlendioxyd durch den Transportsektor in Asien in den nächsten 25 Jahren verdreifacht. Gleichzeitig gefährdet die lokale Luftverschmutzung die menschliche Gesundheit. Verschärft wird die Situation durch zunehmend vom Verkehr verstopfte Straßen – ein Phänomen, das den Transport von Menschen und Gütern und damit auch das ökonomische Wachstum behindert.

Der dramatische Anstieg der Fahrzeugnutzung in der Region macht den Transportsektor nicht nur zur heute schon größten, sondern auch zur am schnellsten wachsenden Quelle von Treibhausgasemissionen. Angesichts einer Fahrzeugflotte, die sich alle fünf bis sieben Jahre verdoppelt, ist es dringend notwendig, kosteneffiziente Maßnahmen zur Verringerung der Autoabgase zu finden.

Für eine globale nachhaltige Entwicklung ist es wesentlich, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre zu reduzieren. Schon bevor das International Panel on Climate Change im Februar seinen jüngsten Bericht vorlegte, gab es zwingende Anhaltspunkte dafür, dass die Welt wärmer wird. Internationale Wissenschaftler sind sich einig, dass sich die Oberflächentemperatur im 20. Jahrhundert weltweit im Schnitt um rund 0,6 Grad Celsius erhöht hat. Die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxyd ist seit 1750 um 31% auf ein Niveau gestiegen, das zumindest in den vergangenen 420 000 Jahren noch nie erreicht wurde.

Das hat gravierende Folgen für das globale Klima. Alle Betroffenen, einschließlich die internationale Entwicklungsgemeinde, müssen sich erheblich anstrengen, um die Energieeffizienz zu steigern. Das gilt vor allem für den Transportsektor. Diese Herausforderungen müssen auf globaler, nationaler und lokaler Ebene schnell angegangen werden.

Auf das aufstrebende Asien (inklusive China und Indien) werden voraussichtlich 45 % des bis 2025 zusätzlich anfallenden globalen Ölverbrauchs entfallen, da diese Ökonomien sich den reifen Marktwirtschaften deutlich annähern werden. In China wird der Energieverbrauch im Transportsektor schätzungsweise jährlich um sechs bis neun Prozent wachsen, in Indien um fünf bis acht Prozent.

Bisher bewegt sich die individuelle Motorisierung in der Region noch auf niedrigem Niveau. Außerdem besteht die Fahrzeugflotte großteils aus Zweirädern mit niedrigem Benzinverbrauch. In China beispielsweise besitzen von 1000 Menschen nur 45 ein Fahrzeug (weniger als zehn davon haben Fahrzeuge mit vier Rädern). In Japan dagegen haben 530 von 1000 Menschen ein Fahrzeug (davon 430 mit vier Rädern). Doch allein die Größe Chinas und Indiens könnte bewirken, dass auf ihren Straßen schon bald Fahrzeugflotten unterwegs sind, die in absoluten Zahlen so groß sind wie die der USA.

Die Kombination von steigenden Einkommen, schnellem Städtewachstum und wachsendem Fahrzeugbesitz darf nicht unkontrolliert hingenommen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass Umweltprobleme die Entwicklung von Asiens Städten und Ökonomien ernsthaft stören.

Das schnelle Wachstum individualisierter Motorisierung in den meisten asiatischen Städten führt dazu, dass der Anteil des öffentlichen Personenverkehrs sinkt. Mit wenigen Ausnahmen bietet in den meisten Städten im aufstrebenden Asien der öffentliche Nahverkehr keinen guten Service. Bus- und Zugfahrscheine sind zwar meistens billig und der Transport relativ schnell. Aber Busse und Zugabteile sind oft überfüllt und dreckig. Außerdem gibt es Probleme mit Kriminalität und der Verkehrsicherheit – ganz abgesehen vom hohen Schadstoffausstoß. Die Zugänglichkeit ist oft ein weiteres Problem. Teilweise sind Eingangsplattformen in Bussen so hoch, dass sie Frauen mit kleinen Kindern und älteren Personen faktisch den Zugang verwehren.
Die Zahl der Fahrzeuge wird mit dem ökonomischen Wachstum weiter steigen. Eine zunehmend wohlhabende Stadtbevölkerung kann sich ohne Probleme Autos und spritfressende Geländewagen leisten. Die Nachfrage nach solchen Wagen in Asiens Städten wird voraussichtlich schneller wachsen als das Bruttoinlandsprodukt. Laut Prognosen wird der Verkehr in den Ländern des aufstrebenden Asiens zwischen 2006 und 2009 um 35 Millionen Fahrzeuge wachsen (ohne zusätzliche zwei- und dreirädrige Vehikel), 80 Prozent davon entfallen auf China.

