Budgethilfe

Brüssel untergräbt Selbstkontrolle

Durch direkte Zuschüsse in nationale Haushaltshilfe lassen sich teure Entwicklungsvorhaben langfristig stem­men. Eine Studie über EU-Budgethilfe in Burkina Faso, Ghana und der Domi­ni­ka­nischen Republik bemängelt aller­dings, dass die Souveränität von Abgeordneten und Rechnungshöfen dabei systematisch unterhöhlt wird.

In Berlin hat die Entwicklungspolitik der Europäischen Union, die das Ins­trument der Budgethilfe betont, einen schweren Stand: Gerne beklagen Politiker deren Ineffizienz und dürftige Kostenkontrolle. Und unter den 27 EU-Mitgliedstaaten sind deutsche Kritiker nicht allein. Daher plant die Europäische Kommission ab 2011 eine öffentliche Konsultation, die Akteure aus Geber- und Empfängerländern an einen Tisch bringt. Als Gesprächsgrundlage ist dieser Tage ein „Grünbuch“ angekündigt. Es kann sich an einer Studie des Siegburger Südwind-Instituts messen, die der Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments (DEVE) im April verschickte.

Die Studie „Monitoring Budget Support in Developing Countries“ untersucht die Effektivität von Kontrollorganen, die in Empfängerländern helfen, Budgethilfe zu überwachen. Seit etwa zehn Jahren hilft die EU-Kommission auf diesem Wege, vor allem in ehemaligen Kolonien von EU-Mitgliedern in Afrika, Karibik und Pazifik (AKP-Staaten). Der große Vorteil von Zuschüssen für nationale Haushalte oder Budgets einzelner Ministerien ist, dass dadurch Partnerregierungen handlungsfähiger bleiben und stärker Rücksicht auf politische Besonderheiten genommen wird. Es gibt aber auch Kritik.

Der zentrale Vorwurf, den Svea Koch und Pedro Morazan vom Südwind-Institut erheben, ist die Vernachlässigung demokratischer Selbstverantwortung. „Entwick­lungshilfe über den Haushalt der Partnerländer abzuwickeln ist ein wichtiger Anfang“, schreiben die Siegburger Forscher. „Dadurch verbessert sich aber nicht automatisch die parlamentarische Kontrolle.“

Ziel und Umfang ausländischer Budgethilfe erfahren Parlamentarier, wenn überhaupt, als Letzte. Versäumen es die Geberländer, Volksvertreter in wichtige Abläufe einzuschließen, sei Budgethilfe aber unvollständig, betonen die Autoren.

Aufgrund eigener Richtlinien beschränke sich Brüssel auf technische Kriterien des öffentlichen Finanzmanagements, ohne Rück­sicht auf demokratische Kontrollorgane. Tatsächlich verstehe sich kaum ein Abgeordneter in Accra, Ouagadougou oder Santo Domingo bisher als Wächter über den Haushalt – die Einführung von Budgethilfe habe daran aber auch nichts geändert. Präsidialsysteme und die politische Übermacht der Regierung stünden dem Parlamentarismus entgegen, so die Begründung der Forscher. Hinzu komme eine bleibend schlechte Ausstattung der Bürgervertreter. „Mein Abgeordnetenbüro ist der Gepäckraum meines Autos“, beschreibt ein Parlamentarier aus Ghana seine symptomatische Lage.

Die EU-Kommission genehmigt auch Ländern mit schwachem Finanzwesen ihren Beistand. Ansprechpartner für die EU-Kommission sind aber nur die jeweiligen Regierungen und ihre Organe. Deshalb verfahren alle drei Empfängerländer, kurz gesagt, nach dem Prinzip: Hauptsache, es fließt Geld – egal, wie gut es anschließend eingesetzt wird. Folglich stützt die Budgethilfe vor allem die geförderten Ministerien. Auch Rechnungshöfe werden dadurch gestärkt; sie sind laut der Siegburger Studie allerdings nicht unabhängig, laut den Siegburger Forschern in allen drei untersuchten Ländern ein „maßgebliches“ Problem. „Die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft in der Haushaltsaufsicht wird von der EU-Kommission in Budgethilfeprozessen bisher nicht ausreichend anerkannt“, stellen die Autoren außerdem fest.

Auch der deutsche Bundesrechnungshof forderte übrigens vor zwei Jahren mehr demokratische Kontrolle durch den Bundestag. Zentraler Vorwurf war die deutsche Vergabepraxis: Ob Geld fließe, hänge davon ab, wie das Bundesentwick­lungsministerium den Reformwillen eines Partnerlandes einschätzt. Das unterhöhle aber die Kontrollfunktion des deutschen Parlamentes. (Peter Hauff)