Halten die gegenwärtigen Trends an, wird die Zahl der Autos und Geländewagen in China von 12,9 Millionen bis 2035 auf etwa 193 Millionen steigen und dann fünfzehnmal so hoch sein wie heute. In Indien ist das Wachstum etwas geringer, aber nur im Vergleich zu China, nicht in absoluten Zahlen. Neueren Schätzungen zufolge werden sich die Autos und Geländewagen auf Indiens Straßen von derzeit 6,2 Millionen auf rund 80 Millionen 2035 verdreizehnfachen. Hochgerechnet wird der chinesische Straßenverkehr in 30 Jahren dreieinhalbmal so viel Benzin verbrauchen wie heute, in Indien wird der Spritverbrauch bis 2035 um das Sechsfache wachsen. Gleichzeitig nehmen Urbanisierung und Wachstum des Straßenverkehrs auch in vielen anderen Ländern Asiens zu.

Selbst wenn die finanziellen Mittel und das Land zur Verfügung stünden, wäre es nicht vernünftig, Straßen zu bauen und die Infrastruktur zu schaffen, so wie es dem vorhergesagten Fahrzeugaufkommen in den Städten entspräche. Auch die Praxis, mehrstöckige Stadtautobahnen zu errichten, wird zunehmend als schädlich für die Lebens- und damit auch die wirtschaftliche Standortqualität einer Stadt gewertet.

Die Zahlen machen klar, dass das ökonomische Wachstum und insbesondere der Energieverbrauch in Asien gerechter und nachhaltiger gestaltet werden müssen. Arbeiten der Asian Development Bank (ADB) zeigen, dass eine deutliche Reduzierung der Wachstumsraten bei Treibhausgasemissionen durch den Transportsektor einen ganzheitlichen Ansatz erfordert. Mobilitätsverhalten und Stadtentwicklung müssen verändert werden, um sowohl die Länge der Wege, die Menschen zurücklegen, als auch die Häufigkeit, mit der sie das tun müssen, zu verringern.

Urbane Reformen müssen beschleunigt, innovative Verkehrstechnologien und neue Managementmethoden entwickelt werden. Die Unterschiede zwischen Ländern, Kulturen und Städten müssen dabei respektiert werden. Erforderlich sind auf die jeweilige Situation zugescnittene Visionen und Aktionsprogramme. Innovationen – regional entwickelt oder von anderen übernommen – müssen schneller verwirklicht werden.

Selbstverständlich sollten die Entscheidungsträger Wissen und Erfahrung untereinander austauschen. Erfolge bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen durch den Transportsektor erfordern Partnerschaften und das Engagement einer Vielzahl von Interessenvertretern. Die Asiatische Entwicklungsbank hat einige umfangreiche Initiativen für mehr Energieeffizienz und zur Abmilderung des Klimawandels ergriffen. Wir unterstützen die Clean Air Initiative for Asian Cities, ein regionales Netzwerk aus Städten, staatlichen Institutionen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Entwicklungsorganisationen und Wissenschaftlern.

Verbesserte Städteplanung kombiniert mit strukturellen Veränderungen von Transportsystemen und einem reduzierten Spritverbrauch könnten das Wachstum der Treibhausgasemissionen in Asien bremsen. Um dieses Problem anzugehen, finanziert die ADB ein regional angelegtes technisches Hilfsprojekt, das nach innovativen Wegen zur Verwaltung un Finanzierung schnell wachsender Städte sucht.

Jede Vision für Wirtschaftswachstum, Urbanisierung und Motorisierung bis zum Jahr 2025 muss eine „Post-Kyoto“-Perspektive einnehmen: Die Länder Asiens müssen die Tatsache des Klimawandels berücksichtigen. Innerhalb dieses Zeitrahmens werden die größten Länder des Kontinents ihre Plätze unter den größten Treibhausgasverursachern der Welt einnehmen. Sie müssen deshalb einen Paradigmenwechsel herbeiführen, um mögliche Zerstörungen abzuwenden.

Verzögerungen werden nur zu noch größeren kulturellen und wirtschaftlichen Erschütterungen führen. Die Vernachlässigung drängender Probleme wird schwerwiegende langfristige Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des aufstrebenden Asiens haben. Es sind grundlegende Veränderungen gefragt: Ein neuer asiatischer Konsens muss Politik und Investitionsentscheidungen leiten. Die Planer sollten darüber nachdenken, wie sie die Menschen mitnehmen, anstatt Vorkehrungen für den Gebrauch von immer mehr privaten Autos zu treffen.